»Was thun wir mit diesen stummen Geschöpfen?« murmelte der Weiße, von welchem die ganze Leitung ihrer künftigen Bewegungen abzuhängen schien, »es wäre Zeitverlust, ihnen die Kehle abzuschneiden und sie in den Fluß zu werfen; sie aber hier zu lassen, hieße den Mingo’s sagen, daß sie ihre Eigentümer nicht weit davon zu suchen haben.« »So geben wir ihnen die Zügel und lassen sie frei im Walde laufen,« wagte Heyward zu rathen.
»Nein, es ist besser, wir leiten die Schufte irre, und lassen sie glauben, es bedürfe Rossesschnelle, um ihr Wildpret zu erjagen. Ja, ja, das blendet die Feuerkugeln ihrer Augen! Chingach – St! Was rührt sich hier im Gebüsch?«
»Das Füllen!«
»Das Füllen wenigstens muß sterben,« murmelte der Kundschafter, nach der Mähne des flinken Thieres greifend, das schnell seiner Hand entschlüpfte! »Uncas, deine Pfeile!«
»Halt!« rief der Eigenthümer des zum Tode verurtheilten Thieres laut, ohne Rücksicht auf das Flüstern, in welchem die Uebrigen sprachen; »verschont mir Mirjams Füllen! Es ist der artige Sprößling einer treuen Mutter und wird mit Willen keinen Schaden thun.«
»Wenn Menschen kämpfen für das nackte Leben, das Gott ihnen gegeben hat,« sprach der Kundschafter ernst, »so ist ihnen das eigene Geschlecht nicht mehr als die Bestien des Waldes. Wenn Ihr wieder sprechet, so überlass’ ich euch der Willkühr der Maquas! Den Pfeil aufgelegt, Uncas, und gut gezielt, wir haben keine Zeit, um einen zweiten zu versenden!«
Die leisen, murrenden Töne seiner drohenden Stimme waren noch hörbar, als schon das verwundete Füllen sich bäumte und dann auf die Kniee niederstürzte. Chingachgook trat herzu, stieß ihm blitzschnell das Messer durch die Kehle und warf das sich sträubende Schlachtopfer in den Fluß, von dessen Strömung es fortgerissen ward, während es noch hörbar mit dem schwindenden Leben nach Athem schnappte. Dieser Akt scheinbarer Grausamkeit, aber wirklicher Notwendigkeit machte, als Beweis der drohenden Gefahr, in der sie schwebten, auf die Gemüther der Reisenden einen furchtbaren Eindruck, der durch die ruhige, aber feste Entschlossenheit der handelnden Personen bei dem Schauspiel noch erhöht werden mußte. Die Schwestern schauderten und drängten sich fester an einander, während Heyward instinktmäßig die Hand an eine der Pistolen legte, die er so eben aus ihren Halftern gezogen hatte, als er zwischen seine Schutzbefohlenen und die finstern Schatten trat, welche einen undurchdringlichen Schleier um den Schooß des Waldes zu ziehen schienen.
Die Indianer bedachten sich keinen Augenblick, sie ergriffen die Zügel und führten die erschreckten und widerstrebenden Pferde in das Bett des Flusses hinab.
In einiger Entfernung vom Ufer wandten sie sich und wurden bald durch einen vorspringenden Hügel gedeckt, unter dessen Schutze sie in einer dem Laufe des Flusses entgegengesetzten Richtung fortwanderten. Mittlerweile zog der Kundschafter ein Canoe von Baumrinde aus einem Versteck unter niedrigen Gebüschen hervor, deren Zweige sich mit der Strömung fortbewegten, und bedeutete den Frauen, einzusteigen. Sie thaten es unbedenklich, obgleich sie manchen furchtsamen und ängstlichen Blick in das immer wachsende Dunkel zurückwarfen, welches jetzt wie eine schwarze Gränzwand auf dem Rande des Stromes lag.
