Die Botschaft des Heiligen in der Klosterküche lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Was immer mir zu tun aufgetragen wird, tue ich aus Liebe zu Gott, indem ich mich bei all meinem Tun mit ihm unterhalte. Dabei schätzte Bruder Lorenz nicht zufällig gerade die einfachsten Verrichtungen, also Arbeiten, die rasch zur Routine werden und dem, der sich nach Abwechslung und Kreativität sehnt, eher öde und langweilig vorkommen.
Wie aber soll ich mich bei meiner Arbeit mit Gott unterhalten, wenn ich an einem Computer sitze? Wenn ich als Lehrerin vor einer Schulklasse stehe? Wenn ich als Arzt einen Patienten untersuche? Wenn ich als Busfahrer mein Fahrzeug durch den Großstadtverkehr steuere? Ich muss mich doch konzentrieren! Und was haben meine Berufsgeschäfte mit meinem Glauben zu tun? Ja, wenn ich in der Gemeinschaft der Gläubigen singe und bete, dann kann ich an Gott denken und mit ihm liebevolle Gespräche führen. Wenn ich in der Arbeitspause vor einem Berufskollegen Zeugnis von Jesus gebe, da lebe ich meinen Glauben. Aber beim Einschalten der Mikrowelle oder beim Ausräumen der Geschirrspülmaschine?
Ich selbst hatte es an dieser Stelle besonders schwer. Mein Beruf als theologischer Lehrer verlangte immer ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und ungeteilter Konzentration: im Unterricht mit meinen Studenten, im Seelsorgegespräch, beim Lesen der Fachliteratur, in einer Konferenz mit meinen Kollegen. Und wenn ich es doch einmal versuchte, so wie Bruder Lorenz bei meiner Arbeit an Gott zu denken, dann machten mir meine quirligen Gedanken bald einen Strich durch die Rechnung, denn die bewegten sich nicht in geordneten Bahnen und waren nur in den seltensten Fällen von frommer Art und frommem Inhalt.
Ich wäre wohl trotz allen guten Willens frühzeitig an Bruder Lorenz gescheitert, hätte ich nicht eines Tages eher zufällig und ohne Absicht eine beglückende Entdeckung gemacht, eine Entdeckung, die übrigens zunächst gar nichts mit Bruder Lorenz zu tun hatte. Was hatte sich mir da entdeckt?
Ich war verliebt, und es ging mir so wie jedem, wenn der Liebesfunke gezündet hat. Und dann hatten wir zu zweit eine kleine Reise gemacht, einen traumhaft schönen Ausflug in eine wunderschöne Landschaft, und waren miteinander glücklich gewesen. Mit meinem Fotoapparat hatte ich die schönsten Bilder unserer Fahrt festgehalten, und es war klar, was ich bei nächster Gelegenheit als Geschenk präsentieren würde: ein von mir selbst liebevoll gestaltetes Reisetagebuch! Da saß ich nun viele Abende lang an der Arbeit, beseelt von der Liebe und beseelt von dem Wunsch, etwas einzigartig Schönes zu basteln. Und siehe da – die Konzentration auf das Werk und das Spüren meiner fröhlichen Liebe waren ein einziger Vorgang! Da stand nicht eines dem anderen im Weg, sondern beides war untrennbar miteinander verschmolzen, zweierlei und doch einerlei, unvermischt und ungeteilt!
Ich weiß nicht mehr genau, wann und wie es geschah, aber irgendwann wurde mir diese Erfahrung plötzlich zum Gleichnis: Das Himmelreich, die Sache mit Gott, ist gleich einem Verliebten, der seiner Geliebten ein kostbares Geschenk machen wollte. Mit ganzer Aufmerksamkeit arbeitete er an der Gabe, und gleichzeitig spürte er in seinem Herzen mit ungeteilter Aufmerksamkeit das Glück der liebevollen Nähe des geliebten Menschen.
Später fiel mir noch mehr ein. Ich dachte daran, dass Martin Luther gelegentlich davon gesprochen hat, wie gut wir Deutschen es haben, weil in unserer Muttersprache die Worte »Gott« und »gut« aus einem Wortstamm kommen und entsprechend gut zusammenklingen und zusammenstimmen. Gott und Güte, Gott und Qualität, das kann und darf man nicht mehr auseinanderreißen, seit der Schöpfer selbst sein »Und siehe, es war alles sehr gut« (1. Mose 1,31) über sein Werk gesprochen hat. Darum ist die Liebe zu meinem Gott und mein Verlangen nach Qualität, nach der Güte meines Tuns, nicht zweierlei, sondern eins.
