Die Leuenhofer. Ida Bindschedler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ida Bindschedler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788726614886
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      Der alte Herr besass einen weissen Pudel, der offenbar auch ziemlich alt war und deshalb die Kälte nicht mehr gut ertrug. Im Herbst und Winter erschien er zur grössten Belustigung der Leuenhoferkinder in einer abgetragenen Weste von Herrn Konzelmann. Oben auf dem Rücken war sie zugeknöpft, und durch die Armlöcher gingen die Vorderbeine.

      Die Leuenhofer hätten gerne Freundschaft geschlossen mit dem weissen Pudel, und wenn er in seiner wunderlichen Schabracke vor der Türe sass, standen sie oft am Gartengitter und lockten ihn her: ,,Du hast aber einen schönen Winterrock, Hektor, komm, zeig!“

      Hektor machte sich aber nichts aus Kindern; er blieb sitzen, und wenn sie dann anfingen, ihn ein wenig zu necken: „Eh, du bist aber ein Verfrorener, heut ist’s doch gar nicht kalt! – Aha, ein Westentäschchen hat er auch – vielleicht ist eine Uhr darin – ist es schon halb 12 Uhr?“ Wenn sie so riefen, dann sah er auf die Seite und gähnte und lachte wahrscheinlich: Ach, wie sind doch so Kinder dumm!

      Er selber war sehr klug. Arnold Zwickels Grossvater, der den Garten von Herrn Konzelmann besorgte, sagte es oft. –

      Ausser dem Pudel besass Herr Konzelmann sieben Schildkröten; diese interessierten die Leuenhofer Buben und Mädchen fast noch mehr als der Pudel. Wenn man sie nur öfter hätte sehen können. Aber in den Garten hinein durfte man nicht. Nur manchmal machte Arnold Zwickel, wenn er bei seinem Grossvater war, das hintere Gartentürchen auf und dann konnte man die seltsamen Tiere betrachten, die langsam mit ihren schweren, schwarz und gelb gefleckten Schalen über den kurzgeschnittenen Rasen spazierten oder unbeweglich auf einem Fleck blieben und nur ihren kleinen, glatten Kopf hin und her bewegten, so dass der lange, faltige Hals sichtbar wurde.

      Einmal aber, an einem Mittwoch Nachmittag, als fast die ganze fünfte Klasse – die sechste war in der Riedau unten – auf dem Spielplatz beim Wendeltor versammelt war, kam Arnold Zwickel gelaufen.“

      „Hört; jetzt sag ich euch etwas Feines: Herr Konzelmann ist auf drei Tage verreist, und da hat mein Grossvater gesagt, wenn ihr manierlich seid, so dürft ihr in den Garten kommen zu den Schildkröten!“

      Die Buben und Mädchen liefen und traten zum hintern Gartentörchen herein!

      Da waren alle sieben Tiere beisammen auf dem Gartenwege und wurden alsbald umringt von den Kindern, die niederkauerten, um die merkwürdigen Geschöpfe recht in der Nähe zu betrachten.

      Hektor, der Pudel, der in dieser warmen Jahreszeit ohne Weste ging, stand auch dabei.

      Arnold Zwickel holte aus der Wiese ein paar Büschel Löwenzahnblätter und legte sie den Schildkröten vor die stumpfe Nase. Erst regten sie sich nicht. Dann fingen sie langsam an zu schnüffeln und packten auf einmal das Blatt, zogen es hin und her, bis sie es am rechten Zipfel hatten und bissen dann fest drein, so dass ein Blatt ziemlich bald verschluckt war.

      ,,Das ist zu nett, wie sie fressen“, riefen die Mädchen entzückt.

      „Man darf sie schon aufnehmen“, sagte Arnold und bot eines von den Tieren seinem Freund Walter Adorf, der es behutsam anfasste. Nun gingen die Tiere von Hand zu Hand und wurden gedreht und gewendet. Unten waren sie ganz flach; und die Pfoten, wie die komisch aussahen!

      Die Buben setzten eine hinter die andere wieder auf den Weg, und die Schildkröten machten ihnen das Vergnügen, ein wenig zu marschieren.

      „Wie ein Zug von Elefanten“, sagte Martin Imbach.

      „Ja, ja, wahrhaftig wie Elefanten!“

      „Wenn wir Soldaten da hätten, dann könnten wir den Kriegszug von Pyrrhus darstellen“, sagte Martin.

      „Den Kriegszug? – was für einen Zug?“ fragte Sara Wiebold, die zuvorderst am Boden sass und einer der Schildkröten zärtlich über die Nase strich, was das Tier aber nicht gerne hatte; denn es zog den Kopf in die Schale zurück.

