Der arme Jack. Фредерик Марриет. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Фредерик Марриет
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711447673
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ich wohl beifügen kann, fast immer nass. So oft ich nach Hause kam, schmähte meine Mutter, aber ich machte mir nichts daraus. Die grösste Strafe, die sie mir angedeihen lassen konnte, bestand darin, dass sie mir am Sonntag ein reines Hemd verweigerte; aber endlich brachte ich Halbpence genug zusammen, um nicht nur meine Kost, sondern auch meine Wäsche zu bestreiten, so dass ich mit jedem Tage unabhängiger und glücklicher wurde.

      Es gab noch viele andere Wege, auf denen mir während der Sommerszeit Geld zufloss. So pflegten zum Beispiel Gesellschaften nach dem Schiff und andern Wirtshäusern zu kommen, um daselbst Themsefische zu speisen.

      Ausser mir gab es noch viele andere Knaben, welche das Ufer zu ihrem Tummelplatze machten; wir traten dann gewöhnlich unter die Fenster, die Aufmerksamkeit der Wirtshausgäste durch alle in unseren Kräften liegenden Mittel auf uns ziehend, um sie zu veranlassen, dass sie uns Halbpence zuwürfen, um die wir uns balgen konnten. Die Fremden thaten dies gewöhnlich, um sich die Zeit bis zum Diner zu vertreiben, oder sich und die Damen durch den Anblick unseres Übereinanderkugelns zu unterhalten. Bisweilen warfen sie ein Sechspencestück in den Fluss, wo das Wasser ungefähr zwei Fuss tief war und wir uns durchnässen mussten, um es herauszulangen. Sie waren in der That sehr grossmütig, wenn es ihre Belustigung galt, und wir machten ihnen alle Arten von Anerbietungen, die wir nach ihrem Geschmack wählten, um ihren Taschen Geld zu entlocken.

      „Soll ich für sechs Pence meinen Kopf in den Schlamm tauchen, Sir?“ konnte einer von uns rufen, der aber alsbald durch einen andern ausgestochen wurde.

      „Ich wälze mich über und über im Schlamm, Gesicht und alles, Sir, wenn ich die sechs Pence erhalte!“

      Bisweilen bemerkte ich ein liebliches Gesicht, das voll Mitleid auf unsere Lumpen und unsere verwahrloste Aussenseite niederblickte, und dann machte mir das Geld, das mir zugeworfen wurde, viel mehr Vergnügen; aber die Mehrzahl von denen, welche uns um der eigenen Unterhaltung willen Silber hinschleuderten, würden uns keinen Heller gegeben haben, wenn wir sie um Gottes willen darum angegangen hätten.

      Man darf jedoch nicht glauben, dass ich die beneidenswerte Stelle des „armen Jacks“ sobald erhielt, denn auch die niedrigste hat ihre Bewerber, und unter den vielen müssigen Knaben, welche das Ufer zu ihrem Tummelplatze machten, gab es eine recht bedeutende Konkurrenz. Als ich mich anfangs dafür aufthat, wurde ich oft von älteren und stärkeren zurückgedrängt, die mir zuriefen: „Fort mit Dir! Es ist nicht der arme Jack — ich bin der arme Jack!“ Ich liess mir dies anfangs gefallen und hielt mich an die verirrten Halbpence, die mir gelegentlich zugeworfen wurden, dabei auf meine Behendigkeit bauend. Ich kriegte nie Streit mit andern Knaben, da meine Gutmütigkeit allbekannt war, und erst die Bedrückung weckte in mir die Idee des Widerstandes. Einer der Knaben, der älter und grösser als ich war, versuchte mir ein Sechspencestück zu entreissen, das ich durch meine Hurtigkeit gewonnen hatte.

