Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart. v.-Hinckeldey-Stiftung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: v.-Hinckeldey-Stiftung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410495
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der Westalliierten im Komitee für öffentliche Sicherheit gelang es nach langwierigen Verhandlungen, von dem sowjetischen Vertreter die Zustimmung dafür zu erwirken, den Leiter der Personalabteilung im Kommando der Schutzpolizei, Hans Seidel (SED), aus seinem Amt zu entfernen. Ausdrücklich wurde dabei festgelegt, daß Seidel nie mehr im Polizeidienst Verwendung finden durfte.

      Diese klare Viermächte-Vereinbarung sollte bereits nach einem Jahr von der sowjetischen Militäradministration gebrochen werden. Der Nachfolger Seidels, Kommissar Emerich, gehörte zwar ebenfalls der SED an, verfügte aber keinesfalls über so ausgezeichnete Verbindungen innerhalb der Partei und – was noch wichtiger war – zur sowjetischen Besatzungsmacht wie sein abgesetzter Vorgänger.

      Seidel verstand es jedoch, auch nach seiner Entlassung aus dem Polizeidienst über den Vizekommandeur Wagner auf personelle Maßnahmen der Schutzpolizei Einfluß zu nehmen.

      Als sich wenige Monate später im Kommando der Schutzpolizei, das zwischenzeitlich in der Schönhauser Allee 22, Prenzlauer Berg, neue Diensträume bezogen hatte, ein weiteres Explosionsunglück ereignete, kamen Emerich, ein weiterer Abteilungsleiter und zwei Feuerwerker, die mit geborgener Munition unsachgemäß umgegangen waren, ums Leben.

      Gründung der Wachpolizei

      Auf der 74. Sitzung der Alliierten Kommandantur am 23. September 1947 beschlossen die Stadtkommandanten, gemeinsam einen Hilfspolizeiwachdienst aufzubauen. In einem Befehl der Alliierten Kommandantur vom 30. September 1947 wurden Stärke und Aufgaben dieser Wachpolizei festgelegt und außerdem 3500 Planstellen eingerichtet.

      Die Aufgaben der Wachpolizei bestanden im stationären Objektschutz. Sie wurde gegründet, um die Schutzpolizisten, die bislang an diesen überwiegend alliierten Objekten eingesetzt worden waren, zu entlasten.

      Die Schutzpolizisten sollten verstärkt in der Straßenaufsicht Dienst tun beziehungsweise verstärkt Streife gehen.

      Im Gegensatz zur Schutzpolizei, die im Sommer eine neue taubenblaue Uniform erhalten hatte, wurden die Wachpolizisten mit den schwarz eingefärbten alten Polizeiuniformen ausgestattet. Die Vergütung erfolgte allerdings einheitlich. Dem Kommando der Schutzpolizei wurde der Aufbau der Wachpolizei übertragen, während die Polizeisektorassistenten der einzelnen Sektoren für alle Fragen zuständig waren, die mit dem Einsatz zusammenhingen.

      Tausende verschwinden unter den Augen der Polizei

      Nachdem der Berliner Journalist Dieter Friede von einem Termin im Ostsekor, zu dem er am 2. November 1947 telefonisch bestellt worden war, nicht zurückgekehrt war, kam es am 13. November 1947 zu einer ausführlichen Debatte in der Stadtverordnetenversammlung. Die SPD-Fraktion gab dabei bekannt, daß in Berlin bis zu diesem Zeitpunkt 5413 Personen verschwunden seien, unter denen sich 126 politisch Organisierte, 1255 Jugendliche beziehungsweise Heranwachsende und 2829 ehemalige NSDAP-Mitglieder befänden. Mit den Stimmen der SPD, CDU und LDP (Liberal-Demokratische Partei) sowie gegen die Stimmen der SED und des LDP-Vorsitzenden Dr. Wilhelm Külz wurde folgender Antrag der SPD angenommen: »Der Polizeipräsident hat nicht das Vertrauen des Hauses. Die Versammlung spricht ihm das Mißtrauen aus.«

      Aufgrund eines einstimmig gebilligten Antrages der Abgeordneten Ella Barowsky (LDP) erhielt der Magistrat den Auftrag, eine disziplinarische Untersuchung einzuleiten. Dagegen legte die sowjetische Besatzungsmacht Protest ein; und die sich abzeichnende Teilung führte dazu, daß die Untersuchung unterblieb.

      Der kommunistisch gelenkte Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) veranstaltete am 18. November 1947 im Friedrichstadt Palast (Sowjetsektor) eine Protestversammlung, an der nach einem Bericht der sowjetisch lizensierten »Täglichen Rundschau« rund 3000 Polizeiangehörige teilnahmen. Mehrere FDGB-Funktionäre, SED-gebundene Betriebsratsmitglieder, der Sektorassistent des sowjetischen Sektors, Willi Schubert (SED), und der Vizekommandeur Rudolf Wagner (SED) befaßten sich mit den Ausführungen der Stadtverordneten und den Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung. Am Schluß der Veranstaltung protestierten die Teilnehmer gegen die Unterstellung, daß die Polizei im Interesse einer Partei arbeite. Sie nahmen einstimmig eine Entschließung an, die dem Polizeipräsidenten das Vertrauen aussprach und den Protest der Volkspolizei gegen reaktionäre Hetze zum Ausdruck brachte.

