Der werfe den ersten Stein - Ein Schweden-Krimi. Thomas Kanger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Kanger
Издательство: Bookwire
Серия: Kommissarin Elina Wiik
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726344226
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      Jönsson tastete mit der Hand nach einer Klingel. Schließlich hämmerte er mit der Faust gegen die Tür.

      »Keiner da«, stellte er nach einer Weile mit einem Schulterzucken fest.

      »Er ist wahrscheinlich zu Hause«, sagte Enquist.

      Ismail Mehmedović’ Haus lag nur ein paar Straßen von Andreas Mårtenssons entfernt und sah fast genauso aus. Ein Stockwerk mit Mansardendach und Keller. Mehmedović hatte aber die Garage nicht umgebaut.

      Keins der geparkten Autos auf der Straße war ein Mercedes.

      Eine dunkelhaarige Frau stand auf dem Balkon im ersten Stock und schaute zu ihnen herunter, als sie auf das Haus zugingen. Sie stützte sich mit den Ellbogen auf das Geländer. Jönsson hob den Blick zu ihr.

      »Ismail Mehmedović«, sagte er. »Ist er zu Hause?«

      Die Frau antwortete nicht. Dann drehte sie sich plötzlich um und ging ins Haus. Fünf Minuten später wurde die Haustür geöffnet. Ein Mann in langer Hose und mit nacktem Oberkörper trat auf die Treppe hinaus. Er wirkte verschlafen.

      »Ich bin Ismail«, sagte er.

      »Wo ist Ihr Auto?«, fragte Jönsson. »Ihr Mercedes.«

      »Da unten.« Mehmedović schaute schräg zum Garagentor hinunter.

      Ohne ein weiteres Wort gingen Jönsson und Enquist an ihm vorbei in den Vorraum.

      »Wo ist die Treppe?«, fragte Jönsson.

      Mehmedović zeigte nach links.

      Jönsson und Enquist gingen zur Garage hinunter. Das Auto war schwarz und hatte getönte Scheiben. Sie öffneten die Autotüren, den Motorraumdeckel, den Kofferraum. Jönsson beugte sich über den Motor. Enquist hob das Reserverad im Kofferraum hoch. Methodisch begannen sie, das Auto zu durchsuchen.

      Ismail Mehmedović war ihnen einige Schritte auf der Treppe gefolgt. Er lehnte wortlos am Türpfosten im Eingang der Garage. Als Jönsson schließlich den Vordersitz des Autos und Enquist den Rücksitz verließ, richtete Mehmedović sich auf.

      »Und was will die Polizei von mir? Funktionieren die Blinker nicht?«

      »Was haben Sie in der Nacht zu Donnerstag gemacht?«, fragte Jönsson.

      Ismail Mehmedović kratzte sich am Bauch. Er schaute zur Decke hinauf, drehte sich um und ging die Treppe rauf.

      »Einen Augenblick«, sagte Enquist. »Wo wollen Sie hin?«

      »Ich will meine Uniform anziehen.«

      Jönsson und Enquist sahen sich an und dann zur Treppe. Enquist zuckte mit den Schultern und folgte Mehmedović. Jönsson ging dicht hinter ihm. Im Vorraum wollte Enquist die Treppe weiter zum ersten Stock hinaufgehen, Jönsson hielt ihn jedoch am Arm zurück. Nach einer halben Minute kam Ismail Mehmedović wieder herunter. Er trug ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift SCHEUNE in schwarzen Buchstaben quer über der Brust. Breitbeinig baute er sich vor den Kripobeamten auf.

      »Meine bosnische Uniform habe ich weggeworfen. Sie hat ein Loch von einer Kugel abbekommen. Dafür trage ich jetzt dies hier. Warum dringen die Herren in mein Haus ein?«

      Jönsson öffnete den Mund, konnte aber kein Wort sagen, da er von Mehmedović unterbrochen wurde.

      »Zeigen Sie erst mal Ihre Ausweise und sagen Sie mir, wie der Polizeichef heißt. Auch die Telefonnummer. Die Durchwahl, nicht die Zentrale.«

      Jönsson und Enquist starrten ihn schweigend an. Dann holte Jönsson seinen Dienstausweis hervor.

