Britta und die Pferde. Lisbeth Pahnke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lisbeth Pahnke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711520833
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      „Ist das dein Auto?“ fragte ich.

      „Nein“, Lasse schüttelte entrüstet den Kopf. „Glaubst du vielleicht, ich bin über Nacht Millionär geworden? Ich verbrauche fast mein ganzes Geld für Cayenne. Das Auto gehört meinem Onkel. Er wollte es mir eigentlich nicht geben. Ich mußte ihm versprechen, so schnell wie möglich zurückzukommen. Hoffentlich hat inzwischen niemand angerufen, daß ein Schwein niest, eine Kuh kalbt oder ein Schaf sich nicht scheren lassen will. Komm, wir müssen uns beeilen. Ich habe nur einen uralten Volkswagen. Aber der hatte heute keine Lust anzuspringen.“

      Goldie kletterte auf den Rücksitz, und ich setzte mich neben Lasse.

      „Warum heißt sie Goldie?“ wollte ich wissen. „Das klingt so sanft für einen Schäferhund.“

      „Schäferhunde sind sanft“, wandte Lasse ein. „Natürlich gibt es Ausnahmen. Aber leider glauben viele Menschen, alle Schäferhunde seien unzuverlässig und bissig.“

      „Ich mag Schäferhunde sehr“, antwortete ich und kraulte Goldie hinter den Ohren.

      Wir bogen in eine Allee mit alten knorrigen Bäumen ein. Ich konnte nicht erkennen, was es für Bäume waren. Es war dunkel und die Äste waren laublos.

      Rechts vor uns tauchte im Scheinwerferlicht ein Warnschild auf: „Vorsicht Wildwechsel!“

      Lasse fuhr langsamer. Die mächtigen Baumstämme zogen wie stumme, geisterhafte Zeugen einer längst vergangenen Zeit an uns vorüber.

      „Im Sommer muß die Allee wunderschön aussehen“, sagte ich verträumt zu Lasse.

      Ehe Lasse antworten konnte, versuchte plötzlich etwas Dunkles unmittelbar vor uns über die Straße zu laufen. Lasse trat voll auf die Bremse. Aber der Asphalt bot den Reifen keinen Widerstand: Der beißende Wind mußte die nasse Straße in eine spiegelglatte, verhängnisvolle Eisbahn verwandelt haben. Der rechte Straßengraben schien drohend auf uns zuzukommen. Plötzlich traf ein dumpfer Schlag den rechten, vorderen Kotflügel, und der Wagen wurde in die andere Richtung geschleudert. Ich klammerte mich verzweifelt an das Armaturenbrett, um mich irgendwo festzuhalten. Im gleichen Augenblick stieß ich mit dem Kopf gegen eine kalte und harte Kante.

      Das Auto wurde zu einem Karussell, das sich in wahnsinniger Geschwindigkeit um die eigene Achse drehte. Es drehte sich immer schneller, bis es vom Boden abhob und sich den Baumkronen näherte, über sie hinausstieg und schließlich – langsamer werdend – über den Wald schwebte.

      „Britta! Britta! Ist dir etwas passiert?“

      Was war das für eine Stimme? Befand sich noch jemand in meinem Karussell?

      „Bitte, liebe Britta, mach doch endlich die Augen auf!“

      So ein Unsinn. Meine Augen waren doch offen: Ich sah ganz deutlich den dunklen Wald tief unter mir. Warum klang die Stimme eigentlich so aufgeregt?

      „Nicht doch! Was soll denn das?“ schimpfte ich. Etwas Nasses und Kaltes bedeckte plötzlich mein Gesicht. Dieses nasse und kalte Etwas hüllte auch mein Karussell ein, so daß es die Balance verlor und zur Erde stürzte.

      Ich schrie und – schlug die Augen auf. Lasse beugte sich über mich und rieb mein Gesicht mit einem Stückchen Eis ab …

      „Lasse“, flüsterte ich.

      „Britta! Gott sei Dank! Du lebst!“

      „Ich friere. Warum hast du mich denn mit Eis eingerieben?“ fragte ich verwundert.

      „Weil du ohnmächtig warst“, erklärte Lasse. „Oder wäre es dir lieber gewesen, ich hätte dir ein paar Ohrfeigen verabreicht, um dich wieder zur Besinnung zu bringen?“

      Wir mußten beide lachen.

      „Was ist denn eigentlich passiert?“ wollte ich wissen und richtete mich auf.

