Klaudia die Flirtkanone. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711719336
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sie waren nicht sicher, ob sie in Rosenberg den gleichen netten Anschluß finden würden. Aber das mußte eben abgewartet werden.

      Und dann war es soweit, daß die Teppiche eingerollt wurden. Klaudia und Sylvie mußten helfen, jedes einzelne Geschirrstück, Vasen, Lampen und Aschenbecher, in Papier zu wickeln und in große Kisten zu verpacken. Ein vertrauter Gegenstand nach dem anderen verschwand. Die Gardinen und Vorhänge wurden abgenommen, und die Fenster wirkten plötzlich kahl und kalt. Dr. May nahm die Bilder von den Wänden, auf denen ihre Umrisse zurückblieben.

      Jetzt hallte schon jeder Schritt und jedes Worten zwischen den leeren Wänden.

      Dann kamen die Packer, nagelten die vollen Kisten zu und trugen sie hinunter, sämtliche Möbel hinterher, Kissen, Matratzen, Federbetten und Decken.

      Frau May bekam nasse Augen und legte die Arme um die Schultern ihrer beiden Töchter. „Hier sind wir nun so viele Jahre glücklich gewesen“, sagte sie wehmütig.

      Der Vater räusperte sich. „Komm, komm, Mariechen! Nur nicht sentimental werden. Das Glück hängt ja nicht von der Wohnung ab, sondern es gehört zu uns.“

      „Wirklich, Vati?“ rief Klaudia. „Dann werden wir es ganz einfach mitnehmen! Komm, pack an, Sylvie!“

      Und die beiden taten so, als ob sie einen schweren, unsichtbaren Gegenstand hochwuchteten. Sie stemmten ihn scheinbar aus der Wohnung und schleppten ihn die Treppe hinunter.

      Die Eltern lachten, und das hatten die beiden ja erreichen wollen. Sie begriffen, daß die Eltern traurig waren, und versuchten mit vereinten Kräften, sie aufzuheitern.

      „Moment mal!“ rief Klaudia unten auf der Straße den Möbelpackern zu. „Lassen Sie offen! Wir haben noch was!“ Und mit „hau ruck“ schoben sie die nicht vorhandene Last in den Möbelwagen.

      Die beiden Packer starrten sie ganz verdutzt an. Der eine kratzte sich die Nase, der andere tippte sich vielsagend an die Stirn.

      Aber das reizte Klaudia nur noch mehr zum Lachen.

      „Fahren Sie nur ja vorsichtig!“ rief Sylvie.

      Klaudia fügte hinzu: „Sie wissen ja … Glück und Glas, wie leicht bricht das!“

      Die Männer würdigten sie keines Blickes mehr. Der eine schlug die beiden hinteren Türen zu und verriegelte sie, der andere war schon nach vorne gegangen, kletterte auf den Fahrersitz und ließ den Motor an.

      Klaudia und Sylvie schüttelten sich vor Lachen. Aber so ganz echt war ihre Heiterkeit doch nicht.

      „Rasch!“ rief Dr. May. „Fahren wir los, bevor wir noch mehr Abschied nehmen müssen.“

      „Kann ich denn nicht mal mehr Gerda auf Wiedersehen sagen?“ rief Klaudia.

      „Du hast doch die letzten Wochen nichts anderes getan. Steigt ein, alle beide!“

      Frau May saß schon im Volkswagen. Der Vater schob die beiden Mädchen auf die Hintersitze, ehe er selber einstieg. Bevor Klaudia und Sylvie recht wußten, wie ihnen geschah, brausten sie schon davon.

      Eine Weile waren alle still und hingen ihren Gedanken nach.

      Klaudia war die erste, die die Sprache wiederfand. Sie tippte ihrer Mutter auf die Schulter: „Du, Mutti, wo hast du unsere Sachen zum Umziehen?“

      Frau May putzte sich die Nase. „Im kleinen braunen Koffer ist alles Notwendige.“

      „Und wo ist der?“

      „Beim Gepäck. Wir werden ihn in Rosenberg beim Auspacken schon finden.“

      „Wie stellst du dir das vor?“ rief Klaudia entsetzt. „Ich kann doch nicht so in Rosenberg ankommen … in Blue jeans und Strohschuhen und meinem ältesten Baumwollpulli!“

      „Spielt keine Rolle“, behauptete Dr. May, „wenn wir ankommen, ist es sowieso schon dunkel.“

      „Du bildest dir doch wohl nicht ein, sämtliche Jungen von Rosenberg stehen Spalier für dich?“ tuschelte Sylvie.