      Früher hatte ich mir nichts daraus gemacht, wenn ich weggedrängt oder sogar mit Wasser und Schlamm beworfen wurde; aber dies war ein Akt der Gewaltthätigkeit, den ich mir nicht gefallen lassen konnte. Die Folge davon war eine Balgerei, in welcher ich zu meiner eigenen grossen Überraschung (denn ich kannte meine Stärke nicht), wie auch zur Verwunderung aller Umstehenden, Sieger blieb. Ich zerbläute meinen Gegner, bis er ins Wasser taumelte, setzte ihm zu, bis er stürzte und drückte dann seinen Kopf in den Schlamm, bis er fast erstickt war. Dann liess ich ihn los, worauf er heulend zu seiner Mutter nach Hause ging. Für diese Heldenthat wurde ich mit dem Beifall der alten Pensionäre und anderer Zuschauer, wie auch mit einem Schilling, der mir aus dem Fenster des Wirtshauses zuflog, belohnt. Ben, der Walfischjäger, der den Strauss mit angesehen, sagte mir am andern Tage, dass ich meine Fäuste merkwürdig gut gebraucht habe; ich solle nur höhere Parade halten und werde dann einen trefflichen Kämpfer abgeben. Er war selbst ein alter Boxer und gab mir einige Anweisungen, die ich nicht vergass, und bald nachher in praxi auszuführen Gelegenheit hatte. Zwei Tage später stiess mich ein anderer mir an Grösse überlegener Knabe, während ich mich als „armer Jack“ geltend machen wollte, so derb beiseite, dass ich die Treppen hinunter ins tiefe Wasser fiel und daher die Lacher gegen mich hatte. Aus dem Untertauchen machte ich mir nichts, aber das Gelächter konnte ich nicht ertragen. Sobald ich daher die Treppen wieder gewonnen hatte, stürzte ich auf ihn zu und warf ihn hinunter, so dass er in eine Fähre fiel und sich, wie nachher gefunden wurde, den Rücken sehr beschädigte. Demungeachtet kam er wieder heraus, um mich zu zerbläuen, und jetzt gab es eine regelmässige Boxerei, da die Pensionäre und Fährleute sich ins Mittel legten, uns beide nach dem höheren Grunde nahmen und ein ehrliches Spiel überwachten. Ben, der Walfischjäger, übernahm die Rolle meines Sekundauten, und wir griffen an. Ohne die erlittene Verletzung und die Lehren, die mir Ben erteilte, als ich zwischen jedem Gange auf seinem Knie sass, wäre mein Gegner viel zu mächtig für mich gewesen. Dennoch gab es einen sehr harten Strauss, ich wurde furchtbar zerschlagen — aber ich konnte nicht nachgeben, da so viele auf meinen Sieg gewettet hatten, und Ben sagte mir am Ende eines jeden Ganges, wenn ich nur noch ein einziges Mal aushalte, werde ich des Sieges sicher und der arme Jack für immer sein. Diese letztere Andeutung spornte mich zur äussersten Kraftanstrengung. Wir kamen scharf ins Handgemenge; mein Gegner wurde geworfen, ohne wieder aufstehen zu können, da er jetzt die Folgen seiner früher erlittenen Beschädigung aufs empfindlichste verspürte. Der arme Bursche! Er litt grosse Schmerzen, wurde nach Hause getragen und musste ärztlichen Beistand brauchen, da sich ein Abscess in seiner Seite bildete. Es stand lange an, bis er wieder gesund wurde, und als er wieder herauskam, war er so bleich, dass ich herzliches Mitleid mit ihm hatte. Wir waren nachher stets die besten Freunde, ich gab ihm manchen Halbpenny, bis ich endlich Gelegenheit hatte, ihm wirksamer zu dienen.

      Ich erwähnte diese beiden Kämpfe, weil sie mir einen grösseren Ruf verschafften, als ich verdiente. Dieser Ruf ersparte mir ohne Zweifel noch viele weitere Schlachten und sicherte mir die Meisterschaft über die andern Knaben am Ufer. Die Fährleute gewannen mich so lieb, dass sie alle übrigen Jungen wegzuschicken pflegten, und so war ich endlich der anerkannte, echte, gesetzliche und legitimierte „arme Jack von Greenwich“.

      Neuntes Kapitel.

      In welchem ich gegen die angenommene Regel der Seefahrerkunde einen Kreuzzug mache. Bei meiner Rückkehr von einer kalten Expedition treffe ich auf einen kalten Empfang.

      Kaum hatte ich mir den unbestrittenen Besitz eines Amtes verschafft, als ich auch hinreichend Geld gewann, um mich ganz unabhängig von meiner Mutter zu machen. Gelegentlich verschaffte ich mir aus dem Laden eines alten Weibes, die mit allem nur Erdenklichen handelte, eine alte Jacke, Beinkleider und ein paar Schuhe, und wenn ich Kalfaterwerk oder triftig gewordene Holzstücke auflas, pflegte ich meine Beute an die alte Nanny (denn dies war der einzige Name, unter dem die Hökerin bekannt war) zu verkaufen. Meine Mutter hatte durch ihre schlimme Gemütsart und ihr ewiges Gezänk mit den Nachbarinnen alle ihre Hausleute vertrieben, so dass sie sich jetzt auf das Waschen feiner Leinwand verlegen musste, eine Beschäftigung, auf die sie sich gut verstand und die ihr viel Geld einbrachte. Ich muss ihr die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass sie eine sehr fleissige Frau und in manchen Dingen sehr geschickt war. Sie machte auch Kleider und Hauben für die niedrigere Volksklasse, die sehr mit ihren Leistungen zufrieden war, und arbeitete eifrig für sich und meine Schwester, deren Anzug und Äusseres sie sich mehr als je angelegen sein liess, denn sie erzeigte Virginia eben so viel Liebe, als sie mir Hass bewies. Wer mich in meinen alten, bis an die Kniee aufgeschlagenen Hosen, in meiner zerrissenen Jacke und in meiner vom Wasser gesteiften Kappe neben der reinlich und sogar luxuriös gekleideten Virginia stehen sah, würde nie geglaubt haben, dass wir Geschwister wären. Die Mutter suchte zwar stets Virginia davon abzuhalten, dass sie mir Aufmerksamkeit erwies, wenn wir uns je auf der Strasse begegneten; aber die Schwester liebte mich mit jedem Tage mehr und pflegte, ungeachtet der mütterlichen Vorstellungen, sobald sie mich sah, auf mich zuzueilen und mit ihrem hübschen Händchen meine schmutzige Jacke zu pätscheln, so dass ich eigentlich stolz auf Virginia war. Sie wurde täglich schöner und hatte einen so guten Charakter, dass selbst die Mutter ihn nicht zu verderben vermochte.

      Ich hatte mir den unbestrittenen Posten des armen Jack im Herbste erkämpft, im Winter darauf stiess mir ein Abenteuer zu, das, wie der Leser zugeben wird, durchaus nicht angenehm war und beinahe eine Amtserledigung zum Besten eines andern herbeigeführt hätte.

      Es