Der Frauenarzt - Unterhaltungsroman. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726444803
Скачать книгу

      „Können wir den Leib aufschneiden und uns Gewißheit verschaffen. Sonst nichts. An eine zweite Operation ist nicht zu denken.“ Professor Hartwig erhob sich müde. „Dich, Günther, mache ich dafür haftbar, daß in der Klinik nicht gequatscht wird. Sprich mit Hartenstein, sprich mit der OP-Schwester. Alles hängt jetzt von deiner Geschicklichkeit ab.“

      Dr. Gorskis dunkle Augen öffneten sich weit in ungläubigem Staunen. „Du willst den Fall vertuschen?“

      „Noch gibt es keinen Fall, Günther. Ich lehne es ab, auch nur daran zu denken, daß mein Oberarzt so versagt haben könnte.“ Er legte seine Hand mit einer fast hilfesuchenden Geste auf Dr. Gorskis Schulter. „Es geht ja nicht nur um das Leben der Patientin, nicht nur um den Ruf meiner Klinik . . . es geht vor allem um das Glück meiner Tochter! Du kennst Vera, und du weißt, wieviel sie mir bedeutet. Bisher habe ich jeden Kummer, jeden Schatten einer Sorge von ihr ferngehalten. Ich kann nicht zulassen, daß ausgerechnet heute — am Tag ihrer Hochzeit — ihr ganzes Glück durch einen dummen und schrecklichen Zwischenfall zerstört wird.“

      „Ich verstehe“, sagte Dr. Gorski mit schmalen Lippen.

      „Danke, Günther. Du bist mir jetzt verantwortlich . . . verantwortlich auch dafür, daß Klaus rechtzeitig zur Trauung erscheint. Wenn nötig, schleppe ihn mit Gewalt hin, sorge dafür, daß jemand anders, vielleicht Hartenstein, die Wache bei der Patientin übernimmt!“

      2

      Vera Hartwig war ahnungslos, strahlend und beschwingt, als sie am Morgen mit ihren Eltern zum Standesamt fuhr.

      Sie saß hinten in dem mit Blumengirlanden geschmückten Wagen neben ihrer Mutter, die kein Auge von der blühenden Schönheit ihrer Tochter lassen konnte und immer wieder sanft ihre Hand streichelte.

      „Wollen wir nicht rasch in die Klinik schauen und Klaus abholen? Ach ja, bitte!“ Vera beugte sich vor, legte ihre schmale bräunliche Hand auf die Schultern des Fahrers. „Halten Sie vor dem großen Tor, Herr Schmitz, ja?“

      „Kommt nicht in Frage, fahren Sie weiter, Schmitz!“ entschied der Professor, der vorn neben dem Fahrer saß. „Getrennt marschieren und vereint schlagen . . . das gilt nicht nur für den Krieg, sondern auch für die Hochzeit!“

      „Es bringt Unglück, wenn der Bräutigam die Braut vor der Trauung im Hochzeitsstaat sieht, das weißt du doch, Liebling“, sagte Claudia Hartwig.

      „Schade!“ Vera ließ sich in die Polster zurücksinken und schwieg während der weiteren Fahrt.

      Der Fahrer hatte den Wagen vor dem Standesamt, einem schönen alten Haus in der Hofgartenstraße, gestoppt, stieg jetzt aus und öffnete die Türen.

      Er half zuerst der jungen Braut heraus, und als sie — leichtfüßig in ihren kleinen weißen Atlasschuhen — auf den Bürgersteig sprang, ging ein Raunen durch die Zuschauer, eine kleine Gruppe Neugieriger, die sich wie fast immer zusammengefunden hatte.

      Vera richtete ihren Schleier, lächelte nach allen Seiten. Sie trug ein Kleid aus echten Brüsseler Spitzen, das die schmale Taille, den kleinen festen Busen und die hübschen geraden Schultern betonte, um dann in einen weiten, schwingenden Rock auszulaufen. Auf ihrem schwarzen schimmernden Haar saß eine weiße Spitzenkappe, an der ein Myrtenkranz und der lange hauchdünne Schleier befestigt waren. Sie sah zauberhaft aus, und sie wußte es, aber das störte den Eindruck nicht — Vera Hartwig war an Bewunderung gewöhnt, und sie genoß sie mit der Naivität eines verwöhnten Kindes.

      Sie hätte sich gern noch länger dem staunenden Publikum gezeigt, aber ihr Vater schob seine Hand unter ihren Arm und führte sie in das Standesamt.

