»Ich wußte, daß er ein Schelm ist, so bald ich ihn anblickte!« versetzte der Kundschafter, als Zeichen der Vorsicht einen Finger auf die Nase legend. »Der Dieb lehnt am Fuße des jungen Baums, den Ihr über den Büschen weg sehen könnt, sein rechtes Bein steht in Einer Richtung mit der Rinde des Baums und (hier griff er nach seiner Büchse) ich kann ihn von meinem Standpunkt aus zwischen dem Knöchel und dem Knie nehmen, daß ihm nur wenigstens einen Monat das Herumstreichen in den Wäldern vergeht. Ginge ich zu ihm zurück, so würde der Schlaukopf etwas wittern, und wie ein erschrecktes Reh durch die Bäume entschlüpfen.«
»Das geht nicht. Er kann unschuldig seyn und ich liebe diese Handlungsweise nicht. Und doch, wenn ich gewiß wüßte, daß er ein Verräther –« »Auf die Schurkerei eines Irokesen darf man mit Sicherheit rechnen,« sprach der Kundschafter, indem er instinktmäßig nach seiner Büchse griff.
»Halt!« unterbrach ihn Heyward, »es geht nicht –wir müssen auf etwas Anderes denken – und doch, ich habe vielen Grund zu glauben, daß der Schuft mich getäuscht hat.« Der Jäger, welcher bereits seine Absicht, den Läufer lahm zu schießen, aufgegeben hatte, sann einen Augenblick und machte dann ein Zeichen, das seine zwei rothen Begleiter ihm sogleich zur Seite rief. Sie sprachen leise, aber lebhaft in delawarischer Sprache mit einander; aus den Gebärden des Weißen jedoch, der sich häufig gegen den Gipfel des jungen Baumes richtete, ging deutlich hervor, daß er von ihrem verborgenen Feinde sprach. Seine Begleiter hatten seine Wünsche alsbald verstanden, legten ihre Feuergewehre weg, wandten sich nach entgegengesetzten Seiten und vergruben sich mit so vorsichtigen Bewegungen in das Dickicht, daß ihre Tritte nicht gehört werden konnten.
»Jetzt, geht zurück,« sprach der Jäger wieder zu Heyward, »und haltet den Teufelsbalg mit Reden hin, die Mohikaner hier wollen ihn lebendig fangen, ohne ihm die Schminke zu verderben.«
»Nein,« sprach Heyward stolz, »ich will ihn selbst fassen.«
»Pah! was vermöget Ihr zu Pferd gegen einen Indianer in den Büschen?«
»Ich steige ab.«
»Glaubt Ihr, er werde, wenn er sieht, daß Ihr einen Fuß aus dem Bügel habt, warten, bis auch der andere frei ist? Wer in den Wäldern mit den Eingebornen zu thun hat, muß indianische Kniffe brauchen, wenn er etwas ausrichten will. Geht denn, sprecht vertraulich mit dem Bösewicht, und thut, als ob Ihr ihn für euern treuesten Freund auf Erden hieltet.«
Heyward schickte sich an, diesen Rath zu befolgen, obgleich ihm die Rolle, die er zu spielen hatte, nicht behagen wollte. Indeß überzeugte er sich jeden Augenblick mehr, daß er durch sein zu großes Vertrauen seine Schützlinge in eine sehr mißliche Lage versetzt hatte. Die Sonne war bereits untergegangen, und die Wälder, plötzlich ihres Lichtes beraubt, nahmen eine düstere Farbe an, welche ihn ernstlich erinnerte, daß die Stunde, welche die Wilden gewöhnlich für ihre grausamsten und gefühllosesten Akte der Rache oder der Feindseligkeit wählten, mit schnellen Schritten heran rücke. Von Besorgnissen bestürmt, verließ er den Kundschafter, welcher unmittelbar darauf in eine laute Unterredung mit dem Fremden einging, der sich mit so wenig Umständen am Morgen in die Reisegesellschaft eingedrängt hatte. Als er an seinen zarten Begleiterinnen vorbeiritt, sprach er einige Worte der Ermuthigung zu ihnen und fand zu seiner Freude, daß sie, obgleich ermüdet von den Anstrengungen des Tages, keinen Verdacht zu haben schienen, ihre gegenwärtige Verlegenheit sey etwas anderes, als die Folge des Zufalls. Er ließ sie glauben, daß er sich blos über ihre bevorstehende Route bespreche, spornte sein edles Roß und zog die Zügel wieder an, als er in die Nähe der Stelle kam, wo der trotzige Läufer immer noch an den Baum angelehnt stand.
