Vorläufig stand nur soviel fest: An seinem Geburtstag wollte Johnny sein neues Leben beginnen; das war am
1. Juli 1963.
Mit einer Riesenparty im Hotel Marberry sollte das Ereignis gebührend gefeiert werden.
Chef der Mordkommission Manhattan war Walkers bester Freund, Lieutenant Antony Starr. Die beiden hatten eine Art der Zusammenarbeit entwickelt, die schon manchem Zeitgenossen des unteren Broadway sauer aufgestoßen war. Es war kein Wunder, daß Antony über Johnny Combo genauso dachte wie Jo. „Ich wette, da steckt ein handfester Betrug dahinter“, grollte der massige Captain. „Combo tanzt uns seit zwanzig Jahren auf der Nase herum. Der kann doch nicht Schluß machen…“
„Denk an Roul Parker“, sagte Jo. Der hat’s verstanden.“
„Parker ist eine Sondernummer. Ganz anderes Kaliber als Combo. Roul Parker ist ein Infanteriekaliber, Combo dagegen eine Mörsergranate. So sehe ich’s. — Seit zwei Tagen übe ich mich in scharfem Nachdenken, aber ich kann einfach nicht herausfinden, was Combo vorhat. Meine Phantasie reicht nicht aus. Ich fürchte, er hat ein großes Ding vor — aber was?“
Joemusterte den Captain aufmerksam.
„Du bist doch für Mordsachen zuständig, Alter! Combo gehört überhaupt nicht in deine Abteilung. Warum geht dir der Bursche so an die Nieren?“
Antony strich sich mit dem Zeigefinger über die Römernase.
„Aus einem einfachen Grund. Kannst du dir vorstellen, daß ein Außenstehender den Dienstplan des Centers kennt?“
„No“, sagte Jo, „den kenn nicht mal ich!“
„Dann will ich dir was sagen: Seit Jahr und Tag wird hier über Combo Buch geführt. Die Akte liegt in Abteilung IIIc, nachdem sie vor einem Jahr von der aufgelösten Abteilung V übernommen wurde. Im Lauf der letzten Jahre sind insgesamt vier Beamte mit der Führung dieser Akte beauftragt gewesen.“
„Und?“
„Niemand kannte die Namen dieser vier Beamten — niemand, der nicht Angehöriger des Centers ist. Und die haben alle Schweigepflicht.“
„Soll das heißen …?“
„Yeah“, sagte Antony, „Gestern hat Combo die Einladungen zu seiner Superfete verschickt. Und ob du’s glaubst oder nicht — jeder, der einmal an Combos Akte gearbeitet hat, hat eine goldbedruckte Einladung bekommen!“
„Das beweist, daß hier irgendwo eine undichte Stelle ist.“
„Stimmt. Aber das ist nicht das Entscheidende, wenn Attorney Brown sich auch aufführt, als stünde das Wohl der Nation auf dem Spiel. Die vier, die eine Einladung bekommen haben, sind vom Betrugsdezernat. Dort hat man über Johnny Buch geführt, weil das am nächstliegenden war. Denn das, was man mit der größten Sicherheit über ihn weiß, ist die Sache mit dem Versicherungsbetrug.“
„Stimmt“, sagte Jo, „an dem Fall habe ich vor Jahren gearbeitet. Es reichte nicht zu einem Beweis …“
„Privat ist uns deine Ansicht mehr wert als ein Beweis“, brummte Antony. „Aber zurück zur Sache. Betrug ist lautlos, da fließt kein Blut; der Krieg findet nur in den Papieren statt. Aber es gibt noch einen fünften Mann, der eine Einladung zu Johnnys kleiner Feier bekommen hat. Und der ist nicht vom Betrugsdezernat.“
Joebeugte sich vor.
„Soll ich mal raten?“
„Heiß“, grinste Töm.
„Du?“
„Ja — ich! Ich habe so einen pompösen Wisch bekommen. Mr. Johnny Combo gibt sich die Ehre, Mr. Antony Starr zur Feier seines vierzigsten Geburtstages zu einem Empfang in das ,Marberryʻ einzuladen. Smoking erbeten.ʻ Was sagst du nun? “
Joewog die Sache ab.
