DIE MINE. Tim Curran. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354159
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Härchen in seinem Nacken stellten sich auf. Für einen grausigen Augenblick glaubte er, einen spinnenartigen Schatten zwischen den Lastern da unten gesehen zu haben, aber es war so schnell vorbei, dass er sicher war, dass seine Augen ihm nur einen Streich gespielt hatten. Dennoch war er besorgt und allein bei der Vorstellung geradezu entsetzt. Irgendwo da draußen kam ein Wind auf, dessen hohles Stöhnen seine Hände zittern ließ.

      »Es reicht«, sagte Jerry. »Wir gehen da jetzt runter.«

      »Okay.«

      Woody ging voraus, froh, etwas tun zu können. Er ging zur Tür und griff nach dem Knauf. Als er versuchte, ihn zu drehen, rührte er sich nicht. Verzweifelt rüttelte er daran.

      »Lass mich mal«, sagte Jerry. Sein Atem hatte sich beschleunigt. Er rüttelte und rüttelte mit all seiner Kraft daran, aber nichts rührte sich. »Was zum Teufel?«

      »Es war doch vorher offen.«

      »Ja, ich weiß, dass es vorher offen war. So sind wir hier ja reingekommen.« Jerry kämpfte mit dem Knauf und als dieser nicht nachgab, rammte er die Tür in einem Anflug von Wut mit der Schulter. Als das auch nicht half, trat er darauf ein. »Scheiße, was ist hier los?«, keuchte er, sein Gesicht rot, die Augen weit aufgerissen. »Diese Tür war offen! Ich weiß, dass sie verdammt noch mal offen war!«

      »Beruhige dich!«, sagte Woody.

      Jerry lief im Kreis, trat einen Mülleimer aus dem Weg, fluchte leise und warf sich dann in einem heftigen Ansturm gegen die Tür, rammte und trat sie erneut. Er verursachte eine Delle und verletzte sich an der Schulter, das war aber auch alles, was ihm gelang.

      »Bist du jetzt fertig?«, fragte Woody.

      Jerry rieb sich die Schulter. »Ja.«

      »Wenn es wirklich zum Äußersten kommt, haben wir immer noch unsere Waffen. Wir können das Schloss locker aufschießen … aber lass uns lieber erst etwas anderes probieren, denn Dew wird uns zusammenscheißen, wenn wir unsere Waffen für so etwas entladen.«

      »Dew, Dew, Dew. Mein Gott.«

      Woody seufzte. »Soll heißen?«

      »Das heißt, dass du von dem Kerl besessen bist. Du führst dich auf, als wäre er dein verdammter Vater. Wird langsam langweilig.«

      »Das wieder.«

      »Vielleicht«, sagte Jerry.

      »Okay, dann lass uns über deine Freundin reden.«

      Jerry starrte ihn finster an. »Damit überschreitest du eine Grenze.«

      »Ich überschreite sie, weil du ein Arsch bist.«

      Jerry wandte sich von ihm ab und starrte auf die Tür. »Schau dir den Knauf an«, sagte er.

      »Ja? Was ist damit?«

      »Schau!«, sagte Jerry. »Es gibt noch nicht mal ein Schloss. Da ist gar nichts. Man kann sie nicht abschließen.«

      Woody wusste, dass er recht hatte. Er hatte die ganze Zeit schon darüber nachgedacht, aber es nicht zugeben wollen. Vorsichtig ging er hinüber und rüttelte daran. Immer noch verschlossen. Er lockerte seinen Griff und versuchte noch einmal, den Knauf zu drehen für den Fall der Fälle, dass es nur eine Sache des richtigen Griffs war. Ohne Erfolg.

      Plötzlich riss er keuchend seine Hand weg. »Es ist … es ist scheißwarm. Ich meine, wirklich warm.«

      »Du bist verrückt«, sagte Jerry. Er griff selbst danach und zog seine Hand gleich wieder weg. »Es ist verdammt noch mal brennend heiß!«

      Und wie erklärst du das nun? Woody fragte sich das selbst in dem Wissen, dass es keine vernünftige Erklärung dafür geben konnte. Jerry sah ihn an, darauf wartend, dass Woody auch diese jüngste Entwicklung wegerklären konnte, um die Schatten aus seinen Gedanken zu vertreiben. Es war gar nicht mal so, dass er es hören wollte, sondern hören musste.

      »Riechst du das?«, fragte Jerry.

