»Sie nennen Ihren Vater?« entgegnete Marmaduke gefühlvoll. »Ist er wirklich mit dem Paketboot verunglückt?«
»Ja. Er hatte mich nach mehrjährigen fruchtlosen Bewerbungen und in verhältnismäßiger Armut in Neuschottland zurückgelassen, – um eine Entschädigung für seine Verluste zu erwirken, die endlich auch von der britischen Krone bewilligt wurde. Nachdem er ein Jahr in England verbracht, kehrte er auf seinem Weg nach Westindien, wo er eine Statthalterstelle übernehmen sollte, nach Halifax zurück, um den Ort aufzusuchen, wo mein Großvater seit dem Kriege geweilt hatte – um uns beide mit sich zu nehmen.«
»Aber du?« versetzte Marmaduke mit warmer Teilnahme. »Ich glaubte, du wärest mit ihm umgekommen.«
Der junge Mann errötete, als er die verwunderten Gesichter der Umstehenden gewahr wurde, gab jedoch keine Antwort. Marmaduke wandte sich jetzt an Kapitän Hollister, der sich eben wieder seiner Mannschaft angeschlossen hatte, und sprach:
»Führe deine Soldaten wieder zurück und entlasse sie! Der Eifer des Sheriffs hat ihn über die Grenzen seiner amtlichen Wirksamkeit hinausgeführt. Doktor Todd, ich werde Euch Dank wissen, wenn Ihr nach der Beschädigung seht, welche Hiram Doolittle bei dieser unangenehmen Geschichte davongetragen hat. Richard, ich wäre dir dankbar, wenn du den Wagen heraufschicktest. Benjamin, Ihr kehrt zu Eurem Dienst in meiner Familie zurück!«
So ungelegen auch diese Befehle den meisten Anwesenden kamen, so bewirkten doch die Besorgnis, den heilsamen Zwang des Gesetzes zu weit getrieben zu haben, und die gewohnte Achtung vor den Geboten des Richters schleunigen Gehorsam. Als sie sich entfernt hatten und der Fels nur noch im Besitz derjenigen war, für welche die Entwicklung der Sache einen besonderen Wert hatte, deutete Marmaduke auf den alten Major Effingham und sagte zu dessen Enkel:
»Wäre es nicht besser, deinen Großvater von diesem zugigen Platz wegzubringen, bis mein Wagen ankommt?«
»Verzeihung, Sir, die Luft tut ihm gut, und er hat sich stets an ihr gelabt, sooft keine Entdeckung zu befürchten war. Ich weiß nicht, wie ich mich zu benehmen habe, Richter Temple; darf ich – kann ich zugeben, daß der Major Effingham in Ihr Haus zieht?«
»Das magst du selbst beurteilen«, entgegnete Marmaduke. »Dein Vater war mein Jugendfreund. Er vertraute mir sein Vermögen an. Als wir uns trennten, setzte er eine so große Zuversicht in mich, daß er weder Empfangsschein noch sonstige Sicherheit von mir nehmen wollte, selbst wenn ich Zeit oder Gelegenheit gehabt hätte, letztere zu leisten. – Du mußt hiervon wohl gehört haben?«
»Allerdings, Sir«, versetzte Edwards oder vielmehr Effingham, wie wir ihn jetzt nennen müssen.
»Wir hatten verschiedene politische Ansichten. Siegte die Sache Amerikas, so wußte niemand von unserer Übereinkunft, und deines Vaters Vertrauen war mir heilig; blieb aber die Herrschaft der Krone bestehen, so mußte es ein leichtes sein, einem so loyalen Untertanen, wie Oberst Effingham war, sein Eigentum zurückzuerstatten. – Ist dies nicht klar?«
»Die Einleitung ist gut, Sir«, entgegnete der Jüngling mit demselben ungläubigen Blick wie früher.
