»Die Delawaren sind Weiber!« rief er, an den Wilden sich wendend, der ein wenig von der Sprache verstand, welche er redete; »die Yengeese, meine Landsleute, waren thöricht genug, ihnen zu sagen, sie sollten den Tomahawk gegen ihre Väter in Canada ergreifen, ohne ihres Geschlechtes zu gedenken! Wünscht mein Bruder zu hören, wie le Cerf agile um den Weiberrock bittet? – will er ihn am Pfahle vor den Huronen weinen sehen?«
Ein entschieden beifälliges »Hugh,« in scharfem Tone gesprochen, bewies, mit welcher Freude der Wilde Zeuge einer solchen Darlegung von Schwäche an einem lange gehaßten und so sehr gefürchteten Feinde seyn würde. »So laßt ihn bei Seite treten und der weise Mann wird den Hund anblasen! Sag’ es meinen Brüdern!«
Der Hurone erklärte seinen Kameraden Davids Absicht, und diese vernahmen sie mit einem Vergnügen, wie man es bei so zuchtlosen Gemüthern über die Aussicht auf eine raffinirte Grausamkeit erwarten durfte. Sie zogen sich ein wenig vom Eingang zurück und winkten dem vermeintlichen Beschwörer einzutreten. Der Bär aber, anstatt zu gehorchen, blieb in seiner sitzenden Stellung und brummte fort.
»Der kundige Mann fürchtet, sein Athem möchte seine Brüder treffen und auch ihnen den Muth nehmen,« fuhr David fort, den ihm gewordenen Wink benutzend, »sie müssen weiter davon stehen.«
Die Huronen, welche ein solches Mißgeschick für den schwersten Schlag hielten, der sie treffen könnte, zogen sich insgesammt zurück, in eine Stellung, wo sie zwar außerhalb Hörweite waren, aber doch den Eingang mit ihren Augen beherrschten. Jetzt verließ der Bär, als wäre er über ihre Sicherheit beruhigt, seinen Platz und schritt langsam hinein. Der Ort war stille und düster, da der Gefangene ganz allein war, und nur die erlöschende Glut eines Feuers, das zum Kochen benutzt worden war, erleuchtete ihn.
Uncas nahm einen entfernten Winkel ein, an die Wand gelehnt, und an Händen und Füßen mit starken, schmerzhaften Banden festgeschnürt. Als der furchtbare Gegenstand dem jungen Mohikaner zuerst unter die Augen trat, warf er nicht einen Blick auf das Thier. Der Kundschafter, welcher David an der Thüre zurückgelassen hatte, um sicher zu bleiben, daß man sie nicht beobachte, hielt es für rathsam, seine Verkleidung beizubehalten, bis er hierüber Gewißheit hatte. Statt zu sprechen, bemühte er sich die Fratzen des Thiers, das er vorstellte, nachzuahmen. Der junge Mohikaner, welcher anfänglich glaubte, seine Feinde hätten, um ihn zu quälen und seine Nerven auf die Probe zu stellen, einen wirklichen Bären hereingetrieben, entdeckte bald in diesen Bewegungen, die Heyward so naturgetreu schienen, gewisse Mängel, die ihm mit einem Mal den Betrug verriethen. Hätte Hawk-eye geahnt, wie niedrig der erfahrnere Uncas seine Kunstleistungen anschlage, so hätte er wahrscheinlich ihm zum Verdruß diese Unterhaltung noch etwas verlängert. Der verächtliche Ausdruck des jungen Mannes erlaubte aber so viele Deutungen, daß dem würdigen Kundschafter das Kränkende einer solchen Entdeckung erspart blieb. Sobald daher David das verabredete Zeichen gab, ließ sich statt des wilden Bärengebrumms ein leiser Zischlaut in der Hütte vernehmen.
Uncas hatte sich gegen die Wand der Hütte herumgeworfen und hielt seine Augen geschlossen, als wollte er den Anblick eines so verächtlichen und widerlichen Gegenstandes meiden; sobald sich aber das Geräusch einer Schlange hören ließ, richtete er sich auf, bückte sein Haupt tief, wandte sich nach allen Seiten und blickte forschend umher, bis sein kühnes Auge auf dem zottigen Unthier ruhen blieb, unverwandt, als wäre es durch Zauberkraft gefesselt. Dieselben Töne wiederholten sich und kamen offenbar aus dem Rachen des Thieres. Noch einmal durchstreiften die Augen des Jünglings das Innere der Hütte, blieben aber auf derselben Stelle haften, und er sprach mit tiefer, gedämpfter Stimme: »Hawk-eye!«
»Schneide seine Bande entzwei!« gebot Hawk-eye dem eben herantretenden David.