      Sie erntete dafür einen gewaltigen Rippenstoß von ihrer Schwester.

      Klaudia quengelte noch eine Weile herum, erreichte aber nichts damit und fühlte sich wieder einmal, wie so oft, völlig unverstanden.

      Später stellte sich dann heraus, daß der Vater recht behielt. Der Einzug der Familie May in Rosenberg vollzog sich gänzlich unbemerkt. Es war inzwischen nämlich nicht nur dunkel geworden, sondern es hatte sogar angefangen zu regnen. Die Straßen waren leer.

      Ein Glück, daß die Packer es vorzogen, Feierabend zu machen, und daß sie nicht darauf bestanden, die Möbel jetzt noch auszuräumen. Am nächsten Morgen regnete es zwar immer noch, aber wenigstens konnte man etwas sehen, und von großen Planen bedeckt wurden die Möbel umständlich ins Haus transportiert.

      Inzwischen hatte die Familie May eine etwas ungemütliche Nacht hinter sich gebracht. Sie hatten auf einem improvisierten Matratzenlager geschlafen. Ziemlich zerschlagen standen sie auf, und während die Mutter Brote bestrich, machten sich die beiden Mädchen und Dr. May zur Besichtigung ihres neuen Heims auf.

      Der Anblick, der sie erwartete, war ziemlich trostlos. Zwar gab es genügend Räume, und sie waren hell und gut geschnitten; aber in welchem Zustand waren sie! Offensichtlich hatte der alte Doktor, von dem sie Haus und Praxis übernahmen, seit Jahren nichts mehr richten lassen. Die Tapeten waren verschossen und an manchen Stellen sogar abgerissen, die Decken zeigten große dunkle Flecken, und auch die Fußböden mußten erneuert werden.

      Dr. May putzte sich die Brille und setzte sie wieder auf. Der Anblick blieb der gleiche. „Ja, wenn ich das gewußt hätte“, sagte er.

      „Aber du hast doch das Haus besichtigt!“ rief Sylvie. „Du und Mutter, ihr wart doch hier?“

      „Ja, schon. Aber da habe ich die Schäden nicht so gesehen. Da waren die Zimmer hübsch und gemütlich eingerichtet.“

      Klaudia klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. „Halb so schlimm, Vati, mach dir bloß keine Gedanken, das kriegen wir schon hin. Wir haben ja die ganzen Ferien vor uns. Oder mußt du schon gleich deine Praxis aufmachen?“

      „Das geht ja nun beim besten Willen nicht. Ich werde den alten Doktor bitten, daß er sich weiter um die Patienten kümmert, bis wir das Haus instand gesetzt haben.“

      Klaudia sah an ihren verschossenen Jeans hinunter und sagte seufzend: „Mir schwant, daß ich die nächste Zeit nicht aus diesen ollen Klamotten herauskommen werde.“

      Damit behielt sie recht.

      In den nächsten Wochen wurde in der Kastanienallee zwölf von früh bis spät geschrubbt, gekleistert, geklebt, gestrichen und gezimmert, und Klaudia fand beim besten Willen keine Gelegenheit, ihre Schönheit zu pflegen. Dafür wuchs ihr und der Schwester das neue Heim in dieser Zeit mehr und mehr ans Herz, und beide waren stolz und glücklich, als sie endlich ihre beiden eigenen Zimmer hoch unter dem Dach beziehen konnten.

      Aber wenn sie geglaubt hatten, jetzt sei es geschafft, dann war das ein Irrtum. Denn nun kam der Garten an die Reihe. Es mußte Unkraut gezupft, der Rasen gemäht, und allzu üppig aufgeschossene Büsche mußten beschnitten werden. Das Gartenhäuschen war zu streichen und zu lackieren. Dann wurden Johannisbeeren gepflückt – ganze Berge von Johannisbeeren – und eingekocht.

      So verging der Sommer, ehe die Mädchen es sich versahen, und in der ganzen Zeit hatten sie keinen Rosenberger Schüler zu Gesicht bekommen.

      Das lag aber auch daran, daß die Rosenberger in den heißen Monaten, wenn es irgend möglich war, ans Meer, in die Berge oder in die Waldgebiete flüchteten. Die meisten Rosenberger waren also verreist, und die Kinder, die zu Hause geblieben waren, hielten sich im Schwimmbad auf oder machten Ausflüge. Dazu aber fanden Klaudia und Sylvie keine Zeit.

      So kam es, daß sie dem ersten Schultag nach den großen Ferien mit Spannung entgegensahen.

      Sylvie erschien als erste am Frühstückstisch,