Sobald Cora und Alice saßen, hieß der Kundschafter, ohne einen Blick auf das Element zu werfen, Heyward eine Seite des gebrechlichen Fahrzeugs unterstützen, während er sich selbst auf die andere stellte, und so brachten sie es, gefolgt von dem niedergeschlagenen Besitzer des todten Füllen, stromaufwärts. Auf diese Weise gingen sie eine gute Strecke fort, und beobachteten ein Stillschweigen, das nur durch das Schlagen der Wogen, wenn Wirbel sie umgaben, und durch das leise Geräusch, das ihre vorsichtigen Fußtritte machten, unterbrochen wurde. Heyward überließ die Lenkung des Canoe’s durchaus dem Kundschafter, welcher sich dem Ufer bald näherte, bald sich von ihm entfernte, um Felsblöcke oder tiefere Stellen zu vermeiden, mit einer Gewandtheit, welche seine Kenntniß des eingeschlagenen Weges genügsam bekundete. Gelegentlich hielt er an und inmitten dieser Todtenstille, welche das dumpfe, jedoch zunehmende Rauschen des Wasserfalls nur noch mehr bezeichnete, horchte er mit ängstlicher Aufmerksamkeit, ob nicht etwa ein Laut aus dem schlummernden Walde hervordringe. Wenn er sich überzeugt hatte, daß Alles ruhig war, und er selbst mit seinen geübten Sinnen kein Zeichen annähernder Feinde entdecken konnte, fuhr er mit großer Bedächtlichkeit langsam und vorsichtig weiter. Endlich erreichten sie eine Stelle in dem Fluß, wo Heyward’s umherschweifendes Auge eine Gruppe schwarzer Gegenstände gewahrte, die sich auf einem Punkte beisammen fanden, wo das höhere Ufer einen tieferen Schatten auf die finsteren Gewässer warf. Er zögerte, weiter zu fahren, und richtete die Aufmerksamkeit seines Begleiters auf diese Stelle, »Nun,« versetzte der ruhige Mann, »die Indianer haben hier die Thiere mit der den Eingebornen eigenen Vorsicht untergebracht. Das Wasser läßt keine Spur zurück und selbst die Augen einer Eule würden in der Finsterniß einer solchen Höhle erblinden.«
Die ganze Parthie war jetzt vereinigt und eine zweite Berathung zwischen dem Kundschafter und seinen neuen Genossen erfolgte, während welcher sie, deren Schicksal von der Treue und Rechtlichkeit dieser unbekannten Waldbewohner abhing, ein wenig Muße hatten, sich genauer umzusehen.
Der Fluß war zwischen hohe und rauhe Felsen eingezwängt, von denen einer über die Stelle, wo das Canoe ruhte, herüberhing. Da diese wieder von hohen Bäumen überragt wurden, welche an dem Rande des Absturzes zu schwanken schienen, so war es, als ob der Strom ein tiefes und enges Thal durchflösse. Unter diesen fantastischen Felsrändern, und den zackigen Baumgipfeln, welche sich hier und da dunkel an den gestirnten Zenith malten, lag Alles in dichter Finsterniß. Hinter ihnen begränzte die Krümmung der Ufer bald die Aussicht durch dieselbe dunkle und waldige Säumung, aber vorne und scheinbar in geringer Entfernung schien das Wasser zum Himmel emporgethürmt, und stürzte von da in Höhlen, aus denen jene unheimlichen Töne, welche die Abendluft erfüllten, sich vernehmen ließen. Der Ort schien wirklich der Abgeschiedenheit geweiht, und die Schwestern empfanden ein wohlthuendes Gefühl von Sicherheit, als sie seine romantischen, wenn gleich nicht schrecklosen Schönheiten betrachteten. Eine allgemeine Bewegung unter ihren Führern rief sie jedoch bald von dem Anschauen dieser Zauber, welche die Nacht dem Orte verliehen hatte, zu dem peinlichen Bewußtseyn wirklicher Gefahr zurück.
Die Pferde waren an einigen zerstreuten Gesträuchen, die aus den Spalten der Felsen wuchsen, angebunden und mußten hier, im Wasser stehend, die ganze Nacht zubringen. Der Kundschafter hieß Heyward und seine angstvollen Begleiter sich in das vordere Ende des Canoe setzen und nahm selbst Besitz von dem andern, so aufrecht und fest, als ob er in einem Fahrzeug von viel stärkerem Material dahinführe. Die Indianer zogen sich behutsam zu der Stelle zurück, die sie verlassen hatten, als der Kundschafter, seine Ruderstange gegen einen Felsen stemmend, mit einem kräftigen Stoss die gebrechliche Barke mitten in die stürmische Strömung trieb. Mehrere Minuten war der Kampf zwischen dem leichten Fahrzeug, in dem sie fuhren, und dem ungestümen Strome ernst und zweifelhaft. Da die Reisenden keine Hand rühren durften und beinahe nicht zu athmen wagten, um nicht das schwache Schifflein der Wuth des Stromes preiszugeben, starrten sie, in fieberhafter Spannung auf die schäumenden Wogen hin. Oft glaubten sie, die wirbelnde Springfluth stürze sie in unvermeidliches Verderben – doch jedesmal stemmte die Meisterhand des Steuermanns den Bug des Canoe’s der Strömung entgegen. Eine lange, kräftige, und wie es den Frauen schien, verzweiflungsvolle Anstrengung beschloß den Kampf. Gerade als Alice ihre Augen vor Entsetzen