a) Vorklassische Zeit.
Der Ackerbau der Hellenen, soweit er sich nicht zu Spezialkulturen entwickelt hatte, war Anbau von Spelz, Gerste, Weizen in Feldgraswirtschaft (daher die geradzahligen Pachtperioden) von verschiedener Intensität. Dreifelderwirtschaft scheint gelegentlich vorzukommen. Fruchtwechsel fehlt. Nur die Einsaat von Hülsenfrüchten in die Brache kommt vor. Die Düngung ist Homer bekannt (Gründüngung gehört erst der Spätzeit an), im übrigen aber ist die Technik des Ackerbaues in ziemlich primitivem Stadium stabilisiert worden und dann nicht fortentwickelt. Ein (lange Zeit ganz hölzerner) Hakenpflug, Ochsen als Spannvieh, Einstreuen der Saat in die Furche, Behacken und Jäten des Getreidefeldes, die Sichel und allenfalls die Dreschtafel als Ernteinstrumente, bedingten eine starke Arbeitsintensität und machten es, da jungfräulicher Boden nicht mehr zur Verfügung stand, dem Getreidebau, selbst bei den hohen Getreidepreisen der späteren Zeit, schwer, das Schwergewicht von der naturalwirtschaftlichen auf die Marktproduktion zu verschieben. Die Viehhaltung beginnt, wie es scheint, erst in der Zeit der bauernfreundlichen (s.u.) Tyrannis durch die Feldbestellung in stärkerem Maße eingeschränkt zu werden. Wir finden im Zeitalter der Epen eine Ernährung, bei der Käse, Milch und – wohlgemerkt: beim Adel – Fleisch stark im Vordergrund stehen; Wolle und Felle als volkstümliches Bekleidungsmaterial; als Hauptbestandteil königlicher und adeliger Reichtümer – neben dem Edelmetall und den daraus und aus Bronze gefertigten Gerätschaften, – den Herdenbesitz: Ziegen, Schafe, Schweine, Rinder [zu Arbeitszwecken, da Milch und Käse wesentlich von Schafen und Ziegen geliefert wird], während das Pferd nur zu militärischen, daneben zu Personentransport- und Sportzwecken in großen Ebenen – Euböa und Thessalien – massenhaft gehalten wird; Hirten als die vornehmsten Diener des Königs. Erheblich ist vielfach, schon in früher Zeit, die Bedeutung der Bewässerung auch hier. Aber: sie erfordert keine Bureaukratie, und überhaupt sind natürlich die ewigen Stänkereien, die z.B. zwischen Tegea und Mantinea wegen gegenseitiger Verstopfung der Kataopthren hin- und hergehen, mit den Katastrophen, welche Störungen am Nil und Euphrat hervorbrachten, in keiner Weise vergleichbar.
Als die Normalform der Hausgemeinschaft besteht in historischer Zeit überall die patriarchale Kleinfamilie mit einer der semitischen wesentlich gleichartigen Behandlung der Frau und Kinder (Frauenkauf, Ausstattung, Verstoßungsrecht des Mannes, ursprünglich freie, später durch die Rechte der Legitimität und den in den »Geschlechtern« – s.u. – lebendig gewordenen Gedanken des Blutbandes eingeschränkte Verfügung des Vaters über die Kinder durch Aussetzung, Tötung und Verwendung zu Erwerbszwecken durch Verkauf und Vermietung; in der Entstehungszeit des Rechts von Gortyn erscheint alles schon wesentlich modernisiert). Adel und Könige – beides ist ursprünglich fast identisch (s.u.) – leben dagegen, wie überall in großen Hausgemeinschaften auf der Grundlage des agnatischen Geschlechtes (γένος) im Interesse erblicher Zusammenhaltung des Besitzes. Die homerischen Epen kennen demgemäß Erbteilung neben Erbengemeinschaft (den ὁμοσίπυοι des Charondas, den ὁμογάλακτες der attischen Rechtssprache: – die Schilderung des Hauses des Priamos ist ja bekannt). Die rechtliche Struktur der großen patrizischen Hausgemeinschaften bildet in den Städten später in geschichtlicher Entwicklung sich ähnlich um, wie z.B. diejenige der großen Hausgemeinschaften in den italienischen Städten des Mittelalters: der ursprünglich volle Familienkommunismus macht mit Eindringen der Geldwirtschaft einer Auffassung des Verhältnisses als Erwerbsassoziation Platz; gesonderte Berechnung der Mitgiften und Adventizgüter aus dem Sondererwerb des Einzelnen, Eigentum der Frauen an den Illa ten – wie im Orient (und im Gegensatz zu Rom) – setzt sich allmählich durch (so z.B. im Recht von Gortyn). Wie im italienisch-sizilianischen Recht des Mittelalters wird hie und da fraglich, ob nicht der Sohn schon bei Lebzeiten des Vaters seinen Anteil fordern könne (das Recht von Gortyn schließt nur den Zwang gegen den Vater zur Abschichtung ausdrücklich aus). Das Vermögen erscheint eben zunehmend als Produkt der Erwerbstätigkeit der Familienglieder, und damit zersetzt sich die Grundlage des alten Hauspatriarchalismus.
