Ewige Jugend. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711472927
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aufzusuchen?“

      „Hab’ die Ehre. Nöt grad als Besuch, wohl aber als Hausgenosse. Bis zu diesem Morgen bin ich im Meraner Hof noch gebunden gewesen, jetzt hab’ ich mich freigemacht und bin in das Parthotel übergesiedelt!“

      Der Ausdruck in Weltens Gesicht war undefinierbar, beinah so, als wenn ein ahnungsloser Spaziergänger unversehens mit Lackschuhen in eine Pfütze tritt.

      „Ah! Sie überraschen mich! — Und doch ist Ihr Geschmack begreiflich. Man wohnt in jeder Beziehung vortrefflich hier oben.“

      „Auch selbiges. Es fangt an, recht heiss in Meran zu werden.“ Er nahm ungeniert Platz und präsentierte mit dem obligaten Griff in die Brusttasche sein massives Zigarettenetui.

      Abermals dankte der Oberst, und der Kroate fuhr unbeirrt fort: „Von daheim bin ich die warme Luft nöt gewöhnt. Zuerst vermein’ ich immer, sie würgt mich dahier. — Kennens sich vielleicht auf unser schönes Kroatien aus?“

      „Nein, nein! So weit habe ich meine Reisen noch nicht ausgedehnt. Aber ich habe gerade hier in Österreich viel Anerkennendes über das Land gehört.“

      „Für gewöhnlich stellt man es sich halb wie eine Wildnis vor —“ der Sprecher reckte sich nonchalant aus und bestrebte sich ersichtlich, ein grammatikalisches Deutsch zu sprechen —, „aber es trefft nicht zu. Fruchtbar ist’s bei uns, und Landstriche haben wir, wo es besseres Klima ist, wie hier in Meran — nur nöt so elegant. Besonders an der Küste. — Aber man kennt sich noch nicht aus auf uns.“

      „Die Industrie entwickelt sich ja jetzt, wie ich hörte, in sehr beachtenswerter Weise; dadurch hebt sich auch der Verkehr.“

      „Danach frag’ ich nöt viel. Ein Kaufmann bin ich nicht.“

      „Aber Soldat?“

      „Dös i a Frosch wär!“ — Gaj Gyurkovics lachte hell auf und schlug sich mit der derbknochigen Hand klatschend auf das Bein.

      „Die Zeiten sind für die Gyurkovics mal gewesen! Ja, früher, da habens meine Voreltern auch zu den Offiziersfamilien gehört, und selles ist für uns Nachkommen gut gewesen. Verstehens, Baron, dös war dazumal, als um achtzehnhundertundfünfzig herum die Militärgrenz’ gegen die Türkei sollt auf alle Fälle gefestigt werden; da ist mein Vater und Grossvater — Gott habs beide selig — mit erblichem Grundbesitz ausgestattet worden — so a Landadel habens schaffen wollen, und ist auch geglückt. Wies beide zum Sterben kommen sind, hab’ ich’s geerbt; war der einzige von vier Geschwistern, der dermalen die schwarzen Blattern überstanden hat.“

      Der Sprecher rauchte behaglich noch ein paar dicke Wölkchen und warf die Zigarette in den Aschbecher, nachdem er sich zuvor eine neue daran angesteckt hatte.

      „Mit der Landwirtschaft ist’s gut bei uns; die hat einen goldenen Boden. Bis ans Ivantschitzkagebirge zieht sich mein Besitz heran. Der Jagd wegen hat’s mein Vater nach dort gestreckt — vom Grossvater her habe ich auch noch Ländereien an der Unna, die sind fruchtbar, die halt ich um des Geldes willen.“

      Der Oberst verneigte sich abermals stumm, mehr höflich zustimmend als interessiert, und dem kroatischen Edelmann schien das gerade recht zu sein, denn er fuhr jovial fort: „Dermalen konnten sich die Offiziere an Land nehmen, wie’s beliebte, da gab es noch kein so strenges Mass — fürnehmlich nicht im Gebirge. — Im Uskoken wohl schon eher, aber bei uns droben, da habens die Behörden noch die Hand küsst, wenn einer hat Ordnung schaffen wollen.“

      „Der Unsicherheit wegen? Das Räuberwesen blüht noch immer?“

      „Nöt grad’ Diavolos und Rinaldinis, aber Schmuggler, die sich da eingenistet haben. Wanns türkischen Tabak führen, na, da druckt ma schon ein Auge zu! — Aber mein Vater selig war noch zu hitziges Soldatenblut, der wollte ihnen dös Paschen überhaupt legen, — davon hat er den Tod g’habt.“

