Gesammelte Beiträge von Max Weber. Max Weber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Max Weber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027210534
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Wenn wir also im altbabylonischen Recht, wo das Kommissionsgeschäft im Karawanenhandel als Vieh- und Sklaven-Einkaufskommission schon vollständig entwickelt ist, Kaufaufträge »zum Preise, der sein wird«, finden, so ist dies schwerlich ein Konkurrenz-Marktpreis, wahrscheinlich vielmehr der Verkaufspreis der königlichen oder Tempelmagazine. –

      Von den bald gegen 200000 Keilschrifttexten ist der übersetzte Bruchteil so gering, die Uebersetzungen so sehr verstreut und manche gerade bei wichtigen Urkunden so bestritten, daß wenigstens ich nicht wagen kann, den Versuch einer eigentlichen Entwicklungsgeschichte auf das mir zugänglich gewesene Material aufzubauen. –

      2. Aegypten.

       Inhaltsverzeichnis

      a) Altes Reich.

      Wenn Babylonien von Anfang an, mehrere Jahrtausende vor dem Auftauchen »chartalen« Geldes, als Trägerin »kapitalistischer« Wirtschaftsformen, strengen Schuldrechts mit den härtesten Formen der Personalexekution und – später – ausgebildeter Geldwirtschaft erscheint, so gilt dagegen Aegypten mindestens für die ältere Zeit als ein spezifisch naturalwirtschaftliches Wirtschaftsgebiet. Es ist nicht leicht zu sagen, in welchem Sinne dies für die inneren Wirtschaftsverhältnisse – denn Außenhandel hat der Pharao wahrscheinlich getrieben, soweit und weit früher als geschichtliche Kunde überhaupt zurückreicht: seine Stellung beruht ökonomisch unter anderem auch darauf – zutrifft. »Geld« fehlt offenbar der ältesten Zeit. Dagegen besteht schon im 4. Jahrtausend Verkehr, auch Bodenverkehr, und es scheint fast sicher, daß vererbliches und, unter Umständen, auch veräußerliches Bodeneigentum schon (oder vielmehr: gerade) vor der Einigung des Reichs existierte und daß die alles überwuchernde Bedeutung des »Oikos« des Pharao und der Tempel erst Entwicklungsprodukt ist. Die urkundlichen Zeugnisse sprechen naturgemäß in den Zeiten des alten und mittleren, und erst recht des neuen Reichs vorwiegend von den Verhältnissen der königlichen und der Tempelwirtschaft. Daß man sich von dem Umfang des Tempelbesitzes danach vielfach übertriebene Vorstellungen gemacht hat, scheint jetzt zweifellos. Ob aber die Abwesenheit alles privaten, d.h. nicht entweder Lehn oder Kolonenland bildenden, Grundeigentums in den Zeiten der ältesten historischen Dynastien, an die man sich zu glauben gewöhnt hatte, je eine Realität war, ist jetzt mehr als zweifelhaft geworden. Leider sind viele Quellen in der Deutung recht umstritten. Die Lesungen der Urkunden, speziell der demotischen, ist vielfach noch höchst unsicher. Speziell dem verdienten E. Revillout, auf dessen wichtige, aber unerträglich schwatzhafte Darstellungen man immerhin oft angewiesen ist, sind schwerste Irrtümer (Verwechslung von Eheschließungs- mit Verstoßungsurkunden u. dgl.) nachgewiesen.

      Die Monumente beginnen jetzt Aufschluß zu geben über eine Epoche (die sog. »thinitische«), welche der Verlegung der Residenz nach Memphis voranging und den Staat (um etwa 4000) noch in der Entwicklung von Burgen- und Fronkönigtum zu jenem ungeheuren königlichen »Oilos« zeigt, der in der älteren Zeit des »Neuen Reichs« seine Höhe erreichte.

      Die sozialen Institutionen empfingen im sog. »alten Reich« ihr spezifisches Gepräge durch drei Momente: 1. das Fehlen ernstlicher kriegerischer Bedrohung und Expansionsmöglichkeit; 2. die durch die Eigenart der Existenzbedingungen gegebene Notwendigkeit eines früh ziemlich ausgebildeten bureaukratischen Verwaltungsapparats und sehr umfassender Heranziehung der Bevölkerung zu Frondiensten im Interesse der Wasserbauten. Der einzelne ist in erster Linie Staatsfröner, und wenn die Pharaonen sich rühmen, daß sie Ordnung geschaffen und »jede Stadt ihr Gebiet kennen gelehrt« haben, so bezieht sich dies, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, auf die Bewässerungsverhältnisse und die daraus folgenden Ansprüche und Fronden; 3. das offenbar hiermit zusammenhängende Fehlen der Familiennamen oder anderer die »Geschlechter« als solche zusammenhaltender (Familien–individualistischer) Institutionen, wie es durch die gemeinwirtschaftliche Einschnürung und die Uebermacht der höfischen Rangverhältnisse gegeben ist. Die Familien der »Großen« sind zwar grundherrliche Familien, zugleich aber und vor allem sind sie Dienstadel, und dieser Dienstadel rekrutierte sich mit zunehmender Machtstellung der Pharaonen auch zunehmend durch Avancement von unten her. – Die (relative) Dezentralisation des Verwaltungsapparates im alten Reich entspricht der geringfügigen Entwicklung eigentlich militärischer Institutionen: es bestehen neben der Garde des Pharao und Polizeitruppen der Tempel normalerweise nur Gaumilizen, die der Gauvorstand zum eventuellen Aufgebot gegen die damals ohnmächtigen Beduinenschwärme verwendet.