»Höre ihn vollends an, höre ihn vollends an, junger Mensch«, sagte der Deutsche. »Es ist kein Haar auf dem Kopf des Richters, das es nicht ehrlich meint.«
»Wir alle kennen den Ausgang des Kampfes«, fuhr Marmaduke fort, ohne die Worte der beiden zu beachten. »Dein Großvater blieb in Connecticut, wo ihn dein Vater mit den Mitteln versah, die für einen anständigen Unterhalt nötig waren. Ich weiß dies, obgleich ich selbst in unseren glücklichsten Tagen nie einen Verkehr mit ihm hatte. Dein Vater zog mit den Truppen ab, um seine Ansprüche an die Krone zu verfolgen. Jedenfalls muß sein Verlust groß gewesen sein, denn seine Liegenschaften wurden veräußert, und ich wurde ihr gesetzlicher Käufer. War es etwa ein unnatürlicher Wunsch, daß der rechtmäßigen Wiedererwerbung derselben von seiner Seite kein Hindernis im Wege stehen möchte?«
»Es war überhaupt keines vorhanden als die Schwierigkeit, so viele Ansprüche zu befriedigen.«
»Aber ein unüberwindlicher Riegel wäre vorgeschoben worden, wenn ich der Welt verkündigt hätte, daß ich diesen Grundbesitz, der durch die Zeit und meinen Fleiß um das Hundertfache in seinem Wert gestiegen ist, nur als ein mir anvertrautes Gut betrachte. Es kann dir nicht unbekannt sein, daß ich deinen Vater unmittelbar nach dem Krieg mit beträchtlichen Summen versah.«
»Das taten Sie, bis – –«
»Meine Briefe ungeöffnet zurückkamen. Dein Vater hatte viel von deinem Charakter, Oliver. Er war bisweilen ungestüm und vorschnell.« Der Richter fuhr jetzt in dem Ton der Selbstrüge fort. »Vielleicht liegt der Fehler an mir, der ich zu viel rechnete und zu weit in die Zukunft blickte. Es war gewiß eine herbe Prüfung für mich, den Mann, den ich am meisten liebte, sieben Jahre übel von mir denken zu lassen, um mir zu gegebener Zeit eine ehrliche Rückerstattung möglich zu machen. Hätte er übrigens meine letzten Briefe geöffnet, so würdest du die ganze Wahrheit erfahren haben. Diejenigen, welche ich nach England schickte, hat er, wie mir mein Agent mitteilt, gelesen. Er hat vor seinem Tode noch alles erfahren und ist als mein Freund gestorben; ich glaubte jedoch, dich habe ein gleich trauriges Verhängnis ereilt.«
»Unsere Armut gestattete uns nicht, die Überfahrt für zwei Personen zu bezahlen«, versetzte der Jüngling mit jener ungewöhnlichen Bewegung, die er immer an den Tag legte, sooft er den herabgekommenen Zustand seiner Familie berühren mußte. »Ich blieb in der Provinz, um seine Rückkehr zu erwarten, und als die traurige Nachricht, daß er mir für immer entrissen sei, an mich gelangte, war ich fast von allen Geldmitteln entblößt.«
»Und wie brachtest du dich fort, Junge?« fragte Marmaduke mit bebender Stimme.
»Ich lenkte meinen Wanderstab hierher, um meinen Großvater aufzusuchen; denn ich wußte, daß mit dem halben Solde meines Vaters auch seine Hilfsquellen versiegt waren. Als ich seine Wohnung aufsuchte, erfuhr ich, daß er sie heimlich verlassen hatte, obgleich mir der Mietling, der um dieser Armut willen aus seinen Diensten getreten war, auf mein dringendes Flehen bedeutete, er glaube, ein alter Mann, der früher sein Diener gewesen, habe ihn mit sich fortgenommen. Das konnte niemand anders als Natty gewesen sein; denn mein Vater hat oft – –«
»War Natty ein Diener deines Großvaters?« rief der Richter.
»Wie? Das wußten Sie nicht?« entgegnete der Jüngling in augenscheinlicher Überraschung.
»Wie hätte ich es wissen sollen? Ich traf nie mit dem Major zusammen, und auch Bumppos Name wurde nie in meiner Gegenwart erwähnt. Ich kannte ihn nur als einen Jäger, der in den Wäldern lebte. Solche Leute kommen einem zu oft vor, als daß sie größere Aufmerksamkeit erregen sollten.«
»Er wurde in der Familie meines Großvaters erzogen, diente ihm viele Jahre in seinen Feldzügen im Westen, wo er eine Vorliebe für die Wälder faßte, und blieb dann hier als eine Art von locum tenens in dem Lande, welches auf Veranlassung des alten Mohegan meinem Großvater, der ihm einmal das Leben gerettet hatte, von den Delawaren überlassen worden war. Letztere hatten ihn auch als Ehrenmitglied in ihren Stamm aufgenommen.«
»Daher rührt also dein indianisches Blut?«
»Nicht anders«, erwiderte Edwards lächelnd. »Major Effingham wurde von Mohegan, der damals der größte Mann seiner Nation war, an Sohnes statt angenommen, und mein Vater, welcher diese Leute einmal in seiner Jugend besuchte, erhielt von ihnen den Namen des Adlers – um der Form seines Gesichtes willen, wie ich mir sagen ließ. Sie haben seinen Titel auch auf mich ausgedehnt. Ich habe keine anderen indianischen Ahnen, obgleich es in meinem Leben Stunden gegeben hat, Richter Temple, wo ich wünschte, meine Abstammung und Erziehung diesem Volk zu verdanken.«
»Fahre fort in deiner Erzählung«, sagte Marmaduke.
»Ich