»Du siehst, Magua,« sprach er, indem er eine unbefangene, vertrauliche Miene anzunehmen bemüht war, »daß die Nacht rings umher einbricht, und daß wir William Henry noch nicht näher sind, als da wir Webb’s Lager mit Aufgang der Sonne verließen. Du hast den Weg verfehlt und ich bin nicht glücklicher gewesen. Zum Glück aber sind wir auf einen Jäger getroffen, mit dem du den Sänger sprechen hörst. Er ist mit den Fährten des Wildes und den Fußpfaden der Wälder vertraut, und verspricht, uns nach einem Platze zu führen, wo wir sicher bis zum Morgen ausruhen können.«
Der Indianer heftete seine funkelnden Augen auf Heyward, und fragte in seinem gebrochenen Englisch: »Ist er allein?«
»Allein!« wiederholte zögernd Heyward, dem Täuschung noch zu neu war, als daß er nicht etwas verlegen geworden wäre. »Oh! gewiß nicht allein, Magua: du weißt ja, daß wir bei ihm sind.« »Dann kann le Renard Subtil gehen,« versetzte der Läufer, indem er eine kleine Reisetasche von der Stelle, wo sie zu seinen Füßen lag, kaltblütig aufhob; »und die Blaßgesichter werden nur Leute ihrer eigenen Farbe sehen.«
»Gehen? Wen nennst du le Renard?«
»Diesen Namen haben seine Canadischen Väter Magua gegeben,« antwortete der Läufer mit einer Miene, welche bewies, daß er auf diese Auszeichnung stolz war. »Nacht und Tag sind für Subtil gleich, wenn Munro auf ihn wartet.«
»Was will le Renard Subtil dem Befehlshaber von William Henry von seinen Töchtern melden? Wird er es wagen, dem hitzköpfigen Schottländer zu sagen, daß er seine Kinder ohne Führer gelassen habe, obgleich Magua ihnen einer zu seyn versprach?«
»Der Graukopf hat eine laute Stimme und einen langen Arm, aber wird jene le Renard in den Wäldern hören, oder diesen fühlen?«
»Aber was werden die Mohawks sagen! Sie werden ihm einen Weiberrock machen und ihn heißen im Wigwam bei den Weibern bleiben: denn nicht länger kann man ihm das Geschäft eines Mannes anvertrauen!«
» Le Subtil kennt den Pfad zu den großen Seen und kann die Gebeine seiner Väter finden,« war die Antwort des unbeweglichen Läufers.
»Genug, Magua,« sprach Heyward, »sind wir nicht Freunde? Warum sollen bittere Worte zwischen uns gewechselt werden? Munro hat dir für deine Dienste ein Geschenk versprochen, und ich werde dein Schuldner für einen andern seyn. So laß deine müden Glieder ausruhen und öffne deine Reisetasche, um zu essen. Wir haben nur wenige Minuten zum Besten, laß sie uns nicht wie zänkische Weiber vergeuden. Wenn die Frauen Erfrischungen zu sich genommen haben, gehen wir weiter.«
»Die Blaßgesichter machen sich zu Hunden ihrer Frauen,« murmelte der Indianer in seiner Muttersprache, »und wenn sie essen wollen, müßen ihre Krieger den Tomahawk bei Seite legen, um ihre Trägheit zu nähren.« »Was sagst du, Renard?«
» Le Subtil sagt, es ist gut.«
Der Indianer heftete jetzt das Auge fest auf das offene Gesicht Heyward’s, als er aber seinem Blicke begegnete, wandte er sich schnell ab, nahm, indem er sich bedächtlich zu Boden setzte, den Rest eines früheren Mahles aus der Tasche und begann zu essen, jedoch nicht ohne langsam und vorsichtig um sich her zu blicken.
»So ist es recht,« fuhr Heyward fort, »und Renard wird morgen neue Kraft des Leibes und der Augen haben, um den Weg zu finden;« er hielt inne, denn Laute wie das Knistern von dürren Reisern und das Rauschen von Blättern ließ sich aus den nahen Gebüschen vernehmen. Plötzlich aber besann er sich und fuhr fort: »wir müssen aufbrechen, ehe die Sonne sich sehen läßt, sonst legt sich uns Montcalm in den Weg und schneidet uns von der Festung ab.«
Magua ließ seine Hand vom Munde zur Seite herabsinken und obgleich seine Augen auf den Boden geheftet waren, bog er dennoch den Kopf seitwärts: seine Nasenlöcher erweiterten sich, und sogar seine Ohren schienen aufrechter zu stehen, als gewöhnlich, indem sie ihm den Anschein einer Bildsäule gaben, welche gespannte Aufmerksamkeit darstellen soll.
Heyward, welcher seinen Bewegungen mit wachsamem Auge folgte, zog nachläßig einen seiner Füße aus dem Bügel, während er mit der Hand über die Bärenhautdecke seiner Pistolenhalfter hinglitt. Jede Bemühung, den Punkt zu entdecken, den der Läufer besonders ins Auge faßte, scheiterte an seinem zitternden Blick, der auf seinem besondern