Elfenzeit 7: Sinenomen. Susanne Picard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Picard
Издательство: Bookwire
Серия: Elfenzeit
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783946773306
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bin mir bewusst, über wen wir reden.« Anne löste sich aus seinem Griff. »Aber dir scheint nicht bewusst zu sein, mit wem du redest. Ich bin eine Dämonin, Robert. Nicht Gefühle beherrschen uns oder Elfen, sondern die Gesetze unserer Welten.«

      »Aber du fühlst etwas.« Am Rande nahm Robert wahr, dass Nadja sich Stück für Stück näher an den Tunnel heranschob. Catan war abgelenkt, auch die anderen beiden Elfen achteten nur auf die Auseinandersetzung vor ihren Augen. Robert wusste, was er zu tun hatte.

      »Du fühlst etwas«, wiederholte er. »Du hast Dinge für mich getan, die riskant waren und dir keinen Vorteil verschafft haben.«

      »Ich hatte meine Gründe.«

      »Deine Gründe waren Gefühle, verdammt noch mal!« Robert versuchte nicht zu Nadja zu blicken, um sie nicht zu verraten. »Stell dir vor, Bandorchu hätte auf mich ein Kopfgeld ausgesetzt. Würdest du mich ausliefern? Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du das tun würdest. Dann glaube ich dir, dass du nichts fühlst und dass alles, was uns verbindet, nur in meiner Phantasie existiert.«

      Anne richtete ihren Blick auf die Wand. In ihren Augen lag ein seltsamer Ausdruck, den er nicht deuten konnte.

      Catan seufzte. »Ich würde das gern abkürzen.« Seine Stimme wurde lauter. »Brandubh, Naoghas, nehmt die Menschen gefangen. Tut dem Kind nichts!«

      Er drehte den Kopf, doch der Platz, an dem Nadja eben noch gestanden hatte, war leer. Fluchend fuhr er herum, sah sie fast am Eingang des Tunnels stehen.

      »Lauf!«, schrie Robert. Er warf sich Catan entgegen. Der Elf wich ihm aus und riss das Knie hoch. Robert glaubte den Schmerz schon zu spüren, doch seine Fäuste schossen vor, so schnell wie seine Gedanken, und hämmerten den Tritt nieder.

      Catan stolperte und verzog das Gesicht.

      »Brandubh!«, rief er.

      Ein Ast schoss an Robert vorbei, wickelte sich um Nadjas Hüften und zog sie zurück in die Höhle. Sie reagierte, legte Talamh auf eine der Kisten und schlug wild auf das Holz ein. Brandubh stemmte sich gegen sie. Der Ast war aus seinem rechten Arm gewachsen. Nun hob er die linke Hand. Eine Liane entrollte sich wie eine Peitsche aus seiner Handfläche.

      Robert stieß sich ab. Aus dem Stand überwand er die mehr als drei Meter und prallte mit voller Wucht gegen den Elfen. Der Schwung warf sie beide zu Boden. Nadja schrie auf, als sie gegen einen Kistenstapel geworfen wurde. Sperrholz krachte, Obst zerplatzte. Es roch plötzlich nach Orangen.

      Die Peitsche in Brandubhs Hand zuckte auf Robert zu. Kein Mensch hätte den Schlag abfangen können, doch er griff in genau dem richtigen Sekundenbruchteil zu. Die Liane wickelte sich um seinem Arm. Mit einem Ruck riss er sie in der Mitte durch. Grüner Pflanzensaft spritzte über seine Brust. Brandubh begann zu schreien.

      Robert rammte ihm den Ellenbogen in den Magen. Etwas knackte laut. Die Schreie verstummten.

      Er kam auf die Beine und drehte sich um. Naoghas, der Elf mit der Reptilienhaut, ging auf Nadja zu, die verzweifelt versuchte, sich von dem Ast zu befreien. Catan stand etwas abseits, Anne ebenfalls. Sie wirkte unsicher, so als wüsste sie nicht, auf welcher Seite sie eingreifen sollte.

      »Du weißt, was du zu tun hast«, sagte Catan in diesem Moment.

      Robert kümmerte sich nicht um ihn. Er musste Nadja helfen. Ein weiteres Mal stieß er sich ab. Seine Muskeln gehorchten jedem seiner Befehle. Seine Fäuste bewegten sich so schnell wie die Gedanken, die sie antrieben. Er fühlte sich unverwundbar, stark und mächtig. Er fühlte sich frei.

      Doch dann sah er Nadjas Blick. Sie starrte nicht den Elfen an, der zischelnd und lauernd wie eine Schlange auf sie zuging, sondern Robert. Er sah Entsetzen, Trauer, Wut und – er war sich nicht ganz sicher – etwa Mitleid?

      »Ich wollte es dir sagen.« Mit einem Tritt zerbrach er den Ast, der Nadja festhielt. »Wirklich.«

      Sie fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht und wich zurück, als Naoghas knurrte. Stacheln schoben sich aus seinen Wangenknochen, Schultern und Ellenbogen.

