Grablied mit dem Wort, so schwer,
Schloss mit: Nimmer-Nimmermehr!“
Doch da stets der Rabe machte
Dass mein krankes Herze lachte,
Alsogleich mit meinem Polster
Nach der Türe macht’ ich Kehr;
Dann aufs Kissen nieder sank’ ich,
Träume so an Träume schlang ich,
Und vertiefend mich, dacht’ lang ich,
Was der Vogel ungefähr,
Der gespenst’ge, hagre, grimme
Unglücksvogel ungefähr
Meine, krächzend: Nimmermehr.
Also grübelnd, sinnend lag ich;
Doch kein Wort zum Vogel sprach ich,
Dessen feur’ge Augen brannten
Mir ins tiefste Herz – und schwer
Von Gedanken, ließ ich neigen
Sich mein Haupt dann auf den weichen
Samt des Kissens, dass der bleichen
Lampe Schimmer mich nicht stör’,
Auf den Samt, darauf sich neigen,
Dass sie’s Lampenlicht nicht stör’,
Sie ach, wird doch nimmermehr!
Dann schien süßer Duft zu mengen
Mit der Luft sich, als ob schwängen
Engel ein unsichtbar Rauchfass,
Deren Fußtritt träte hehr;
„Armer! rief ich, Gott dir wendet
In den Engeln, dir gesendet,
Trost zu, dass dein Leid geendet
Um Lenore; leer’ drum, leer’
Des Vergessens Trank – gedenke
Ihrer nimmer, leer’ ihn, leer!“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
„Du Prophet, sprach’ ich, ohn’ Zweifel
Dies, ob Engel, oder Teufel,
Sprich, ob der Versucher sandt’ dich,
Ob dich Sturm hat von dem Meer
Einsam, aber ohne Zagen
An dies öde Land verschlagen,
In das Haus des Grams – und sagen
Sollst du mir – ich bitt’ dich sehr:
Gibt’s – o gibt es Trost in Gilead?
Sag’s getreu – ich bitt’ dich sehr!“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
„Du Prophet, sprach ich, ohn’ Zweifel
Dies, ob Engel, oder Teufel,
Bei dem Himmel ob uns, bei dem
Gott, dem geben wir die Ehr’:
Künde dieses Herzens Bangen,
Ob in fernem Reich umfangen
Wird ’ne Maid all sein Verlangen,
Die „Lenore“ im Engelheer
Heißt, – das strahlend holde Mädchen,
So genannt im Engelheer?“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
„Sei dies’ Wort des Scheidens Zeichen!
Zu der Nacht Pluton’schen Reichen
Fort – zum Sturm, ob Vogel oder
Teufel, schrie ich, fort! und stör’
Meine Einsamkeit nicht, – keine
Schwarze Feder, die an deine
Lüg’ gemahn’, lass’ hier, – alleine
Lass’ mich, – von der Büst’, o hör’
Fort mit dir! und deine Krallen
Nimm aus meiner Brust, o hör’!“
Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“
Und der Rabe, wankend nimmer,
Sitzt noch immer, sitzt noch immer
Auf der Pallas weißer Büste
Über meiner Tür’; – als wär’
Er ein Dämon, traumbefangen,
Scheint sein Aug’ – und seine langen
Schatten wirft die Lamp’ im bangen
Dämmer an der Wand umher;
Und mein Herz aus diesem Schatten,
Lagernd um mich dicht umher,
Wird sich heben – Nimmermehr!
*
Alexander Neidhardt
Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, 11. Jg, Band 19, S. 185-187
Georg Westermann
3. Version
Mitternacht umwob mich schaurig, als ich einsam saß und traurig
Bei Folianten, die mir manchen dunklen Traum heraufbeschworen.
Ich entschlief, doch unterbrochen ward mein Schlummer durch ein Pochen.
Wer ist’s, der so spät (so fragt’ ich) sich hierher zu mir verloren? –
Ein Besuch wird’s sein (so sagt’ ich), der sich spät hierher verloren.
Oder täuschten mich die Ohren?
Ach, die Nacht vergess’ ich nimmer! denn Dezember war’s, und immer
Düstrer huschten durch mein Zimmer Schatten, die mein Traum geboren.
Sehnlich hofft’ ich auf den Morgen, die Folianten wollten borgen
Keine Lethe meinen Sorgen, meinen Sorgen um Lenoren;
Um das schöne, lichte Mädchen, das bei Engeln weilt, Lenoren,
Das der Erde ging verloren.
Auf der seidnen Vorhäng’ Rauschen musst’ ich, leis’ erbebend, lauschen,
Geisterschrecken, mich zu necken, kamen, von der Angst beschworen.
Zu beschwichtigen das Pochen meines Herzens, laut gesprochen
Hatt’ ich nochmals diese Worte: Wer hat sich hierher verloren?
Wer ist’s, der zu meiner Pforte sich so spät hierher verloren? –
Oder täuschten mich die Ohren? –
Stärker fühlt’ ich mich geworden von den lautgesprochnen Worten;