Joe Barry
Privatdetektiv Joe Barry - In die Enge getrieben
Saga
Privatdetektiv Joe Barry - In die Enge getriebenCopyright © 1961, 2019 Joe Barry und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711668948
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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1. Kapitel
Captain Tom Rowland von der Mordkommission Manhattan sah den kleinen Mann, der auf der Besucherseite seines Schreibtisches saß, fragend an.
,,Was kann ich für Sie tun, Mr. Henderson?“
„Ich befinde mich in einer unangenehmen Situation und wußte keinen anderen Ausweg, als Sie um Hilfe zu bitten. — Heute morgen erhielt ich mit der Post diesen Brief. Ich bin keineswegs sicher, daß es sich um einen verfrühten Aprilscherz handelt.“
Schweigend hatte Rowland ihm zugehört und betrachtete nachdenklich den länglichen Umschlag, den Henderson über die Schreibtischplatte schob. Dann zog er einen zusammengeflteten Briefbogen aus dem Kuvert. Der kurze Text war mit Schreibmaschine getippt. Der Captain las halblaut vor:
“Wir nehmen an, daß Sie Wert auf Ihre Gesundheit legen. Empfehlen Ihnen daher, am 10. Dezember nach Dienstschluß hunderttausend Dollar in kleinen, gebrauchten Scheinen im Fahrstuhl zu Ihrem Büro zu deponieren. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen oder die Polizei verständigen, empfehlen wir Ihnen, rechtzeitig Ihr Testament zu machen!“
Als Unterschirift trug der Brief die Zeichnung einer sich windenden Schlange mit aufgerichtetem Kopf. Offenbar war dieses Zeichen aufgestempelt worden.
„Erpressungsfälle dieser Art werden von Abteilung 13 im zweiten Stock bearbeitet, Mr. Henderson“, erklärte Rowland sachlich.
„Ja,aber . . .“
„Hier ist die Mordkommission, Mr. Henderson. Wir übernehmen den Fall erst, wenn der Erpresser seine Drohung wahrgemacht hat.“
„Das ist für mich aber reichlich spät.“
„Eben. Und deshalb müssen Sie sich in den 2. Stock bemühen.“ Tom wollte den Besucher zur Tür bringen, aber der gab nicht so schnell auf.
„Einen Augenblick, Captain! Mag sein, daß ich in der falschen Abteilung bin. Andererseits zahle ich im Jahr über hunderttausend Dollar Einkommensteuer und meine, ein Recht darauf zu haben, daß Sie mich anhören.“
„Ich hoffe, Sie verwechseln mich nicht mit dem Finanzamt“, erklärte Tom. „Wenn ein armer Schlucker ermordet wird, ist das für mich genau so ein Verbrechen wie der Mord an einem Millionär. Das nur nebenbei. Und jetzt bin ich bereit, Sie anzuhören!“
Henderson lehnte sich zurück.
„Ich habe Grund zu der Annahme, daß die in dem Brief ausgesprochene Drohung ernst gemeint ist.“
„ Wie kommen Sie darauf?“
„Ich bin im Ölgeschäft tätig, Captain. Das ist ein höchst respektabler Beruf, aber er hat den Nachteil, daß man sich eine Menge Feinde schaffen kann.“
,,Mit anderen Worten — Sie meinen, dieser Brief wäre nur eine Tarnung und mit der Absicht geschrieben, den Verdacht in eine falsche Richtung zu lenken, falls man Sie ermordet auffinden sollte?“
„Genauso ist es.“
„Haben Sie einen Verdacht, wer aus Ihrem Bekanntenkreis diesen Schrieb verbrochen haben könnte?“
„Leider nein.“
„Können Sie uns Ihre ,Feinde‘ nennen?“
„Das könnte ich, aber es würde Ihnen nicht viel nützen, da diese Leute untereinander ebenfalls verfeindet sind.“
Tom lächelte.
