Es ist wohl kein Geheimnis, dass man als Cheftrainer tagtäglich mit einer solchen Menge an Problemen, Aufgaben und Erwartungen konfrontiert wird, dass man an sich niemals Feierabend hat. Als ich die Vermutung äußerte, dass er vielleicht nicht besonders versiert darin sei, Dinge zu delegieren (klar, immer noch drauftreten, wenn der andere schon am Boden liegt, ganz so, wie ich es gelernt habe), räumte er ein, dass dies möglich sei. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass ich noch nie als Trainer gearbeitet hätte.
Guter Einwand. Vielleicht wird es mir genauso wie ihm ergehen, sollte ich einmal Trainer werden. Mir fällt es auch nicht leicht, Verantwortung an andere Leute abzugeben, weil sie die Dinge in der Regel auf ihre Weise erledigen und nicht so, wie ich es an ihrer Stelle getan hätte. Wenn man also die Kontrolle über jede einzelne Entscheidung behalten will, muss man sich wohl oder übel damit abfinden, seine Familie – und Tageslicht – nur selten zu sehen.
Ich hatte auch mal einen Trainer, der ein totaler Kontrollfreak war. Er hatte Mitarbeiter, von denen andere Trainer nur träumen können, war aber nicht in der Lage, sie einfach ihre Arbeit machen zu lassen. Wohlgemerkt, das waren alles sehr fähige Leute. Mir tat vor allem unser sportwissenschaftlicher Berater leid, der ein hochkomplexes Programm ausgetüftelt hatte, nur um dann von einem Kerl abgelöst zu werden, der von der Materie keine Ahnung hatte. Oder auch unser Koch, der irgendwann kein Salz mehr verwenden durfte. Halbwissen wird nicht von ungefähr als gefährlich eingestuft.
Aber es gibt auch durchaus Trainer, die ihre Besessenheit zum Wohl der Mannschaft einzusetzen wissen. Ein Freund von mir spielte unter José Mourinho beim FC Chelsea und erzählte mir von einer PR-Tour durch die USA, bei der unter anderem ein Fotoshooting für Samsung geplant war. Als Mourinho zu Ohren kam, dass der Sponsor nicht einmal eine kleine Aufmerksamkeit für seine Spieler vorbereitet hatte, schickte er sie sofort wieder in den Mannschaftsbus. Die in helle Panik versetzte PR-Abteilung von Samsung beeilte sich, den Schaden zu korrigieren und stellte jedem Spieler bei seiner Rückkehr nach England einen ganzen Sack voller unterhaltungselektronischer Geräte in Aussicht. Ich habe keine Ahnung, ob diese Geschichte wahr ist, wüsste aber nicht, warum mein Freund lügen sollte. Ich möchte sie glauben, weil ich Mourinho ohnehin gut leiden kann. Wenn ein Trainer so etwas für mich tut, gibt er mir das Gefühl, dass wir alle zusammengehören und ich mich auf ihn verlassen kann. Für so einen Mann reiße ich mir auf dem Platz gerne den Arsch auf. Außerdem mag ich Unterhaltungselektronik.
Das soll aber nicht heißen, dass nicht auch die Spieler ihrem Klub gegenüber eine gewisse Verantwortung hätten. Unternehmen wie Samsung zahlen ein Vermögen dafür, sich mit dem Namen englischer Erstligisten schmücken zu dürfen, weswegen sie sich vertraglich zusichern lassen, dass sie die Dienste der Spieler in Anspruch nehmen können. Als Spieler ist man allerdings nicht immer im Bilde darüber, was wirklich vor sich geht.
Ich erinnere mich an einen Kurztrip in südliche Gefilde, der, wie uns irgendwann klar wurde, in erster Linie der Kontaktpflege unseres Trainers diente. Ersten Verdacht schöpften wir, als wir an unserem brandneuen Eventhotel in Strandnähe eintrafen und uns zunächst mit jedem einzelnen der gefühlt ungefähr 1.500 Angestellten ablichten lassen mussten, bevor wir uns endlich in die Fluten stürzen durften. Später aßen wir mit ein paar stinkreichen Vögeln zu Abend. Wie sich herausstellte, gehörte diesen Typen das Restaurant, und sie waren es auch, die das gesamte Team in der Business Class hatten einfliegen lassen.
Während unseres Aufenthalts bekamen wir es immer wieder mit diesen Typen zu tun, die großen Wert darauf legten, dass wir uns in ihren zahlreichen Restaurants, Hotels, Einkaufszentren und Nightclubs ablichten ließen. Für die örtlichen Unternehmer hat es sich mit Sicherheit bezahlt gemacht, rund um die Uhr die Dienste eines englischen Premier-League-Klubs in Anspruch nehmen zu können. Unser damaliger Trainer ist bestimmt heute noch jedes Jahr in diesem Hotel zu Gast und wird das auch so beibehalten, bis er eines Tages den Löffel abgibt. Ich gehe außerdem jede Wette ein, dass er da unten noch nie auch nur einen einzigen Cent für irgendwas bezahlt hat. Aber ich schätze, so läuft das Geschäft eben.