„Garderobeschwierigkeiten hast du nicht …“
„Ich habe so gut einen Smoking wie du!“
„Dann würde ich hinmarschieren. Ich weiß aus Erfahrung, daß auf derartigen Gangsterfeiern erstklassige Getränke gereicht werden. Vielleicht könnte es dir nicht schaden, mal einen guten Whisky kennenzulernen. Vielleicht wirst du dadurch instand gesetzt, das Zeug, das du hier für Besucher im Safe stehen hast, objektiv zu beurteilen und zu erkennen, daß es nicht mal einem armen Polizisten Ehre macht.“
Antony faßte den Wink richtig auf. Er schwang auf seinem Drehsessel herum, stellte die Flasche auf den Tisch und holte zwei Gläser aus dem Aktenschrank.
„Zwölf Jahre alter Bourbon“, knurrte er. „Ich weiß gar nicht, was du willst.“
„ Was sagt Attorney Brown? “ wollte Joewissen.
„Der sagt natürlich, ich sollte hingehen. Es handelt sich auch gar nicht darum, ob ich gehe oder nicht. Ich möchte nur wissen, warum Combo ausgerechnet mich eingeladen hat.“
„Sicher schätzt er dich besonders.“
„Ich bin seit zehn Jahren im Center, seit sieben Jahren in der Mordkommission“, sagte Antony. „Kein einziges Mal hatte ich in dieser Zeit mit Johnny Combo zu tun. Nicht mal indirekt. Sein Name tauchte bei mir in keinem Zusammenhang auf. Ich hätte zwar keine Hemmungen, ihm jede Bluttat zuzutrauen, aber bisher gab es noch nicht mal den Schatten eines Beweises dafür. Warum also hat er von den zweitausend Leuten des Centers ausgerechnet mich ausgesucht?“
„Schwer zu sagen“, brummte Jo. „Bist du sicher, daß du noch nie mit ihm zu tun hattest?“
„So sicher wie ich hier sitze.“
„Es gibt natürlich die Möglichkeit, daß unter Johnnys Gästen einige alte Kunden von dir sind. Vielleicht will er dich provozieren.“
„Well, ob das wirklich so lustig ist?“
„Weiß ich nicht. Es gibt nur eine Möglichkeit, sich Klarheit zu verschaffen: indem du die Einladung annimmst.“
„Wind mir wohl nichts anderes übrigbleiben“, brummte Antony. „Aber gespannt bin ich. Vielleicht hat er mich
ausgesucht, weil er als Höhepunkt des Abends eine Leiche vorführen will und mich als Fachmann braucht.“
Der Captain ahnte nicht, wie nahe er damit der Wahrheit kam.
Er sollte es bald erfahren.
Joe Barry glaubte nicht, daß Johnny Combos Superparty etwas mit ihm zu tun hatte. Sein Interesse war denn auch bis zu diesem Zeitpunkt gering.
Es waren ruhige Tage. New York lag unter der Hitzeglocke, die, alljährlich im Juli die Teerdecken weichen ließ. Wer es sich irgend leisten konnte, war aufs Land gefahren, nach Süden an die Küste oder zum Cape Cod.
Joehatte einen Kurzaufenthalt in den Adirondacks auf dem Programm stehen und das Angelzeug schon eingepackt. Jetzt war die große Frage, ob ihm dieser Kurzurlaub allerseits gegönnt oder ob ihm ein Stein in den Weg gelegt würde.
Während er seinen kleinen Handkoffer mit den drei Standardartikeln packte — Reservenylonhemd, Waschzeug und AuAntonyatic 38 —, blickt er ab und zu mißtrauisch auf das Telefon.
Aber von dieser Seite drohte keine Gefahr.
Sie kam ganz prosaisch durch die Haustür.
Es läutete.
Joezögerte drei Pulsschläge lang, dann öffnete er.
Vor ihm stand ein kleiner Mann mit Ziehharmoniakahosen. breiter Krawatte,bunt wie ein Waldspecht. Auf dem runden Kopf saß ein zerknautschter Filzhut, und ein rosiger Flaum umrahmte das Gesicht, das in mancher Hinsicht an einen deutschen Gartenzwerg erinnerte.
Joestaunte. „Daß so etwas erlaubt ist“, murmelte er.
Der