„Das scheint im Ölgeschäft auch üblich zu sein wie? Ihr Verdacht ist also das Ergebnis angestrengten Nachdenkens, ohne daß Sie Tatsachen anführen können.“
„Der Brief ist immerhin eine Tatsache!“
„Zugegeben. Aber Sie kommen nicht auf den Gedanken, daß hier jemand wirklich versuchen könnte, Sie zu erpressen, sondern legen sich eine ziemlich komplizierte Deutung über die Hintergründe dieses Briefes zurecht. Wenn Sie wollen, daß ich Ihnen helfe, müssen Sie es schon genauer ausdrücken. Wer, glauben Sie, steckt hinter der Sache?“ Rowland versuchte es jetzt auf direktem Wege.
„Ich weiß es nicht.“ Henderson biß nicht an. „Die Möglichkeit, daß mich jemand wirklich erpressen will, schließe ich deshalb aus, weil es viel reichere Leute gibt als mich. Damit bleibt nur noch eine einzige Erklärung, meine ich.“
Der Captain malte Figuren auf einen Löschbogen.
„Und darauf sind Sie ganz allein gekommen?“ fragte er ironisch. „Ein kriminalistisches Genie, wie? Sie können also nichts zu diesem Brief sagen, haben keine Ahnung, wer ihn geschickt hat und ob er ernst gemeint ist oder ob sich jemand einen schlechten Scherz mit Ihnen erlaubt. Sie glauben nur, daß ein böser Konkurrent Sie auf besonders raffinierte Art und Weise aus dem Weg räumen will. Müssen Sie ein reines Gewissen haben!“
„Ich bin im Ölgeschäft“, wiederholte Henderson schlicht.
Rowland stand auf.
„Warten Sie auf mich. Ich bin in ein paar Minuten wieder da.“
Er verließ das Büro, fuhr mit dem Paternoster in den zweiten Stock und betrat das Zimmer von Detektivsergeant Farell.
„Hallo, Mike!“ Tom gab dem Beamten den Brief. „Sehen Sie sich das hier an und sagen Sie mir dann Ihre Meinung dazu.“
Farell nahm den Brief und las ihn durch.
„Von der Sorte gibt es unzählige, Captain. Ich würde die Sache nicht übermäßig ernst nehmen. Warten wir ab, ob etwas geschieht.“
„Zuerst war das auch meine Meinung Mike.“ Rowland strich sich nachdenklich über das Kinn. „Aber etwas gibt mir zu denken.“
„Machen Sie’s nicht so spannend.“
„Der Gummistempel. Sehen Sie sich die Schlange an.“
„Ist gestempelt. Sieht ein Blinder.“
„Sie sind ein kluger Junge, Mike! Aber könnte man aus dem Vorhandensein des Stempels nicht schließen, daß der Erpresser noch mehr solche Briefe abzuschicken gedenkt?“
„Auch das wäre in dieser Branche ein alter Hut.“
„Ich nehme den klugen Jungen zurück, Mike. Merken Sie immer noch nicht, worauf ich hinauswill? Wenn meine Theorie stimmt, besteht höchste Lebensgefahr für Henderson; denn um eine derartige Serie von Erpressungen mit Erfolg zu starten, ist ein Mord als Abschreckung nötig. Die Leute, die in Zukunft derartige Briefe erhalten werden, sollen ein warnendes Beispiel vor Augen haben, damit sie zahlen. Ist das klar?“
„Klingt recht gewagt.“
„Was heißt ,gewagt‘“, sagte der Captain wegwerfend. „Allein die Aufforderung, die hunderttausend Dollar im Fahrstuhl zu deponieren, beweist das. Sie kann gar nicht ernst gemeint sein. Nichts ist leichter, als einen Fahrstuhl zu überwachen.“
„Ihre Theorie in allen Ehren“, knurrte Farell, „aber ich sehe noch nicht ein, warum wir von der Mordkommission uns darum kümmern sollen. Wenn mich meine Erinnerung an den Dienstplan nicht trügt, ist das ein klarer Fall für die Abteilung 13.“
„Dachte ich auch erst. Aber Henderson hat in einem Punkt recht: Für ihn käme jede Hilfe zu spät, wenn