Ich bin in meiner Karriere zu unzähligen Veranstaltungen gezerrt worden, um mich wie ein grinsender Idiot in meinem Trainingsanzug ablichten zu lassen, ohne überhaupt zu wissen, warum ich eigentlich dort war. Einmal verbrachten wir einen ganzen Tag in einem Einrichtungshaus und schrieben Autogramme für die komplette Belegschaft. Mobiliar hat aber, soweit ich weiß, keiner der Spieler dafür bekommen – nicht dass wir es gebraucht hätten. Unser Trainer hatte wohl auch keinen Bedarf, aber falls er sich in Zukunft neu einrichten möchte, sollte das kein Problem sein. Solche Dinge passieren bis zu einem gewissen Grad wohl in jeder Spielklasse. Ob die Mannschaft es klaglos mit sich machen lässt oder es dem Trainer verübelt, hängt vielleicht nur davon ab, wie es in sportlicher Hinsicht gerade läuft.
Letztlich geht es darum, sich das Vertrauen der Spieler zu bewahren, indem man sie auf faire Art und Weise behandelt. Ein Bekannter von mir wurde bei Manchester United auch dann noch respektvoll behandelt, als sein Abgang bereits feststand. Auch wenn solche Umgangsformen sicher keine Ausnahme sind, lässt sich das keineswegs über jeden Trainer sagen, für den mein Bekannter und ich gespielt haben. Mein Bekannter rechnet es Sir Alex nach wie vor hoch an, sich damals so anständig verhalten zu haben. „Ich kann ihn jederzeit anrufen, und er nimmt sich Zeit für mich. Und auch wenn wir eine Weile nicht miteinander gesprochen haben, erinnert er sich an die Namen meiner Kinder und erkundigt sich nach ihnen.” Andererseits kenne ich jemanden, der bei Manchester United spielt und sich beharrlich weigert, über Sir Alex zu reden. Er macht keinen Hehl daraus, dass die Gründe dafür Loyalität, Respekt und Furcht sind, und zwar in beliebiger Reihenfolge.
Eine Mannschaft auf Trab zu halten, ist ein sensibler Drahtseilakt, der vor allem Vertrauen und Respekt erfordert und nicht, wie einer meiner früheren Trainer glaubte, möglichst viele gemeinsame Abende, um unabhängig vom sportlichen Erfolg gemocht zu werden. Viele Spieler nutzen jede noch so kleine Schwäche eines Trainers aus, um von ihrem eigenen Versagen abzulenken, wenn es sportlich nicht läuft. Genau das ist vor nicht allzu langer Zeit bei einem recht namhaften Klub passiert – er hat 2012 die Champions League gewonnen.
Als Trainer ist man auf ein paar Dinge angewiesen, die nicht auf dem Transfermarkt zu haben sind, zum Beispiel Ressourcen, Timing und Glück, um nur drei zu nennen. Aber jeder Trainer hinterlässt auf die eine oder andere Weise Spuren. Vor ein paar Jahren saßen wir nach einem ziemlich desolaten Auswärtsspiel in der Kabine, und einer meiner Mitspieler erlaubte sich einen Kommentar, der unserem Trainer gegen den Strich ging. Wir waren ziemlich vorgeführt worden, und das von einer Mannschaft, die einen Haufen Mitläufer verpflichtet zu haben schien.
Traditionell stellt der Gastgeber nach dem Schlusspfiff belegte Brote in der Kabine bereit. Es hat einen gewissen Charme, dass man im Old Trafford so ziemlich die gleichen Schnittchen serviert bekommt wie im Community Stadium von Colchester (Arsenal dagegen scheut weder Kosten noch Mühen und fährt Hähnchen-Nuggets auf). Mein Kollege, der es gewagt hatte, eine Erklärung für unsere jämmerliche Vorstellung abzugeben, hatte das Pech, dass die Brote an diesem Tag auf einem Metalltablett serviert wurden. Zu allem Überfluss befand es sich in Reichweite des Trainers. Er schnappte sich das Tablett und feuerte es wie einen Frisbee quer durch den Raum. Die Platte verfehlte den Kopf meines Kollegen nur um Haaresbreite und hinterließ in der Wand einen beachtlichen Krater. Wäre ich das Ziel gewesen, hätte ich das Teil umgehend zurückgeschleudert, aber mein Kollege war einfach erleichtert, dass ihm nicht der Schädel gespalten worden war. Es war nicht nur der auf ihn herabrieselnde Putz, der ihn kreidebleich erscheinen ließ.
Welche Auswirkungen der Erfolgsdruck haben kann, lässt sich an jedem Wochenende in fast jeder Kabine im ganzen Land beobachten. Die Anspannung ist manchmal kaum zu ertragen, denn wie jeder weiß, kann niemand so einfach gefeuert werden wie ein Trainer. Der frühere Boss von Leeds United, Howard Wilkinson, hat mal gesagt: „Es gibt nur zwei Arten von Trainern: diejenigen, die schon entlassen worden sind, und diejenigen, die noch entlassen werden.”
Für einen Trainer, der ständig im Mittelpunkt des Interesses steht, ist ein guter Assistent von unschätzbarem Wert. Leider bekommen Assistenten nur selten die Anerkennung, die sie verdienen. Viele leisten jahrelang bei mehreren Klubs