Es ist gut, wenn wir hier für einen Augenblick innehalten. Was ist Qualität? Wir führen das Wort so selbstverständlich ein, wir gebrauchen es dauernd in der Wirtschafts- und Warenwelt und sollten doch auch einmal fragen, wovon wir eigentlich sprechen, wenn wir Qualität einfordern. Das scheinbar so klare Wort ist nämlich eigentlich eher ein schwieriger Begriff. Sobald wir ernstlich versuchen, »Qualität« zu definieren, stoßen wir auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Das Wort »gut« entzieht sich jedem Versuch einer Begriffsbestimmung, es entwindet sich uns, je mehr wir uns bemühen, einen klaren, praktikablen Begriff von Qualität zu gewinnen. Es scheint so, als handele es sich um ein Wort, das allem Definieren zugrunde liegt, selbst aber keiner Definition unterworfen ist. Von dem, was in Wahrheit gut ist, haben wir immer nur eine Ahnung, jedoch kein eindeutiges, sicheres und gesichertes Wissen. Ich habe Bilder von dem, was gut genannt zu werden verdient, aber diese Bilder haben keine allgemein verbindlichen Konturen, sie liefern keine präzisen Kriterien. Und doch können wir Wort und Sache nicht entbehren. Die Sehnsucht nach Qualität, nach Güte, lebt in jedem Menschen. Sie macht nirgends Halt, sondern betrifft alles, was wir tun und was uns widerfährt.
Doch noch einmal: Was meinen wir, wenn wir Qualität verlangen? Uns verlangt danach, dass das Produkt, das wir kaufen oder das wir selber fertigen, guttut. Es soll vertrauenswürdig und verlässlich sein, es soll gefallen, es soll froh machen und zufrieden. Es soll seinen Zweck erfüllen, soll lange halten und nicht so schnell kaputt gehen. Damit es dieser Ursehnsucht gerecht wird, müsste es ein Mittleres sein zwischen Pfusch auf der einen und perfektionistischem Vollkommenheitswahn auf der anderen Seite.
Zurück zum Bruder Lorenz: Ich denke, so müssen wir uns seine Küchenarbeit vorstellen. So müsste auch unsere eigene Arbeit aussehen: tätig werden wie ein Verliebter, der dem geliebten Menschen Freude bereiten will. Und dabei wird die Arbeit gut und sie wird Freude bereiten, und zwar beiden, dem, der sie tut, und dem, der das fertige Produkt genießt.
Nach diesen allgemeinen Erklärungen ist es höchste Zeit, dass wir zur Praxis kommen. Dazu einige kleine Hinweise. Es wird hilfreich sein, wenn ich mit einer bestimmten Tätigkeit beginne. Ich kann nicht gut an mehreren Stellen gleichzeitig üben. Wenn jemand keine eigene spontane Idee hat, wo er oder sie beginnen kann, mag die folgende Anregung willkommen sein: Ich beginne mit dem Tischdecken, Tischdecken für das Frühstück am Morgen, für das Mittagessen, für den Nachmittagskaffee und für das Abendessen. Tischdecken für die alltäglichen Mahlzeiten oder auch einmal für ein besonderes Festmahl mit Gästen. Am Anfang sammele ich mich für einen Augenblick auf mein Tun. Ich vergegenwärtige mir kurz, dass Gott da ist. Und ich frage mich, ob ich da bin. Letzteres scheint eine pure Selbstverständlichkeit zu sein, ist es aber keineswegs. Wie oft erlebe ich mich als nicht richtig präsent!
Und wie bin ich da? Für einen Augenblick spüre ich meine jetzige Verfassung: tatendurstig oder angespannt oder müde oder gestresst oder in Eile oder von irgendeiner Sorge angefressen. Ich begnüge mich mit der einfachen Feststellung des Ist-Zustandes. Ich werte also nicht; ich will nichts verändern und widerstehe der Versuchung, das, was jetzt ist, zu überspielen, »so zu tun, als ob«. Nur eines möchte ich sein: wach, aufmerksam, achtsam, lebendig-präsent im Hier und Jetzt. Wenn ich meine Arbeit, das Tischdecken, gut mache, wird es mir gut tun, und ich werde denen, für die ich den Tisch decke, Freude bereiten. So gehe ich ans Werk, lasse mir Zeit, gebe dem Wunsch, dass der Tisch einladend aussehen möchte, Raum. Ich tue die einzelnen Handgriffe fühlsam. Mit dem Geschirr und dem Besteck gehe ich achtsam und liebevoll um; ich freue mich an seiner schönen Gestalt, an seinen Formen, und ich spüre, wie schön es ist, wenn ich denen, die sich hier nachher zum Essen niederlassen werden, Freude mache.
Und wenn ich alleinstehend bin, so dass ich den Tisch in der Regel nur für mich selbst herrichte? Vielleicht ist das Tischdecken ja gerade dann eine heilsame, segensreiche Übung! Wieviele Singles nehmen ihre Mahlzeiten hastig ein, vielleicht so, dass sie sich nicht einmal in Ruhe setzen! Und wie groß ist die Versuchung, sich selbst zu vernachlässigen, wenn man nur für sich selbst kocht! Aber gerade dann ist es wichtig, dass ich die Botschaft höre: Du bist es wert, dass dir der Tisch liebevoll und einladend gedeckt wird! Du bist es wert, dass du dir deine Mahlzeit liebevoll zubereitest! Und – man verzeihe mir die scheinbare Naivität – wenn ich nach altem Brauch mit einem Tischgebet den