Der Sänger that, wie er angewiesen wurde, und Uncas fand seine Glieder wieder in Freiheit. In demselben Augenblick raschelte die dürre Bärenhaut, und der Kundschafter, in eigener Person, sprang auf seine Füße. Der Mohikaner begriff die Absicht des Freundes und seine Plane ohne Worte: weder ein Laut noch ein Ausdruck seiner Züge verrieth Ueberraschung. Als Hawk-eye sein zottiges Gewand abgeworfen hatte, wozu es nur der Lösung einiger Riemen bedurfte, zog er ein langes, blitzendes Messer hervor und gab es Uncas in die Hand.
»Die rothen Huronen sind draußen,« sprach er, »laßt uns bereit seyn.«
Zu gleicher Zeit legte er seinen Finger bezeichnend auf eine andere ähnliche Waffe, die Frucht seiner Tapferkeit unter den Feinden an dem verflossenen Abend,
»Wir wollen gehen,« sprach Uncas.
»Wohin?«
»Zu den Schildkröten, sie sind die Kinder meiner Großväter.«
»Ja, Junge,« sprach der Kundschafter englisch – eine Sprache, deren er sich gerne bediente, wenn er etwas zerstreut war, »dasselbe Blut rinnt in Euren Adern, ich glaub’ es gern, aber Zeit und Entfernung haben seine Farbe etwas verändert. Was fangen wir mit den Mingo’s vor der Thüre an? Sie sind ihrer sechs, und der Sänger ist so gut als niemand,«
»Die Huronen sind Prahler,« sagte Uncas verächtlich! »ihr Totem ist das Mußthier, sie laufen wie Schnecken. Die Delawaren sind Kinder der Schildkröte und Überholen den Hirsch.«
»Ja, Junge, in Deinen Worten ist Wahrheit, und ich zweifle nicht, daß Du in einem Lauf die ganze Nation hinter Dir ließest, so wie Du auf einer Strecke von zwei Meilen zum Ziele, und wieder zu Athem gekommen wärst, ehe einer dieser Schelme in die Hörweite des andern Dorfes gelangte. Aber die Gaben des weißen Mannes liegen mehr in seinen Armen, als in den Beinen, So gut als einer, will ich jedem Huronen das Hirn einschlagen; wenn’s aber einen Wettlauf gilt, kann ich mich nicht messen mit den Schelmen.«
Uncas, der sich bereits dem Eingang genähert hatte, im Begriff vorauszugehen, fuhr wieder zurück und stellte sich noch einmal in die Tiefe der Hütte. Hawk-eye aber, mit seinen eigenen Gedanken zu sehr beschäftigt, um auf diese Bewegung zu achten, fuhr fort, mehr mit sich selbst, als zu seinem Begleiter sprechend:
»Bei alle dem ist es unvernünftig, einen Mann von den Gaben des andern abhängig zu machen. So wirst du besser thun, Uncas, wenn du den Lauf beginnst, indeß ich die Haut wieder anlege, und mich in Ermangelung der Schnelle auf die List verlasse!«
Der junge Mohikaner antwortete nicht, sondern schlug ruhig die Arme über einander und lehnte sich gegen einen der Pfosten, welche das Gebäude trugen.
»Nun,« sprach der Kundschafter, ihn anblickend, »warum zögerst Du? Ich habe Zeit genug vor mir, da die Schelme doch zuerst ihre Jagd auf dich beginnen werden.«
»Uncas bleibt,« war seine ruhige Antwort.
»Wozu?«
»Um mit meines Vaters Bruder zu kämpfen und zu sterben mit dem Freunde der Delaware».«
»Ja, Junge,« erwiederte Hawk-eye, Uncas’ Hand zwischen seinen Eisenfingern drückend, »‘s hätte mehr einem Mingo, als einem Mohikaner gleich gesehen, wenn du mich verlassen hättest. Aber ich dachte, ich wollte dir’s anbieten, da ich weiß, daß die Jugend gemeiniglich am Leben hängt. Nun, was sich im Krieg nicht durch offnen Muth ausrichten läßt, muß durch Umschweife geschehen. Leg’ die Bärenhaut an, ich zweifle nicht, daß du vielleicht so gut als ich den Bären spielen kannst.«
Was auch immer Uncas’ geheime Meinung von ihrer beiderseitigen Geschicklichkeit in diesem Punkte seyn mochte, so verrieth doch seine ernste Miene keinen Anspruch auf Überlegenheit. Schweigend, aber rasch steckte er sich mit vielem Geschick in die Bärenhülle, weiterer Schritte gewärtig, die sein älterer Begleiter angeben würde. »Nun Freund,« sprach Hawk-eye, an David sich wendend, »ein Kleidertausch wird Euch sehr lieb seyn, sintemal Ihr Euch an diese Nothbehelfe der Wildniß doch nicht recht gewöhnen könnet. Da nehmt mein Jagdhemd und meine Mütze, und gebt mir Eure Decke und Euren Hut dafür. Auch Euer Buch, Eure Brille und Euer Tutinstrument müßt Ihr mir anvertrauen, und treffen wir uns je in besseren Zeiten