      »In einer Stunde im Revier von Surahammar«, sagte er. »Wenn Sie wissen, was für Sie das Beste ist.«

      Genau 61 Minuten später betrat Ismail Mehmedović das Polizeirevier. Die letzte Minute hatte er vor der Tür gestanden und auf den Sekundenzeiger der Uhr gestarrt. Nichts in seinem Gesicht deutete darauf hin, dass er Smiley genannt wurde.

      Egon Jönsson bat ihn, sich zu setzen. Er breitete die Hände aus.

      »Vorhin ist es wohl ein bisschen zu schnell gegangen. Wir wollten nur einige Sachen klären.«

      »Okay, dann klären Sie mal.«

      »Was haben Sie in der Nacht zu Donnerstag gemacht?«, fragte Enquist.

      »Wann in der Nacht?«

      »Na ja, die ganze Nacht. Stunde für Stunde, wenn Sie es erzählen können.«

      »Das weiß ich genau. Wir hatten bis zwei eine Disko in der ›Scheune‹. Dann hab ich abgeschlossen und bis fünf mit einem Mann namens Dragan Karten gespielt. Danach bin ich nach Hause gefahren und hab geschlafen.«

      »Dieser Dragan, wie heißt der mit Nachnamen?«, fragte Enquist.

      »Keine Ahnung.«

      »Sie wissen es nicht?«

      »Ich kenne ihn nicht.«

      »Das müssen Sie uns erklären.«

      »Er ist abends in die Disko gekommen. Da hab ich ihn das erste Mal gesehen. Er stammt aus dem Kosovo. Zigeuner, glaub ich. Wir haben uns unterhalten. Was soll da dran sein?«

      »Wo ist Dragan jetzt?«

      Ismail Mehmedović zuckte mit den Schultern.

      »Woher soll ich das wissen?«, schnaubte er. »Ich kenn ihn doch nicht.«

      »Wie hat er ausgesehen?«, fragte Jönsson.

      »Ungefähr wie ich, nur jünger und dünner.«

      Enquist beugte sich vor und machte eine Notiz.

      »Gibt es jemanden, der Sie gesehen hat beim Kartenspielen oder bis fünf im Lokal?«, fragte er.

      »Wir waren allein. Das Personal ist nach Hause gegangen, nachdem wir geschlossen hatten. Vielleicht hat einer von ihnen Dragan gesehen. Ich weiß es nicht.«

      »Bleiben Sie immer länger?«, fragte Jönsson.

      »Nein, ich bin nur geblieben, um mit Dragan Karten zu spielen. Ich hab ihn noch nie gesehen. Sonst geh ich auch nach Hause, wenn wir schließen.«

      »War das Ihre Frau, die wir vor einer Stunde gesehen haben?«

      »Ja.«

      »Wo befand sie sich zu dem Zeitpunkt?«

      »Zu Hause, glaub ich. Dort ist sie immer.«

      »Haben Sie sie angerufen und ihr gesagt, dass Sie später kommen würden?«

      »Nein. Ich wollte sie nicht wecken. Sie sollte schlafen.«

      »Sie haben gesagt, Sie gehen immer nach Hause, wenn Sie schließen. Wird sie dann wach?«

      »Manchmal. Häufig.«

      »Ist sie wach geworden, als Sie um fünf kamen?«

      »Ja. Sie hat gefragt, wo ich gewesen bin. Ich hab es ihr erzählt.«

      Enquist erhob sich. Er ging einmal um den Stuhl herum, auf dem Ismail Mehmedović saß.

      »Wo stand Ihr Auto in jener Nacht?«, fragte er.

      »Vor der ›Scheune‹.«

      »Ist Ihnen jemand begegnet, als Sie nach Hause fuhren?«

      »Ich erinnere mich an niemanden.«

      »Was hat Dragan gemacht, als Sie mit dem Kartenspielen aufgehört haben?«

      Ismail Mehmedović blieb eine Weile still.

      »Er ist nach Hause gefahren«, sagte er dann. »Er hatte ein eigenes Auto. Nach Västerås, glaub ich.«

      »Was für ein Auto?«

      »Ein kleiner Fiat, glaub ich. Er war alt.«

      Enquist rieb sich das Kinn.

      »Wie oft veranstalten Sie