Perlhuhnfedern. Walther von Hollander. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walther von Hollander
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711474679
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ich böse.

      «An jenem Abend, als er mich anrief, sagte er: Es ist nicht die Zeit, daß man warten und warten kann. Und ich antwortete ihm: Wenn ich’s überstehe ... ich meinte den Angriff ... aber ich habe nie gedacht, daß mir was passieren könnte. Und mir ist ja auch nichts passiert. Weißt du noch, daß wir lachten, als wir zusammen auf dem Dach in der Landgrafenstraße saßen und das Nebenhaus löschten?»

      «Du sahst auch sehr komisch aus in deinem Trainingsanzug mit dem blödsinnigen Stahlhelm auf dem Kopf.»

      Wir mußten auch jetzt wieder beide lachen. Wir lachten schallend und etwas alkoholisch. Lachtränen liefen ihr über die Wangen, und plötzlich wurden es richtige Tränen. Sie verwandelten sich in einer Sekunde in Schmerztränen. Aber sie tat noch so, als lachte sie, wischte sich die Tränen ab und sagte wieder in ihrem gewöhnlichen Ton: «Damals war er schon tot.»

      Sie erhob sich, legte mir beide Arme um die Schultern, sie lächelte ganz zart. Sie sagte: «Was soll man daraus lernen? Sag mir doch, was man daraus lernen soll!»

      Ich antwortete nicht und versuchte, ihre Arme von meiner Schulter zu nehmen. Aber sie klammerte sich ganz fest. «Was soll man daraus lernen?»

      «Laß das», sagte ich.

      «Nicht wahr, es gibt nur eins, daraus zu lernen? Ein kleines Gefühl ... vielleicht kann ein großes daraus werden. Vielleicht. Oder? Man kann doch nicht warten in dieser Zeit.» Mir wurde ganz kalt. Ich sagte, ich müsse nun wirklich gehen. Wieder klatschte der Regen gegen das Holz. Sie nickte nach dem Fenster hin. Das sollte heißen, ich könne jetzt nicht gehen. Aber ich riß mich los. Ich zog fröstelnd meinen Mantel an. Sie stand blaß und sehr nachdenklich vor dem Tisch, hob die Flasche gegen das Licht.

      «Leer», sagte sie. «Kein Tropfen mehr drin. Du kannst beruhigt gehen.» Sie reichte mir die Hand.

      «War doch nett, dich zu sehen nach so langer Zeit.»

      «Gesine ... ich ... ich möchte doch nicht gehen.»

      «Leb wohl! Schau mal wieder ’rein.»

      Sie begleitete mich die Treppe hinunter und schloß auf. Es regnete gerade nicht. Aber in den Traufen tröpfelte es noch. Man sah über den Trümmern ein paar Sterne. Gesine legte den Kopf ganz leicht gegen meine Schulter, rieb ihre schöne, kluge Stirn an meinem Mantel. Sie sagte leise: «Ich danke dir von Herzen.»

      «Wofür?»

      Sie blickte auf. Ein ganz klein wenig Helligkeit war in ihren Augen, so, als spiegelten sich die verlorenen Sterne darin. «Für die Perlhuhnfedern.» Und ehe sie die Tür zuschloß, fragte sie noch: «Meinst du ... meinst du wirklich, eines Tages ist man nicht mehr verzweifelt?»

      «Das bestimmt, Gesine.»

      «Unwiederbringlich», sagte sie. «Merkwürdig. Es ist doch das schwerste Wort, das bleiernste.»

      «Ich weiß nicht», sagte ich, «ich finde es nicht so bleiern. Mehr schattig. Aber auch ein Trost drin. Du lebst doch.»

      Sie sah mich zweifelnd an. «Ja?» fragte sie zaghaft.

      «Ja, ja», sagte ich.

      Sie lächelte, seufzte und schloß die Tür.

      Ich schlug den Mantelkragen hoch. Die Sterne waren schon wieder weg, und hinter den Trümmern hob sich jaulend der Herbstwind. Seltsam, nicht wahr, daß mir eigentlich leicht und froh zumute war. Vielleicht war es der Schnaps.

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