»Es thut mir wehe, dies zu hören; ich hatte geglaubt, die Eingebornen, die innerhalb unserer Gränzen wohnen, hätten uns zu gerecht und zu gutgesinnt gefunden, als daß sie nicht unsere Sache ganz zu der ihrigen machten.«
»Nun, ich meine, es sey doch natürlich, daß man den eignen Streit vor dem fremden auskämpfe. Ich für mein Theil liebe die Gerechtigkeit und will deshalb nicht sagen, ich hasse einen Mingo, – das würde sich weder für meine Farbe noch für meine Religion schicken– doch – noch einmal: die Nacht allein war Schuld daß mein Wildtödter bei dem Tode dieses schleichenden Oneita nicht betheiligt ist««
Ueberzeugt von dem Gewicht seiner Gründe und unbekümmert um den Eindruck, den sie auf die Ansicht des Andern machten, wandte sich der ehrliche, aber unversöhnlich Waldmann von dem Feuer ab, zufrieden, den Streit ruhen zu lassen. Heyward begab sich wieder auf den Wall, weil er sich, nicht vertraut mit dieser Art von Kriegführung, zu unbehaglich fühlte, um ruhig an einem Orte zu bleiben, wo sich so hinterlistige Angriffe wiederholen konnten. Nicht so der Kundschafter und die Mohikaner. Ihre feinen und lange geübten Sinne, deren Schärfe oft in’s Unglaubliche ging, hatten sie nicht nur in den Stand gesetzt, die Gefahr zu entdecken, sondern ihnen auch über den Umfang und die Dauer derselben Gewißheit gegeben. Keiner von den Dreien schien jetzt im Geringsten zu zweifeln, daß sie in vollkommener Sicherheit seyen; und sie bewiesen ihren Glauben durch die Vorkehrungen welche sie alsbald trafen, um weitere Maßregeln zu berathen.
Die Verwirrung unter den Nationen, ja selbst den Stämmen, auf welche Hawk-eye angespielt hatte, war um diese Zeit auf’s Höchste gestiegen. Das mächtige Band der Sprache, und sonach auch der gemeinschaftlichen Abkunft war mancher Orten gelöst, und so kam es, daß der Delaware und der Mingo (mit welchem Namen man die sechs Nationen bezeichnete), in denselben Reihen kämpften, während der Letztere den Skalp des Huronen suchte, der doch für einen Sprößling desselben Stammes galt. Die Delawaren selbst waren unter sich getheilt. Die Liebe zu dem Boden, der seinen Ahnen zugehört hatte, hielt zwar den Sagamoren der Mohikaner mit einem kleinen Trupp Delawaren, die in dem Fort Edward dienten, unter den Fahnen des Königs von England zurück; der bei weitem größte Theil seiner Nation aber stand, wie man wohl wußte, als Montcalms Verbündete im Felde. Der Leser weiß wahrscheinlich, wenn es aus dem Verlauf unserer Erzählung noch nicht erhellt haben sollte, daß die Delawaren oder Lenapes darauf Anspruch machten, das Stammvolk jener zahlreichen Völkerschaften zu seyn, welche einst Herren der meisten östlichen und nördlichen Staaten Amerikas waren, und unter denen die Gemeinschaft der Mohikaner einen alten und in hohem Ansehen stehenden Zweig bildete.
Mit den kleinlichen und verwickelten Interessen, die Freund gegen Freund bewaffnet und geborne Feinde als Waffenbrüder neben einander gestellt hatte, vollkommen vertraut, schickten sich der Kundschafter und seine Gefährten zur Berathung der Maßregeln an, die ihre künftigen Bewegungen unter so vielen entzweiten und rohen Stämmen zu leiten hätten. Duncan wußte von den indianischen Sitten genug, um zu verstehen, warum das Feuer wieder aufgeschürt wurde, und die Krieger, Hawk-eye nicht ausgenommen, sich mit feierlichem Anstande unter den Wolken des Rauches wieder zusammensetzten. An die Ecke eines Winkels der Festungswerke gelehnt, wo er die Scene im Innern beobachten und zugleich ein wachsames Auge für jede Gefahr von außen behalten konnte, wartete er das Ergebniß der Berathung mit so viel Geduld ab, als er sich abgewinnen konnte.
