Die Faust des Riesen. Band 2. Rudolf Stratz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Stratz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711507155
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flackerte wild in seinen Augen. Er hatte Mühe gehabt zu sprechen und trocknete sich den kalten Schweiss von der Stirne.

      Malte von Malchow stand neben ihm. „Und dann?“

      Wend zuckte die Schultern. Das schien ihm gleichgültig.

      „Willst du dich denn köpfen lassen? Oder zeitlebens Wolle spinnen? ... Mensch ... überleg dir doch mal den Unsinn!“

      „Es ist doch mehr als ein Schuss im Revolver!“

      „Und der zweite für dich? Was hast du dann von der Geschichte?“

      „Ich hab’ mich an ihm gerächt! ... Ich hab’ die Welt von ihm befreit — ich hab’ meine Schwägerin von ihm befreit — meine Mutter ... meine Schwester ... seine Kinder ... alle! Einer muss es mal tun!“

      „Aber du wärest der letzte dazu!“

      „Doch! Wer mir die Helle nimmt, dem nehm’ ich das Leben!“

      „Und was wird dann aus deiner Braut?“

      Wend schwieg eine lange Zeit. Der andere legte ihm die Hand auf die Schulter.

      „Na also! Ich nehme ja dein Fiebergerede nicht ernst! Aber immerhin — ein netter Standpunkt: Selber kratzt man ab, und die Menschen, gegen die man seine Pflichten hat, die lässt man hier zurück. Die können dann sehen, wie sie sich solo weiter durchs Leben schlagen!“

      „Ich bin doch nur ein Bleigewicht in ihrem Leben. Ich hindere sie an allem, womit sie ihr Glück machen könnte. Wenn ich nicht mehr bin, ist sie frei ...“

      Wend war an das Fenster getreten und schaute düster auf die allmählich dämmernde Strasse hinaus. Hinter sich hörte er die Stimme des Freundes: „Liebes Kerlchen — wenn das auch nur so Ideen bei dir sind — man darf auch denen nicht Raum geben: man versündigt sich schon dadurch mehr als erlaubt ist. Es heisst doch klipp und klar: ‚Du sollst nicht töten!‘ ... Und am wenigsten den eigenen Bruder! ... Kain und Abel, das ist doch das Furchtbarste, was in der Bibel steht ... der Anfang von allen Verbrechen überhaupt in der Welt. ... Daran nur zu denken, ist Sünde!“

      „Ich muss aber daran denken!“

      „Dann wiederhole dir nur immer wieder: Du sollst nicht töten!“

      „Wozu haben wir denn dann den Säbel an der Seite?“

      „Zum Morden nicht!“ Der Pommer wurde ungeduldig. Er schrie es dem andern fast in die Ohren: „Das wünscht Majestät nicht und wir andern Offiziere auch nicht! Das kann ich dir im Vertrauen verraten! Das heisst überhaupt die Freundschaft missbrauchen, wenn man einem mit solch einem Gequatsche kommt! Das verbitt’ ich mir nun! Verstehst du?“

      Er sah dem andern ins Gesicht.

      „Denk mal an deinen seligen Vater, Wend! Du hast doch so an ihm gehangen! Wenn du nun melden wolltest: ‚Papa ... ich will den Diether umbringen!‘... Was für eine Antwort würdest du wohl von dem alten Herrn bekommen? Na ... ich möchte sie nicht hören ... ich möchte da nicht in deiner Haut stecken ... so ständest du da vor deinem Vater ... mein Kerlchen ... das ist alles Unfug ... darüber kann man gar nicht reden. Pfusch du unserem Herrgott nicht ins Handwerk! Er weiss schon selber, was er tut!“

      Wend von Brake war auf einen Stuhl gesunken und hatte das Antlitz in den Händen verborgen. Als der andere sich zu ihm niederbeugte, sah er, dass er weinte. Der Pommer stand ernst daneben und sprach Wend gut zu, in seinem heimischen Platt, das er nur in seltenen Stunden brauchte: „Lat ’t Ding sinen Lop ... der Diether wird auch ohne dich mal kopheister gehn! ... Wat sin möt, dat möt sind ...“

      Er zog sich einen Stuhl herbei und sass neben seinem Freund und hielt dessen Hand in der seinen. Endlich kam der junge Leutnant zu sich. Er sprang auf, fuhr sich mit dem Tuch über das Gesicht und sagte matt, aber wieder in seiner gewöhnlichen Sprechart: „Pfui Teufel ... nun heult man auch noch ... weiss der Kuckuck, was in mir steckt!“