      „Es wird sehr viel aus der Türkei herübergeschmuggelt?“

      „Hinüber und herüber, — was da grad’ not tut. I frag’ nöx danach.“

      „Sie sind sehr selbständig dort?“

      „Selbständiger wie gar mancher König. I frag’ nach keinerlei Erlaubnis. Was i mag, dös tu i, und was i nöt mag, dös lass i. — Da gibt’s nur einen Willen, dös ist der meine.“

      „Wie seltsam muss es Ihnen dann hier in geordneten Verhältnissen unter strenger Obrigkeit vorkommen?“

      „Nöt zum Schlechten. Ich bin gern hier.“

      Der Sprecher ruckte sich ganz manierlich empor und sprach wieder, so gut es anging, ein Salondeutsch: „Dass Ordnung sein muss, weiss ich. Daheim halt ich sie, hier nehmen mir andre die Mühe ab. So ein elegantes Leben gefällt mir. Nach Herkulesbad reis’ ich meistens im Sommer für ein paar Wochen, aber man trifft wenig Deutsche, Engländer und Amerikaner dort, meist nur Balkan, — und grad’ das feinere Europa reizt mich hier im Tirol.“

      „Es sind viele Amerikaner, auch Franzosen hier im Hotel, scharmante Leute, ganz besonders die Damen; Sie werden sich gut unterhalten.“

      Der Oberst lobte sehr eifrig, aber Gaj Gyurkovics sah ihn nur mit den starren Schwarzaugen gleichgültig an. „Am besten von allen Damen, die ich je geschaut, gefallt mir Ihre Nichte“, sagte er ungeniert. „Schon im Theater habe ich mir gesagt: Sie ist die Schönste, grad’ was du suchst.“

      Herr von Welten schien die letzten Worte völlig überhört zu haben; er stäubte sehr umständlich ein wenig Zigarrenasche, die auf seinen Rock gefallen, von dem Ärmel ab. „Meiner armen Nichte geht es nach wie vor wenig gut“, sagte er gelassen. Der Nervenschock war doch einschneidender, als man dachte. Die Ärzte haben vollkommene Ruhe verordnet.“

      „Macht nix. I für meine Person kann warten, bis die Gnädige wieder mobil ist. „La donna è mobile“ — er lachte breit und behaglich. „Just auf dem Promenadkonzert habens dös heut gespielt.“

      „Wir fürchten, dass die Ärzte sie noch in ein andres Bad schicken werden.“

      „Grad’ interessant. Hab’ mir immer schon gewünscht, mal ein bisserl was Neues zu schaun. Gaj Gyurkovics, hab’ ich zu mir gesagt, heuer hat’s eine Ernte gegeben zum Verlieben, und das Kapital ist arg im Säckel hochgewachsen, was sollst du daheimsitzen? Schau dir die Welt an und hol’ dir ein Weib heim, denn du bist ein reicher Mann und kannst Weib und Kind ernähren, wie kein zweiter.“

      Der Blick des Sprechers zwinkerte listig forschend unter den buschigen Brauen zu dem Oberst empor, der wie ein Bild aus Stein, mit einer Miene, die nicht das geringste Interesse verriet, dem unliebsamen Hotelzuwachs gegenübersass.

      Da eine kleine Pause entstand, musste er anstandshalber etwas erwidern.

      „Es ist seltsam,“ sagte er gelassen, „dass heutzutage die Heiratslust bei dem männlichen Geschlecht viel lebhafter ist als bei den Damen. Ein Bekannter von mir sucht schon seit geraumer Zeit eine Lebensgefährtin und kann keine finden, beziehungsweise es zu keiner Verlobung bringen.“

      „Schauens, dös begreif’ i nöt!“ Gaj Gyurkovics schlug das Bein über und rückte sich behaglich in seinem Sessel zurecht.

      „Hot der Herr denn noch ka Madel gefunden, von der er sich allsogleich sagte: ‚die soll’s sein!‘?“

      „Das wohl schon, — aber daran allein, dass der Mann seine Wahl trifft, liegt’s doch nicht! Zum Heiraten gehören bekanntlich zwei.“

      „Dös schon!“ Der Kroate sagte es mit ein paar so erstaunten Augen, als begriffe er nicht recht, dass ein so Selbstverständliches überhaupt erwähnt werde. „Der Mann muss halt sein’ Antrag stellen.“

      „Und wenn er abgewiesen wird?“

      Nun sah der Bergkönig des Ivantschitzka vollends erstaunt aus.

      „Ja, hat denn Ihr Bekannter wie an Aff’ ausgeschaut?“

      „Durchaus nicht. Er war ein eleganter, recht stattlicher und feingebildeter