Nach einer kurzen, bedeutungsvollen Pause zündete Chingachgook eine Pfeife mit hölzernen Rohre an, deren Kopf aus einem weißen Steine des Landes künstlich gearbeitet war, und fing an zu rauchen. Nachdem er den Duft des sänftigenden Krautes zur Genüge eingeathmet, gab er das Instrument in die Hände des Kundschafters. Auf diese Weise hatte die Pfeife drei Mal die Runde gemacht, und einige Zeit verging im tiefsten Stillschweigen, ehe einer der Gefährten seinen Mund öffnete. Endlich trug der Sagamore, als der Aelteste und Höchste im Rang, in wenigen Worten mit Ruhe und Würde den Gegenstand der Berathung vor. Ihm antwortete der Kundschafter, und Chingachgook entgegnete, als der Andere Einwendungen machte. Der jugendliche Uncas blieb ein stiller und ehrerbietiger Zuhörer, bis ihn Hawk-eye in freundlicher Rücksicht um seine Meinung fragte. Heyward schloß aus der Miene und den Geberden der verschiedenen Sprecher, daß Vater und Sohn die eine Meinung verfochten, während der Kundschafter auf der andern beharrte. Der Streit wurde allmählig wärmer, bis man deutlich sah, daß sich die Sprecher ziemlich in ihren Gegenstand vertieft hatten; trotz des zunehmenden Eifers aber, womit die Freunde stritten, hätte die ehrsamste christliche Versammlung, selbst die Zusammenkünfte ehrwürdiger Geistlichen nicht ausgenommen, an der Zurückhaltung und dem Anstande der Streitenden sich ein heilsames Muster der Mäßigung nehmen können. Uncas Rede wurde mit derselben Aufmerksamkeit angehört, als die Worte gereifterer Einsicht, die sein Vater gesprochen; und weit entfernt, Ungeduld zu verrathen, antwortete Keiner, ohne zuvor einige Augenblicke, wie es schien, in stillem Nachdenken über das Gesprochene, schweigend verbracht zu haben.
Die Rede der Mohikaner war von so natürlichen und ausdrucksvollen Geberden begleitet, daß es Heyward nicht schwer fiel, den Faden ihrer Beweisführungen zu verfolgen. Dunkler blieb ihm dagegen der Kundschafter, weil er aus geheimem Stolz auf seine Farbe jener kaltblütigen und nüchternen Sprechweise sich befliß, die allen Klassen der Angloamerikaner eigen ist, so lange sie sich nicht in Aufregung befinden. Aus ihrer häufigen Wiederholung der Merkmale eines Waldzuges ließ sich schließen, daß sie auf eine Verfolgung zu Lande drangen, wogegen des Kundschafters immer wiederkehrende Armbewegung gegen den Horican anzudeuten schien, daß er für die Wasserstraße sprach.
Der Letztere schien zu verlieren, und die Sache war auf dem Punkte, gegen ihn entschieden zu werden, als er sich plötzlich erhob, alle seine Ruhe fahren ließ, und ganz die Weise eines Eingebornen annehmend, alle Künste indianischer Beredsamkeit aufbot. Seinen Arm emporhaltend, wies er auf den Lauf der Sonne und wiederholte diese Geberde für jeden Tag, den er für ihre Aufgabe erforderlich glaubte. Er beschrieb sodann einen langen, mühevollen Weg über Felsen und durch Gewässer. Das Alter und die Schwäche des schlummernden und arglosen Munro wußte er durch Zeichen anschaulich zu machen, die verstanden werden mußten. Selbst von Duncans Kräften schien er in seiner Rede keine gar hohe Meinung zu haben: er reckte seine flache Hand aus und bezeichnete ihn mit der Benennung »offene Hand,« – ein Name, den ihm seine Freigebigkeit bei allen befreundeten Stämmen erworben hatte. Dann folgte eine Darstellung der leichten und zierlichen Bewegungen des Canoe in schreiendem Contraste mit den schwankenden Schritten eines müden und erschöpften Wanderers. Zum Schlusse deutete er auf den Skalp des Oneida, und drang offenbar darauf, eilig aufzubrechen, und zwar so, daß keine Spur von ihnen zurückblieb.
Die Mohikaner hörten mit vielem Ernste zu, und man las in ihrem Ausdrucke die Wirkung der Rede des Andern. Sie ließen sich allmählig überzeugen und begleiteten gegen das Ende Hawk-eye’s Worte mit dem gewohnten Ausruf der Einwilligung. Mit einem Worte, Uncas und sein Vater bekehrten sich zu seiner Meinung und verließen ihre bisher verfochtenen Ansichten mit so viel Bereitwilligkeit und Offenheit, daß sie in Folge eines solchen Mangels an Consequenz sicher allen politischen Ruf eingebüßt hätten, wären sie Repräsentanten eines großen civilisirten Volkes gewesen.
Sobald die Sache nun entschieden war, schien der Streit vergessen, mit allem was daran hing, ausgenommen seinem Resultate. Ohne umzuschauen, um in den Augen der Zuhörer einen Triumph zu lesen, streckte Hawk-eye seine hohe Gestalt ruhig vor dem erlöschenden Feuer auf die Erde nieder und entschlief.
So gleichsam sich selbst überlassen, benützten die Mohikaner, die sich seither so ausschließlich den Interessen Anderer gewidmet hatten, diesen Augenblick für sich selbst. Mit einem Male den Ernst und die Strenge des Indianerhäuptlings ablegend, begann jetzt Chingachgook in dem sanften und heitern Tone der Zärtlichkeit zu seinem Sohne zu sprechen. Uncas begegnete vergnügt der vertraulichen Stimmung seines Vaters, und ehe das tiefe Athemholen des Kundschafters verrieth, daß er eingeschlafen sey, war in dem Benehmen seiner beiden Gefährten ein völliger Wechsel vorgegangen.
Wir versuchen nicht, den Wohllaut dieser Sprache für Ohren, die so melodische Töne noch nie gehört haben, zu beschreiben, während sich die Mohikaner in Scherzen und Liebkosungen