      Hierzu nahm der Kommandeur der Schutzpolizei, Hans Kanig, in einer Dienstbesprechung Stellung:

      In einer Demokratie geht die Macht vom Volke aus. Die Polizei als Schützerin des Volkes und seiner demokratischen Institutionen hat nicht das Recht, gegen die gefaßten Beschlüsse der höchsten demokratischen Instanz, der Volksvertretung, auf diese Weise Stellung zu nehmen, wenn nicht der Sinn einer Polizei in einer Demokratie überhaupt verloren gehen soll. Durch derartige Resolutionen der Polizeiangehörigen wird das Vertrauen der Bevölkerung zu ihrer Polizei, statt gefestigt, nur erschüttert und zudem noch der Anschein erweckt, als wäre die Polizei einseitig ausgerichtet. Die Polizei soll Schützerin der Demokratie sein. Es kann und darf daher nicht Aufgabe der Polizei sein, sich durch Annahme von Resolutionen in die Politik des Stadtparlaments einzumischen.

      Den Kommunisten paßten diese klaren Ausführungen des Kommandeurs Hans Kanig natürlich nicht, und so richteten sich ihre Angriffe in verstärktem Maße gegen ihn.

      Wenn auch rund 84 Prozent der im Dienst stehenden Schutzpolizeiangehörigen erst nach dem Zusammenbruch bei der Polizei eingetreten waren und nur circa 1500 bereits vor dem 8. Mai 1945 der Polizei angehört hatten, stellten der UdSSR nahestehende Kreise gern heraus, daß im sowjetischen Sektor Berlins nur sieben Prozent der Schutzpolizisten schon während der Zeit von 1933 bis 1945 in der Polizei Verwendung fanden, während es im amerikanischen Sektor 17 Prozent, im britischen Sektor 25 Prozent und im französischen Sektor neun Prozent seien.

      Persönliche Erinnerungen an die ersten Jahre

      Über die Anfänge der Kriminalpolizei

       von Hans Kaleth und

       Georg Schießer, aufgezeichnet von

       Eberhard Bergmann

      Der Aufbau der Berliner Kriminalpolizei nach dem Zweiten Weltkrieg verlief so ungewöhnlich wie die Einstellung des damals 25jährigen Berliners Georg Schießer, der es später bis zum Ersten Hauptkommissar brachte, Leiter der Inspektion Brand und Katastrophe und danach lange Jahre Inspektionsleiter des Sittendezernats war.

      Am 27. Mai 1945, einem Sonntag, trat Georg Schießer seinen Dienst in der Dircksenstraße am Alexanderplatz an. In der noch halbwegs erhaltenen Eingangshalle des alten Hausvogteigefängnisses, das während des Krieges bereits als Kripozentrale gedient hatte, versammelte sich eine Reihe von Männern, die schon am nächsten Tag die Kriminalität im zerstörten Berlin bekämpfen sollten. Bereits wenige Wochen nach Kriegsende waren vielfältige Delikte zu beklagen: vom eher harmlosen Schwarzmarktgeschäft bis hin zu Einbrüchen, Raubüberfällen und Morden. Die Versammelten wurden namentlich aufgerufen und einzelnen Fachdezernaten zugeteilt – Fahndung (F), Mord (M), Betrugsdezernat (B) und Einbruchsdezernat (E) –, die alle einen bestimmten Raum zugewiesen bekamen.

      Im erhaltenen Polizeigefängnis des riesigen Präsidiumskomplexes residierte die Dienststelle »Kriminalkommissar vom Dienst« (KKVD) und der Vernehmungsrichter. Dieser hatte sogar eine Art Schnellgericht in seinen Amtsräumen eingerichtet-als Außenstelle des Kriminalgerichts Moabit. Der forsche Herr entpuppte sich später als Berufsverbrecher und mußte natürlich den Dienst quittieren.

      Sehr bald stellte sich heraus, weshalb man die neu aufgestellte Truppe an einem Sonntag einbestellt hatte. Die frischgebackenen Kripoleute mußten nämlich erst einmal Hand anlegen und in den Büros Ordnung schaffen, zum Beispiel Schränke aufstellen, Unrat beseitigen und Stühle zusammensuchen.

      Zur Kriminalpolizei war Georg Schießer durch einen Zufall gekommen. Er hatte seine Braut zu einer Polizeidienststelle begleitet, auf der sie früher gearbeitet hatte. Sie wollte dort nach Kollegen sehen und mitteilen, daß sie noch am Leben sei. Während Georg Schießer auf dem Flur wartete, fiel ihm auf, daß mehrere Männer in zwei verschiedenen Schlangen anstanden. Er erkundigte sich und erfuhr, daß es sich um Bewerber für die neu zu schaffende