      „Wenn’s nur vorüber ist ...“

      „Ja. Es ist vorüber. Jetzt begreife ich mich selber nicht mehr ...“

      „Na, gottlob!“

      „Erzähle du ja niemandem etwas davon, Malte! Vergess es selber! Denk: es wäre gar nicht geschehen! Und hab’ schönen Dank ... nun muss man eben weiter sehen. ... Höre ... könnt’ ich einmal deine Mutter sprechen? ... Sie ist im Salon? ... Gut ... dann geh’ ich zu ihr hinüber ...“

      Die Geheimrätin von Malchow sass bei einer Handarbeit unter der Lampe, deren Schein hell auf ihren weissen Scheitel und ihre immer noch schönen Züge fiel. Sie schaute bei Wends Eintritt überrascht, aber mit einem Ausdruck mütterlichen Wohlwollens auf, und er begann ohne Umschweife: „Gnädige Frau ... ich habe eine grosse Bitte ... Sie nehmen mich hier immer so gütig auf — förmlich wie einen Sohn des Hauses ... daher wag’ ich es! Ich muss meine Braut sprechen — heute noch! Ihr Haus darf ich nicht betreten. Und immer in der Dunkelheit an den Strassenecken beisammen stehen, wenn man sich so Ernstes zu sagen hat ... und in der ewigen Furcht, dass einen jemand sieht. ... Gnädige Frau ... könnte Fräulein von Salehn nicht einmal auf eine Stunde hierherkommen? Könnten Sie ihr nicht ein paar Zeilen schreiben, dass sie es darf? ... Ich wäre Ihnen so furchtbar dankbar ... es hängt so viel davon ab!“

      Frau von Malchow hatte einen Augenblick überlegt.

      „Gerne!“ sagte sie dann. „Aber wird sie dann auch kommen?“

      „Ich hoff’ es, gnädige Frau! Es ist ihr ja natürlich peinlich, in eine fremde Wohnung. ... Aber ich weiss keinen andern Rat. ... Man müsste Maltes Burschen schicken! Briefe, die mit der Post kommen, fängt die Mutter ab!“

      „Ist Fräulein von Salehn denn jetzt zu Hause?“

      Mielke von Malchow frug das. Sie hatte aus dem Nebenzimmer zugehört und trat nun herein.

      Wend war verblüfft. „Ich glaub’ es sicher!“ erwiderte er.

      „Dann ist das Gescheiteste, ich hole sie!“ versetzte Fräulein von Malchow entschlossen. „Nein, lass, bitte, Mama ... spar den Brief und rede nicht ... ich dank’ meinem Schöpfer, wenn ich mich mal irgendwie nützlich machen kann. Man kommt ja sonst doch nie dazu ...“

      Dabei war sie schon in den Flur getreten, setzte ihren Hut auf und meinte, während ihr Wend, stumm vor Dankbarkeit, den Mantel umhing: „Ich nehm’ das erste Auto, das ich kriege! Da geht’s fix! In zwanzig Minuten bin ich wieder da. Sagen Sie mir nur genau die Adresse. Ich kenne mich da drüben in den nördlichen Breitegraden nicht aus!“

      Er nannte ihr Strasse und Hausnummer in Moabit. Er hatte dabei förmlich ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber, gerade ihr. Aber das kleine blonde Fräulein von Malchow, die froh war, wenigstens einmal als Zaungast ihren Anteil an den Geheimnissen des Hauses nehmen zu dürfen, war ein guter Kerl, an Kameradschaft mit den Männern gewöhnt, auch wenn ihr einer gerade mal ein wenig mehr war, so wie im stillen der Leutnant von Brake. Das ging auch wieder vorüber. So schlimm war es ja auch nicht. Und als jener wieder anfing, ihr zu danken, unterbrach sie ihn sofort: „Halten Sie jetzt nur keine Volksreden, Herr von Brake!“ und lief die Treppe hinunter.

      Es dauerte wirklich kaum eine halbe Stunde, bis eine Automobildroschke vor dem Hause hielt. Wend sah vom Fenster, wie zwei schlanke Mädchengestalten ihr entstiegen und den Treppeneingang betraten. Und oben, an der Malchowschen Wohnung, sagte Mielke: „So! da wären wir! ... Bitte, gehen Sie nur gleich in das Zimmer da rechts, Fräulein von Salehn! ... Dort finden Sie ihn! Adieu!“

      Sie drückte die Klinke hinter der andern in das Schloss und schlüpfte hinüber in das Berliner Zimmer, wo ihre Mutter sich niedergelassen hatte, und meinte auf deren verweisendes: „Aber Kind ... du hättest sie mir doch vorher vorstellen müssen!“

      „Ach, lass doch den Schnickschnack, Mama! Die hat jetzt anderes im Kopf!“

      „Wie ist sie denn?“

      „Ach, sie ist reizend! ... Ich wollte, ich wäre auch so hübsch, statt solch ein Flederwisch!“

      Sie