Ein guter Trainer genießt das Vertrauen der Spieler und hat ein offenes Ohr für ihre Anliegen. Ich hatte Trainer, die fachlich über jeden Zweifel erhaben waren, aber ihre Kenntnisse einfach nicht vermitteln konnten. Manche übertreiben es mit dem Coaching, so dass die Spieler irgendwann auf Durchzug schalten und im Training nicht mehr mit der gleichen Begeisterung bei der Sache sind. Andersherum gibt es Trainer, bei denen die Mannschaft auf Anhieb mitzieht. Ich habe für ein paar fantastische Kerle gespielt, die genau wussten, was sie taten, und es schafften, sämtliche Gegensätze innerhalb einer Mannschaft zu überwinden. Als Spieler spürt man das, und dementsprechend enthusiastisch hängt man sich im Training rein.
Ich werde häufig gefragt, was genau wir in den zwei Stunden Training so machen. Meine ehrliche Antwort lautet: Hängt vom Trainer und seinem Stab ab. Nach einem ausgiebigen, rund 40-minütigen Aufwärmprogramm inklusive Pendel-, Slalom- und Hürdenlauf begnügen sich die meisten Trainer damit, die Mannschaft aufzuteilen und 5 gegen 3 spielen zu lassen. Nach einer Weile wird das ziemlich öde. Ich hatte einen Trainer, der eine Stunde lang 11 gegen 11 One Touch über das gesamte Feld spielen ließ. Da fragt man sich hinterher schon, was der ganze Zirkus soll. Deswegen ist man als Spieler manchmal doch erleichtert, wenn der Trainer mitsamt seinem Stab gefeuert wird. Wenn das passiert, sollte man ihn allerdings unbedingt in seinem Büro aufsuchen, ihm für seine Mühe danken und alles Gute für die Zukunft wünschen. Man weiß ja nie, wann und wo man sich wieder über den Weg läuft.
Ehrlicherweise muss man sagen, dass die Spieler ihrem Trainer das Leben bisweilen unnötig schwer machen. Vor ein paar Jahren machte ich mit meinem Team einen Abstecher in den Süden, um vor der entscheidenden Saisonphase noch einmal Kraft zu tanken. Als wir um neun Uhr abends am Hotel eintrafen, legte der Trainer die Regeln für unseren Aufenthalt fest: „Ihr dürft einen Abend ausgehen, aber nicht heute. Heute gehen alle sofort ins Bett. Training ist jeden Morgen von neun bis elf Uhr, danach wird es zu heiß. Und jetzt ab in die Falle. Ach ja, Frühstück ist für alle obligatorisch.” (Das sagen sie immer.) Kaum hatte das Hotel seine Pforten geschlossen, liefen die Handys heiß. „Wo gehen wir hin?” „Wir treffen uns in 15 Minuten am Pool. Wir kommen schon irgendwie raus.” „Wer ruft die Taxis?” „Kann mir jemand ein Ladegerät für mein iPhone leihen? Ich hab meins vergessen.” (Das Letzte kam von mir, dafür bin ich berüchtigt.)
Eine Viertelstunde später versammelten wir uns auf dem Hotelgelände und stahlen uns durch ein Loch in der Hecke einer nach dem anderen davon. Draußen versuchten wir so leise wie möglich und dementsprechend gestenreich die vorbeifahrenden Taxis auf uns aufmerksam zu machen. Schließlich düsten wir alle Richtung Stadt, aber was danach passierte, kann ich beim besten Willen nicht mehr rekonstruieren. Wie es heißt, hat unser Co-Trainer uns alle gegen drei Uhr morgens in einer Karaoke-Bar ausfindig gemacht und in einem Minivan zum Hotel zurückgebracht, der eigentlich für den Transfer zum Trainingsgelände vorgesehen war.
Hätte er uns persönlich die Leviten gelesen oder gar beim Boss angeschwärzt, was vermutlich die größte Kollektivstrafe in der Geschichte des Fußballs nach sich gezogen hätte, wir hätten uns nicht beschweren dürfen. Stattdessen unternahm er nichts dergleichen, weswegen er bei uns allen einen Riesenstein im Brett hatte und wir uns im Training mächtig reinhängten. Er hätte uns das ewig vorhalten und irgendwann eine Gegenleistung einfordern können, aber das Thema kam nie wieder auf den Tisch. Wahrscheinlich war er einfach ein feiner Kerl. Ansonsten wären wir alle ganz schön am Arsch gewesen.
Es macht sich bezahlt, wenn alle am gleichen Strang ziehen. Das heißt aber nicht, dass sich untereinander alle mögen müssen. Entscheidend ist, dass sich alle vertragen und auf dem Platz füreinander reinhängen. Daran lässt sich auch ermessen, ob der Kapitän seine Binde wirklich verdient hat. Ich hatte in meiner gesamten Karriere nur einen Kapitän, mit dem ich nicht einverstanden war, was daran lag, dass er nie für seine Kollegen da war, wenn sie ihn brauchten.