      „Den Kriegszug von Pyrrhus“, wiederholte Martin Imbach. „Pyrrhus war der König von Epirus.“

      „Ja“, fiel Paul Grossberger ein, der das Geschichtsbuch des Martin Imbach besass und auch gelesen hatte; „der Pyrrhus kam mit einem grossen Heer und mit vielen Elefanten und wollte die Römer besiegen. – Imbach – wir holen unsere Soldaten – ich habe Russen und Japaner und du hast preussische Ulanen auf Pferden.“

      „Und ich Franzosen und berittene Araber“, rief Walter Adorf – „das wird fein! Der Anführer ist auf einem Schimmel, Imbach! Der kann den Pyrrhus vorstellen –!“

      „Ich bringe meine Bersaglieri, das sind Italiener, mit, die gehen im Laufschritt.“ „Und ich habe Zuaven“, riefen ein paar andere Buben und wollten schon davon rennen, als dem Paul Grossberger noch ein besonders feiner Bedanke kam: „Die Elefanten müssen Kriegstürme haben. Türme, auf denen Bewaffnete stehen und mit Pfeilen auf den Feind schiessen. Gritli Wegmann, lauf was du kannst. Dein grosser Bruder hat Knetmasse; er hat mir letzthin einen ganzen Klumpen gezeigt. Sag ihm, wir müssten Kriegstürme machen.“

      „Famos! Famos!“ schrien die Buben und nun rannte fast alles dem Städtchen zu, voran Marie Hug in Begleitung von Sara Wiebold und von zwei andern Freundinnen. Nur einige Mädchen blieben zurück als Elefanten-Wärterinnen.

      „Fortlaufen tun sie zwar nicht“, sagte Arnold Zwickel lachend; ,,sie sind viel zu träg dazu.“

      Rasch waren die Buben mit ihren Russen, Japanern, Ulanen und Arabern wieder da, und auch die Mädchen erschienen im Laufschritt wie die Bersaglieri mit der Knetmasse.

      Paul Grossberger und Martin Imbach hatten vier grosse Deckel von alten grauen Zeichnungsmappen mitgebracht. „Es muss doch ein Zug sein“, erklärten sie, „ein Zug, der vorwärts marschiert. Also wir stellen die Soldaten auf die vier Deckel und an den zwei vordern Ecken werden Löcher gebohrt und Schnüre festgemacht, damit man den Karton ziehen kann.“

      „ Natürlich, damit man ziehen kann! Fein!“

      Alsbald begannen die Buben ihre Soldaten aufzustellen, während Sara Wiebold und einige andere Mädchen unter Anleitung von Hermann Steininger die Kriegstürme herstellten. Sie wurden etwa handhoch und bekamen oben eine Plattform, auf der die Krieger Stellung zu nehmen hatten.

      Es war nicht ganz leicht, den fertigen Turm auf den Schildkröten so anzubringen, dass er gerade stand. Zwar wehrten sich die Tiere nicht, sondern hielten geduldig still. Wenn schon es ihnen gewiss nicht angenehm war, dass man ihnen solch ein Zeug auf ihren Rücken klebte, und trotzdem ihnen Sara Wiebold, während sie die Brüstung der Plattform schön glatt drückte, erklärte, dass sie stolz sein könnten, nicht mehr nur Schildkröten zu sein, sondern Elefanten, „hört ihr, Kriegselefanten im Heere des Königs Pyrrhus.“

      Am wenigsten einverstanden mit dem Unternehmen war der Pudel Hektor. Gespannt sah er zu, und als die Türme auf den Schildkröten befestigt wurden, knurrte er leise, wie wenn er sagen wollte, was macht ihr denn für Dummheiten; überhaupt die Schildkröten da gehören dem Herrn Konzelmann; geht ihr eurer Wege. Er legte die Pfote auf eine der Schildkröten und versuchte mit der Schnauze den dummen Höcker zu entfernen. Aber die Kinder schoben ihn lachend weg und arbeiteten mit grossem Eifer weiter an der Mobilmachung des epirischen Heeres.

      Als Arnolds Grossvater mit einem Korb voll Unkraut daher kam, rannte ihm Hektor entgegen und bellte heftig:

      „Sieh einmal, was die Kinder anstellen; das ist doch nicht erlaubt!“

      Aber der Gärtner hatte seinen Spass an den zum Feldzug ausgerüsteten Schildkröten.

      „Das schadet denen nichts Hektor; die sollen nur auch einmal etwas tun; so bekommen sie einen guten Appetit auf den Abend“, sagte er und ging wieder an seine Arbeit.

      Endlich war das ganze Heer marschbereit. Auf dem ersten Karton befand sich die Vorhut. Ihr folgte der Gewalthaufe, angeführt von Pyrrhus selbst, der, umgeben von Generälen, stolz auf seinem weissen Schimmel daherritt. Hinter dem Gewalthaufen aber kamen die sieben Elefanten mit den Kriegstürmen, auf die man in Ermanglung von Bogenschützen russische Infanterie gestellt hatte.

      Es machte einige Schwierigkeit, die Elefanten in