      „Ich mußte plötzlich scharf bremsen“, berichtete Lasse. „Ich hatte keine Ahnung, daß die Straße hier vereist war, und kam ins Schleudern. Ich habe natürlich durch Gegenlenken versucht, das Schlimmste zu verhüten. Aber viel konnte ich nicht ausrichten. Es war spiegelglatt. Der Wagen drehte sich im Kreis und rutschte schließlich auf einen dicken Baumstamm zu, der ihn zum Stehen brachte. Du bist offenbar mit dem Kopf aufgeschlagen. Hast du Kopfschmerzen?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht. Aber mir ist schrecklich kalt“

      Während Lasse auf dem Rücksitz nach einer Decke suchte, hörte ich plötzlich ein leises Winseln und eine warme, feuchte Zunge leckte mein kaltes Gesicht.

      „Goldie“, rief ich glücklich und kraulte sie hinter den Ohren. „Wie geht es dir?“

      „Sie scheint den Unfall gut überstanden zu haben“, antwortete Lasse und hüllte mich in eine warme Wolldecke ein. „Ist es so besser?“

      „Wunderbar“, nickte ich dankbar. Ich kuschelte mich in die Decke und versuchte, meine Gedanken und die vielen Eindrücke der letzten Minuten zu ordnen. Lasse, Goldie und ich schienen wohlauf zu sein. Das war das Wichtigste.

      „Was ist mit dem Wagen?“ fragte ich erschrocken. „Er gehört doch deinem Onkel und …“

      „Du darfst dich jetzt nicht aufregen“, unterbrach mich Lasse. „Ich hoffe, das Auto ist noch fahrtauglich. Ich sehe gleich einmal nach.“

      Nachdem Lasse den Wagen mit Hilfe einer Taschenlampe gründlich untersucht hatte, kam er wieder herein und setzte sich neben mich auf den Fahrersitz.

      „Sieht schlimmer aus, als ich dachte“, berichtete er und runzelte die Stirn. „Hinten ist alles in Ordnung. Aber die beiden vorderen Kotflügel … Der linke ist so eingedrückt, daß er das Rad blockiert. Wir können nicht fahren.“

      Ich stellte mir das Auto als total verbeultes Wrack vor, und vor meinen Augen erschien Lasses Onkel überlebensgroß: er schimpfte wild und drohte wütend mit dem Zeigefinger.

      Ich mußte ein ziemlich entsetztes Gesicht machen, denn Lasse fragte: „Siehst du Gespenster?“

      „Nein, nur deinen Onkel“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

      „Tja, erfreut wird er nicht gerade sein“, seufzte Lasse. „Ich muß eben versuchen, die Reparaturkosten von meinem Taschengeld abzustottern.“

      „Dabei helfe ich dir“, erklärte ich sofort. „Reich bin ich nicht, aber …“

      „Kommt gar nicht in Frage“, protestierte Lasse. „Schließlich habe ich den Unfall verursacht. Du kleines Küken besitzt ja noch nicht einmal den Führerschein“, hänselte er mich.

      „Aber du hast den Unfall doch gar nicht verschuldet.“ Ich erinnerte mich wieder ganz genau an die Minuten vor dem Unfall. „Du hast das Warnschild beachtet und fuhrst langsam, als überraschend irgend etwas Dunkles über die Straße wollte …“

      „Natürlich“, rief Lasse erschrocken. „Daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Wir müssen sofort nachsehen, ob jemand verletzt ist. Komm, Goldie.“

      Wir kletterten alle drei aus dem Auto, und während Lasse und ich mit der Taschenlampe die Straße ableuchteten, rannte Goldie schnüffelnd und zielstrebig zum Straßenrand. Plötzlich blieb sie stehen und bellte ganz aufgeregt. Wir eilten zu ihr. Im Licht der Taschenlampe erblickten wir ein Rehkitz, das verzweifelt darum kämpfte, sich auf seine kleinen Läufe zu erheben. Nach kurzer Anstrengung sank es erschöpft zu Boden und sah uns aus großen, ängstlichen Augen hilfesuchend an.

      „Ruhig, Goldie“, sagte Lasse und beugte sich über das Reh. „Die Hinterläufe sind blutig. Und wahrscheinlich auch gebrochen“, stellte er fest. „Es muß mit ihnen unter die Räder gekommen sein.“

      Das Reh unternahm einen weiteren hoffnungslosen Versuch aufzustehen.

      „Na, na, schon gut“, sagte Lasse mit sanfter Stimme und strich dem armen Tier beruhigend über das Fell. „Wir müssen es so schnell wie möglich zu meinem Onkel bringen. Aber wie? Mit bloßen