Vor ein paar Jahren hieß es in der Presse, dass in der englischen Nationalelf niemand den Mumm hätte, die Kapitänsbinde zu tragen. Auch mir wurde bei einem meiner Klubs die Ehre zuteil, zum Spielführer ernannt zu werden, und ich kann nur sagen, dass es mich unheimlich stolz und glücklich machte, die Binde anlegen zu dürfen (blöderweise meistens verkehrt herum). So sehr manche Spieler auch beteuern, sich nichts daraus zu machen, tief im Inneren wäre fast jeder gerne Kapitän. Wenn Sie mich fragen, wie wichtig der Kapitän für eine Mannschaft ist, würde ich sagen: Er kann durchaus den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen.
Ein Trainer wählt einen Kapitän aus, der als Bindeglied zwischen ihm und der Mannschaft fungiert. Wenn es aber zu Spannungen zwischen dem Team und den Kluboberen kommt, sollte der Kapitän stets im Interesse seiner Kollegen handeln. Außerdem kümmert er sich um sämtliche Belange der Spieler, die nicht in den sportlichen Bereich fallen.
Als Kapitän achte ich darauf, am Spieltag als Erster einzutreffen. Bevor beide Mannschaften zum Aufwärmen rausgehen, werden beide Spielführer zu einer kurzen Unterredung in die Schiedsrichterkabine bestellt. Früher ging es dabei nur darum, den Mannschaftsbogen einzureichen (Verspätungen werden mit einer empfindlichen Strafe geahndet). Heutzutage nutzt der Schiedsrichter die Gelegenheit, um ein paar Verhaltensregeln aufzustellen. Nachdem sich alle die Hand gegeben haben, läuft das dann ungefähr so ab: „Okay, Jungs, ihr seid beide alt genug und hässlich obendrein. Versucht nicht, mich zu verarschen. Wenn es ein Problem gibt, kommt damit zu mir. Sollte einer eurer Kollegen mir oder meinen Assistenten oder einem anderen Spieler gegenüber pampig werden, erwarte ich, dass ihr das regelt, bevor ich es tun muss. Alles klar? Viel Glück.” Woraufhin sich wieder alle die Hand geben.
Ich hatte einen Kapitän, der nur zu dieser Ehre kam, weil unsere eigentliche erste Wahl sich verletzte. Nachdem er das Amt scheinbar widerwillig angenommen hatte, wies er den Zeugwart an, eine personalisierte Binde anzufertigen. Er lief schließlich mit einem manschettenartigen Teil herum, auf das ein riesiges C gemalt war und das seinen gesamten Oberarm bedeckte. Manche Spieler sind einfach so: Sie tun so, als wäre es nichts Besonderes, aber trotzdem soll alle Welt wissen, dass sie der Kapitän sind. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass der Typ mit dieser Aktion nicht nur bei mir eine Menge Respekt eingebüßt hat.
Kurioserweise hatte das erfolgreichste Team, für das ich gespielt habe, den wohl unbeliebtesten Kapitän. Er verkörperte so ziemlich alles, was Spieler verachten: Er war eigensinnig und ein ziemlicher Jammerlappen, wenn es darauf ankam. Der Klub weigerte sich damals, über unsere Prämien zu verhandeln. Der Ligaverband muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt über die Prämienregelungen in Kenntnis gesetzt werden, und nachdem wir bis zum Stichtag fast alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, blieb uns nur noch eins: der Boykott des Mannschaftsfotos. Das klingt nach einer ziemlich leeren Drohung, aber ich kann versichern, dass der Sponsor das ganz anders sieht.
Am Morgen des Fototermins weigerten wir uns also, unsere neuen Trikots anzuziehen. Der Vorstandschef flehte uns an, einzulenken, aber wir blieben standhaft – alle bis auf einen. Am Spielfeldrand stand unser Kapitän, in voller Montur und allzeit bereit. Als wir ihn als unseren Anführer gebraucht hätten, ließ er uns im Regen stehen. Das haben wir ihm nie verziehen, und von da an wurde er vom Rest der Mannschaft gemieden wie die Pest. Alle seine Vorschläge wurden abgeschmettert, und keiner tat ihm mehr einen Gefallen.
Ein guter Kapitän genießt uneingeschränkten Respekt und kann sowohl seine Mitspieler anschnauzen als auch dem Trainer widersprechen, ohne an Wertschätzung einzubüßen. Mein Bekannter, der unter Roy Keane bei Manchester United spielte, erzählte mir die folgende Geschichte: „Als junger Profi hatte ich einen Vertrag, mit dem ich ziemlich unglücklich war. Ich hatte keinen Berater und wusste nicht so recht, was ich tun sollte. Keane ging mit mir zu Ferguson und klärte die Sache, weil er sich als Kapitän dazu verpflichtet fühlte. Am nächsten Tag hat er mich im Training wegen eines verhunzten Passes zusammengefaltet.”
Ich bin stolz darauf, Kapitän einer Profimannschaft gewesen zu sein. Aber das Amt bringt es mit sich, dass man bisweilen mehr Dinge für andere geregelt