      Be- und Entwässerungsanlagen, Kanäle, Wasserhebevorrichtungen sind die grundlegenden Institutionen eines Wirtschaftsbetriebes, der vollständig an die Bewegungen und Regulierungen des Nilwasserstandes festgeklammert ist und deshalb von Anfang an – d.h. seit dem Beginn der Wasserregulierung – in starkem Maße gemeinwirtschaftlich beeinflußt gewesen sein muß. Die uralte Gaueinteilung des Landes hat sicherlich mit ökonomischen Institutionen im Interesse der Bewässerung und Produktion ebenso zusammengehangen, wie die in der späteren Zeit erwähnten öffentlichen Kornhäuser in den Gauhauptstädten sicher, ebenso wie die assyrischen Institute gleicher Art, sowohl fiskalische wie teuerungspolitische Zwecke verfolgten. Der Nomarch hatte daher, neben der Fürsorge für die Bewässerungsanlagen, vor allem die Umlegung der Fronden, dann die Sorge für den Ertrag des königlichen Grundbesitzes in der Hand. Daß dieser Königsbesitz von jeher sehr ausgedehnt war, ist nicht fraglich. Später mag ein Bodenregal des Königs theoretisch bestanden haben, aus unten zu erwähnenden Gründen. Von da bis zu dem Gedanken einer staatssozialistischen Gestaltung der gesamten Produktion als Grundform altägyptischer Wirtschaft ist aber noch ein weiter Weg. – Wir wissen natürlich von den ältesten Sozialverhältnissen fast nichts. Sehr primitive Ackerinstrumente – Hakenpflug von Ochsen gezogen, Hacken und Hämmer statt der Eggen, Schafe und Schweine zum Eintreten der Saat, die Sichel zum Schneiden, Esel oder Rindvieh zum Austreten – dienten zum Anbau von Gerste, Weizen, Hirse. Daneben wurden Wein, Gemüse und Dattelpalmen, erst in ganz später Zeit und selten auch Oelbäume gezogen und aus den Nilsümpfen Lotos-(Nelumbium-) Kerne zum Essen und Papyrus für die verschiedensten technischen Zwecke, vom Schiffsbau bis zum Schreibmaterial, gewonnen. Die Einfachheit der Pharaonenkost (wesentlich: Gemüse) erwähnt Diodor; die Masse der Bevölkerung lebte von Brot und Sesamöl. (Wenn behauptet wird, die Aegypter hätten mit Rizinusöl gebacken, so mutet das ihren Eingeweiden doch zu viel zu!) Das Pferd ist vor dem neuen Reich nicht nachweislich und offenbar von Syrien aus importiert, das Kamel erst in hellenistischer Zeit sicher nachweisbar (vorher in einer Kamee), der Esel wurde als Transporttier gehalten, Rinder, Schafe, Ziegen und verschiedene Antilopen, von Geflügel besonders Gänse gezüchtet und mit Brotteig gemästet. Die später dichter besiedelten Deltamarschen dienten in der Frühzeit den Herden des Binnenlandes in periodischem Auftrieb im großen als Fettweide. Marsch- und Sumpfländer kleinen Umfangs müssen von jeher auch nilaufwärts zu den einzelnen Gauen gehört haben, da die Viehhaltung nicht unbeträchtlich war. (In der Lagidenzeit ließ der König überall Landparzellen für die Beweidung von der Bestellung ausschließen.) Das Schwein war offenbar von jeher bekannt, bildlich erscheint es in Herden erst im neuen Reich. Nutzholz ist äußerst spärlich, spielt aber auch weder beim Nilschlammziegelbau, noch, ursprünglich, beim Schiffsbau eine entscheidende Rolle. – Die Ackerbestellung erforderte von jeher relativ kurze Zeit. Düngung war entbehrlich, Brache unnötig, Fruchtwechsel beliebig. Demgemäß war die Arbeitsintensität des Landbaues in der Pharaonenzeit nur mäßig stark: auf je 6 Aruren (12/3 ha) Ackerland rechnete man, scheint es, in einer Urkunde aus der Zeit der 18. Dynastie eine Sklavenfamilie (in einer Urkunde aus der Scheschonkidenzeit allerdings auf 0,7 Aruren: bei Gartenland kamen für Fronden nach Revillouts Rechnung 5 Männer auf 4 Aruren). Dagegen rechnen die Kahun Papyri (12. Dyn.) 10 Aruren (2,75 ha) auf den Mann. Die große arbeitsfreie Zeit, welche – gleichviel was man von diesen und den späteren, naturgemäß ziemlich stark differierenden Angaben hält – jedenfalls in der ägyptischen Landwirtschaft bestand, gab die Möglichkeit, einerseits für die Leistung der kolossalen Baufronden dem Pharao zur Verfügung zu stehen, andererseits auch zu einer sehr umfassenden gewerblichen Nebenbeschäftigung, sei es für den Markt,