      »Kümmere dich um Talamh«, sagte Robert, als er sich zwischen Nadja und den Elfen stellte. »Ich erledige das.«

      Sie kletterte aus den Holzresten heraus, ohne etwas zu sagen. Naoghas sah kurz zu ihr herüber, dann konzentrierte er sich auf Robert. Der winkte ihn heran. »Na, mach schon.«

      Der Schlag traf ihn unvermittelt. Etwas schlug mit solcher Macht in seinen Rücken, dass er glaubte, die Wirbelsäule würde zertrümmert. Robert wurde gegen Naoghas geschleudert, entging nur knapp dessen Stacheln.

      Er rollte sich herum. Brandubh stand über ihm. Seine Fäuste waren so groß wie Bowlingkugeln und aus dunklem Holz. Sie hingen von Armen herab, die fast bis zum Boden reichten.

      »Ich sterbe nicht so schnell«, sagte Brandubh.

      »Gut für dich«, erwiderte Robert und trat ihm die Beine unter dem Körper weg. Der Elf konnte sich mit seinen überlangen Armen nicht halten und stürzte. Robert warf sich zur Seite. Einen Augenblick dachte er, Brandubh würde in Naoghas’ Stacheln fallen, aber der Reptilienelf kam bereits wieder auf die Beine. Er wich Roberts nächstem Schlag aus und schlug einen Haken, der ihn zwischen Nadja und Talamh brachte.

      Sie griff nach einer der zerbrochenen Kisten und zog einen langen Sperrholzsplitter heraus. Drohend ging sie auf ihn zu. Der Elf blinzelte, als ob er nicht einer Gegenwehr gerechnet hätte.

      Catan tauchte plötzlich neben Naoghas auf. Er schien vor Roberts Augen zu verschwimmen. Seine Kleidung löste sich auf, sein Kopf wurde größer, seine Schultern breiter. Seine Hände verwandelten sich in Pranken, sein Mund schob sich vor, wurde zum Maul.

      Er ist ein Panther!, erkannte Robert.

      Catan überragte ihn um mehr als einen Kopf. Er brüllte, stieß Nadja mit einer Pranke zur Seite und griff nach Talamh. Der Junge begann zu weinen. Catan packte ihn und jagte mit katzenhafter Schnelligkeit in den Gang hinein.

      »Nein!«, schrie Nadja. Sie kam vom Boden hoch, den Splitter immer noch in der Hand. Naoghas versperrte ihr den Weg. Sie schlug nach ihm, aber er wich aus.

      Brandubh nutzte Roberts Unaufmerksamkeit und kam ebenfalls hoch. Seine Arme verwandelten sich in ein Geflecht aus Dornen und Zweigen. Es hüllte ihn ein wie ein Kokon.

      Er will den Eingang des Tunnels versperren, begriff Robert. Er warf sich gegen ihn, aber die Dornen rissen seine Haut auf und die Zweige federten den Aufprall ab. Brandubh stolperte noch nicht einmal.

      Robert sah zu Nadja. Naoghas schien mit ihr zu spielen. Er trieb sie zurück, ließ sie kommen, wich ihren Stichen aus und setzte wieder nach. Sie war verzweifelt, kam aber nicht an ihm vorbei.

      Als Anne hinter ihm auftauchte, blinzelte Robert nervös. Er befürchtete, sie wolle auf Naoghas’ Seite in den Kampf eingreifen, um ihre Verpflichtung doch noch zu erfüllen.

      Was mache ich nur?, fragte er sich, als sie zu einer Bewegung ansetzte, und dann presste sie die Hände gegen den Kopf des Elfen und brach ihm mit einem Ruck das Genick.

      »Wir rauben keine Kinder, und erst recht keine Neugeborenen«, sagte Anne laut. Dann sah sie Nadja an. »Folge Catan. Wir kümmern uns um den Rest.«

      Nadja ließ den Splitter fallen und verschwand in der Dunkelheit des Tunnels.

      Brandubh drehte sich, schien zu bemerken, dass er allein war. Robert näherte sich ihm von der einen Seite, Anne von der anderen.

      »Oh«, sagte der Elf.

      Nadja rannte durch den dunklen Tunnel. Die Schreie ihres Sohns hallten von den Wänden wider. Sie zerrissen ihr das Herz.

      Der Boden war so uneben, dass Nadja immer wieder stolperte, aber sie wurde nicht langsamer. Die Sorge um Talamh trieb sie voran, löschte jeden anderen Gedanken in ihrem Kopf aus, sogar den an Roberts Verwandlung. Später, wenn ihr Sohn wieder bei ihr war, würde sie darüber nachdenken. Und Talamh würde zu ihr zurückkehren, daran klammerte sie sich. Eine Alternative gab es nicht,