      Er nickte. »Wie … wie etwas Süßes oder so.«

      »Ja.«

      Es war jedoch mehr als das. Es war wie der Geruch eines Halloweenbeutels am Morgen nach dem Süßes-sonst-gibt’s-Saures vom Vorabend; ein wundervolles, köstliches Aroma von Candy Corn und Schokolade, Erdnussbutterküssen und Salzwassertoffee, orangefarbenen Jack-O-Lantern-Lutschern und Schädellakritze. Dieser wunderbare Mischduft von Herbstfreude, den jedes Kind kannte und jeder Erwachsene noch immer tief in den Lustzentren seines Gehirns trug.

      »Es ist verrückt«, sagte Jerry. »Nichts kann so riechen … nicht hier.«

      Woody öffnete seinen Mund, um ihm zuzustimmen … und schloss ihn genauso schnell. Eine Reihe lauter Geräusche war in den Wänden zu hören. Bumm, bumm, bumm, bumm-bumm-bumm. Jerry schrie schrill wie ein Kind auf und Woody spürte sein Herz gefrieren. Es kam wieder und dann noch einmal. Als wenn da draußen jemand herumlief und gegen die Wand hämmerte.

      Jerry verlor beinahe die Nerven. »AUFHÖREN!«, rief er laut, zog seine Beretta und zielte auf die Tür. Seine Hand zitterte dabei stark. »ICH HABE EINE WAFFE UND ICH WERDE SIE VERDAMMT NOCHMAL BENUTZEN! ICH SCHWÖRE BEI GOTT, ICH WERDE SIE NUTZEN!«

      Woody wollte ihn bitten, die Waffe wegzulegen, aber er tat es nicht. Er tat es nicht, weil er nun selbst seine Waffe gezogen hatte. Er hatte es automatisch getan, ohne darüber nachzudenken. Die Geräusche draußen waren verstummt. Im Kopf zählte er leise die Sekunden. Eins … zwei … drei … vier … fünf … sechs … Dann fing es wieder an: Bumm, bumm, bumm-bumm-bumm! Jerry stolperte beinahe rückwärts über den Tisch. Stattdessen landete er auf seinem Hosenboden. Er murmelte etwas mit tiefer, tränengeschwängerter Stimme, kurz vor dem Zusammenbruch.

      Das Klopfen hörte auf.

      Wieder zählte Woody die Sekunden.

      Etwas stieß von draußen gegen die Tür.

      Jerry wimmerte. Mithilfe des Schreibtischs zog er sich auf die Beine. Seine Augen waren feucht und weit aufgerissen, sodass man das Weiße erkennen konnte. Seine Lippen verzogen sich zu einer Grimasse, während die Adern an seinem Hals hervorstanden.

      Der Türknauf drehte sich vor und zurück.

      Dann wurde er wie verrückt gerüttelt.

      Jerry schrie auf und ließ los. Er feuerte drei Salven durch die Tür und der Lärm in dem engen Büro war ohrenbetäubend. Eine kleine Stimme tief in Woodys Hinterkopf sagte: Oh scheiße, oh Gott, was, wenn das da draußen Dew war …

      Aber es war nicht Dew.

      Was auch immer da draußen gestanden hatte, ließ einen quietschenden Schrei los, wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten war. Sie hörten, wie es sich trampelnd die Rampe hinunter zurückzog.

      »Jerry«, hauchte Woody. »Es ist weg … es ist weg …«

      Und mit ihm der süße, kandierte Geruch. Stattdessen hatte es einen ausgesprochen beißenden, üblen Geruch nach Essig hinterlassen.

      Jerry versuchte zu nicken, aber er zitterte so heftig, dass sein Kopf in diesem Moment eher auf dem Hals wackelte. Woody sagte ihm, dass er die Waffe wegstecken sollte, und Jerry tat es. Woody ging hinüber zur Tür und drehte den Knauf. Er war nicht länger heiß. Und die Tür war auch nicht länger verschlossen. Der Knauf bewegte sich ganz leicht in der Hand.

      »Komm schon«, sagte er.

      Jerry nickte wieder und trat an seine Seite. Da hörten sie hinter sich ein anderes Geräusch. Das Geräusch kam von der zweiten Tür, der verschlossenen Tür. Woody wirbelte herum. Der Knauf drehte sich und die Tür begann sich langsam zu öffnen.

      Und als sie es tat, nahmen die beiden Männer einen Geruch wahr, als würde eine heiße Suppe Blut das Büro füllen.

      Kapitel 5

      Dew stand mit