      „Warum denn?“ schmollte Vera. „Klaus muß doch jeden Augenblick kommen.“

      „Du wirst noch genug Gelegenheit haben, dich zu präsentieren“, sagte Professor Hartwig. „Denk an die kirchliche Trauung mit all den vielen Menschen und an das Galadiner im Parkhotel! Erst wenn wir die standesamtliche Trauung überstanden haben, geht es ja richtig los.“

      „Auch wieder wahr“, gab Vera zu. „Wieviel Uhr ist es, Mutti?“

      „Fünf Minuten vor.“

      „Dann könnte Klaus doch eigentlich schon hier sein! Vielleicht ist er drinnen?“

      Vera riß ohne weiteres die Tür zum Trauungszimmer auf.

      Der Raum war bis auf einen Mann im dunklen Anzug, der ganz vorn hinter einem Tischchen saß, leer.

      „Oh, pardon!“ rief Vera.

      Der Standesbeamte erhob sich, verbeugte sich leicht. „Macht gar nichts“, sagte er lächelnd, „Sie sind für neun Uhr aufgeboten, nehme ich an? Dann treten Sie doch, bitte, ein!“

      Vera folgte etwas zögernd dieser Aufforderung, Professor Hartwig und seine Frau schritten gemessen nach.

      „Mein Bräutigam ist noch nicht da“, sagte Vera, „ich dachte schon . . .“

      „Er wird bestimmt gleich kommen! Treten Sie nur ein, nehmen Sie Platz . . . wir haben ja noch Zeit!“

      Vera fühlte sich auf einmal seltsam beklommen.

      Dr. Berg und Dr. Gorski, beide im Smoking, beide ihre Mäntel über dem Arm, stürmten die Treppe der Klinik hinunter.

      Im ersten Stock blieb der Oberarzt plötzlich stehen. „Einen Moment noch, Günther“, sagte er, „ich will nur eben . . .“

      „Nein. Du kommst jetzt mit“, sagte Gorski energisch. „Es ist gleich neun. Du willst doch wohl nicht zu deiner eigenen Hochzeit zu spät kommen!“

      „Laß mich nur eben noch einen Blick auf Frau Rainer werfen!“

      „Wozu? Hartenstein ist bei ihr. Es ging, ihr heute früh relativ gut . . .

      „Trotzdem!“ Dr. Berg hatte schon die Türklinke in der Hand. „Ich habe keine ruhige Minute, bevor ich mich nicht überzeugt habe . . .“

      Dr. Gorski blickte auf seine Armbanduhr. „Na gut. Aber mach schnell. Ein Mädchen wie Vera läßt man nicht warten, schon gar nicht an solch einem Tag!“

      Klaus Berg hörte ihm nicht mehr zu. Er hatte die Tür zum Krankenzimmer geöffnet, trat mit großen Schritten ein. Dr. Hartenstein, der neben dem Bett der Patientin gesessen hatte, stand auf.

      „Wie steht’s?“ fragte Berg.

      „Nicht besonders.“

      Er ergriff das Handgelenk der Patientin, die sehr blaß, mit geschlossenen Augen dalag. Ihr Puls flatterte. „Verdammt“, stieß er durch die geschlossenen Zähne.

      Er legte die Hand auf die Stirn Brigitte Rainers und fühlte kalten Schweiß.

      „Na, was ist? Kommst du?“ rief Gorski von der Tür her.

      „Nein, tut mir leid“, antwortete Berg ohne sich umzudrehen.

      „Was heißt das?“

      „Das ich jetzt nicht fort kann!“

      „Aber du mußt! Es ist höchste Zeit!“

      Dr. Berg drehte sich kurz um. „Tu mir den Gefallen, fahr du!“

      „Und was soll ich Vera . . . was soll ich dem Professor sagen?“

      „Bitte sie zu warten. Ich werde sobald als möglich nachkommen!“

      Für eine Sekunde blitzte Triumph in den dunklen Augen Dr. Gorskis auf, aber sofort senkte er die Lider. „Na, wie du willst.“

      Dr. Berg warf seinen Mantel über einen Stuhl, seine Smokingjacke hinterher. „Ich werde der Patientin eine kreislaufanregende Spritze geben, wenn nötig Sauerstoff . . . wie lange liegt sie schon in diesem Zustand?“

      „Seit etwa zehn Minuten geht es ihr schlechter“, gab Dr. Hartenstein Auskunft.

      Dr. Berg konnte ein Stöhnen nicht