Garanten der Sicherheit des Einzelnen durch Blutrachepflicht und deshalb auch Subsidiär-Erben bei Aussterben der Hausgemeinschaft sind im späteren Recht die »ἀγχίστεις«, ein verschieden umgrenzter Kreis näherer Verwandten (meist bis zu den Geschwisterkindern), der sich wohl schon bei Homer findet. Dies dürfte alten Zuständen entstammen und entspricht durchaus den Analogien aus der Praxis des Blutrechts anderer Völker (die ihrerseits mit deren »Theorie« durchaus nicht immer stimmt). Der Mangel einer zahlreichen und ökonomisch kräftigen »Sippe« dieser Art bedingt die Notwendigkeit für alle Grundbesitzlosen, sich in die Klientel eines Adligen zu begeben. Anteil am Boden und an der Gemeinfreiheit sind zunächst identisch; erst Knappheit des Bodens und Be sitzdifferenzierung schafft die adlige Klientel. – Daß die »Phratrien« – später lokale Unterabteilungen der Phylen mit administrativen und Kultfunktionen –, ursprünglich ebenfalls rechtsgarantierende (Blutrache-) Funktion besaßen, scheint (nach den Residuen in historischer Zeit) sicher. Ob sie aber wirklich die »älteste« – d.h. eine in der rein bäuerlichen Periode des Hellenentums allgemein herrschende – soziale Gemeinschaft darstellen, muß, so scheinbare Gründe auch dafür vorgebracht werden, doch nach wie vor unsicher erscheinen. Die Analogien von in historischer Zeit nicht städtisch organisierten Gebieten dürfen nur vorsichtig verwendet werden. (Man erinnere sich, welche radikalen Gegensätze schon innerhalb des für uns »ältesten« Germanentums zwischen den Völkern auf dem Kriegspfade – Ariovists Sueven z.B. – und anderen bestanden.) Immerhin sind die »Phratrien« zweifellos sehr alt. Nur darf man nicht etwa annehmen, ihre in historischer Zeit erwähnten gelegentlichen gemeinsamen Gelage seien »Reste« ursprünglich voller Wirtschaftsgemeinschaft einer Nomadenhorde. Im Gegenteil könnten gerade sie (wie bei den germanischen »Schutzgilden«) eher ein Symptom für die künstliche Bildung des Verbandes sein; die Gemeinsamkeit der Nahrung (»Hausgemeinschaft«, im ökonomischen Sinn), nicht das »Blut«, ist die älteste Quelle gegenseitiger Pflichten (deutlich z.B. auch bei den Arabern erkennbar); sie mußte daher gerade von (ursprünglich) gewillkürten Verbänden wenigstens symbolisch geübt werden. Sie gehören einer Entwicklungsstufe an, wo sich die Grundbesitzer als Kriegergemeinschaft organisiert haben, ihr Boden als »mit dem Speer erworben« gilt; dem entspricht auch ihre spätere Funktion: über die »Wehrhaftmachung« (germanisch geredet) der Kinder und damit ihre Erbfähigkeit zu wachen. Ueber die Wandlungen, welche ihre Gliederung durchgemacht hat, insbesondere bezüglich ihres Verhältnisses zu den adligen Sippen und, was weit wichtiger wäre, zur alten »κώμη«, lehren weder das attische Gesetz, welches ihnen Aufnahme der adligen und der nichtadligen Verbände auferlegte, noch die Demotionidenakten (4. Jahrh.) noch endlich die von Kastriotis edierte und von Körte interpretierte Phratrienliste (4. Jahrh.) etwas Genügendes, da damals die Phratrien längst künstlich von oben her reglementierte Verbände waren. (Entscheidend wäre Feststellung der älteren Beziehungen zu κώμη und δῆμος). Auch die Phratrien dürften Differenzierungsprodukt sein aus einer Zeit starker politischer Verschiebungen, wo der zur Verfügung stehende Boden steten militärischen Schutzes bedurfte, so daß physische und ökonomische Wehrhaftigkeit von allein ausschlaggebender Bedeutung wurden: vielleicht entstammen sie speziell der Praxis gemeinfreier Bauern auf erobertem oder bedrohtem Landgebiet, der Zeit der sog. »dorischen Wanderung«.
Allen Poleis gemeinsam ist die Phyleneinteilung – später eine rein administrativ-militärische Gliederung des Staates, wobei die Phylen oft als Phratrienverbände erscheinen. Sie gehört einer noch jüngeren, eben der Polisstufe an, und ist normalerweise Begleiterscheinung des »Synoikismos«. Sie dient ursprünglich wesentlich dem administrativ-militärischen Zweck: eine Schichtenablösung und Umlegung der Lasten des, nunmehr als »Staat« zusammengeschlossenen, Kriegerstandes zu ermöglichen, ist also durchaus sekundär. Szanto's Formulierung, daß die drei dorischen Phylen auf dem örtlichen Zusammenhang der Grundstücke beruhten, könnte einen agrarpolitischen (Bodenteilungs-)Zweck verstehen lassen, der sich nicht nachweisen läßt. Es kommt