Miau. Skye MacKinnon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Skye MacKinnon
Издательство: Bookwire
Серия: Killerkatzen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969443309
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an dieser Hütte gefällt mir nicht; also entferne ich alle Gerätschaften und sehe mich in dem leeren Raum um. Leider gibt’s hier kein Versteck. Auch keine Falltür. Wo ich doch Falltüren so mag; aber die sind heutzutage selten.

      Enttäuscht räume ich alles wieder ein und störe mich nicht daran, dass es jetzt aussieht, als habe ein Erdbeben alles von den Regalen und Haken geworfen. Der Rasenmäher kommt als letztes dran. Er ist leuchtend rot und erinnert mich irgendwie an einen Marienkäfer. Als ich ihn anhebe, um ihn in die Hütte zurückzustellen, fällt mein Blick auf etwas auf dem Kabel. Auf der orangen Gummiummantelung sind Zahlen geschrieben:

      3 9 5 7 2 0 4

      Sie sind nicht auf dem Kabel aufgedruckt, sonst könnte es sich um einen Barcode oder ähnliches handeln. Nein, die sind mit Filzstift in wackliger Schrift aufgetragen. Ich schreibe die Zahlen in mein Notizbuch in der Hoffnung, dass sie die Kombination zu einem Safe sind oder so was Spannendem. Aber bei meinem Glück sind es vielleicht einfach nur seine Lieblingszahlen, die er aus Langeweile da draufgeschrieben hat, langweiliger Ladenbesitzer, der er nun mal war.

      Ich seufze. Ich habe jetzt also einen Schlüssel und eine Zahlenfolge, weiß aber nicht, was ich damit anfangen soll. Ich habe das ganze Haus abgesucht und auch den Garten – wobei es da außer der Hütte nichts zu sehen gibt -, aber nichts von Interesse gefunden. Abgesehen davon, dass sich das Haus insgesamt nicht sehr bewohnt anfühlt. Keine Sofakissen, ein leerer Kühlschrank, brandneue Bettwäsche und weitgehend unbenutzte Gartengeräte. Es scheint fast, als habe Winston Kindler irgendwo anders gewohnt und dies hier nur als Kulisse verwendet. Aber warum? Ergibt nicht wirklich einen Sinn. Vielleicht finde ich in seinem Laden eine Antwort.

      Kapitel 4

      Auf dem Weg hole ich mir ein Sandwich, weil ich davon ausgehe, dass der Süßwarenladen mit seinen Düften wieder meinen Appetit wecken wird. Ist mir schleierhaft, wie da jemand arbeiten kann, ohne fett zu werden wie ne Kuh. Ich würde wohl am ersten Arbeitstag schon gefeuert werden wegen unerlaubten Naschens. Vielleicht liegt das daran, dass ich in meiner Kindheit keine Süßigkeiten bekam. Jetzt, wo ich selbst entscheiden kann, was ich esse und was nicht, ist Zucker ein Hauptbestandteil meiner Ernährung.

      Noch immer warten Kinder vor dem Laden, aber die Schlange ist kürzer geworden. Ich ignoriere sie einfach und gehe direkt hinein, hab keine Geduld mehr länger zu warten. Das Mädchen steht noch immer hinter der Theke und sieht jetzt ausgesprochen erschöpft aus. Kein Wunder, wenn sie den ganzen Tag lang Süßigkeiten ausgehändigt hat. Na wenigstens habe ich in der Zwischenzeit die Gegend erkundet.

      Bei meinem Anblick seufzt sie auf. „Ich bin noch nicht fertig.“

      „Gibt’s ein Hinterzimmer, in dem ich warten kann?“ frage ich sie, und sie seufzt erneut.

      „Da ist ein kleines Büro. Fass aber nichts an. Ich komme, so schnell es geht.“

      Ich schenke ihr ein gewinnendes Lächeln und folge ihr in dieses Büro, das sich gleich hinter dem Laden befindet. Es war nicht übertrieben, als sie sagte, es sei klein. Es besteht eigentlich nur aus einem Schreibtisch, einem Regal und einem alten Ledersessel, der aussieht, als würde er jeden Moment zusammenklappen. Das Regal biegt sich unter Aktendeckeln und Papieren. Das genaue Gegenteil zu Kindlers Büro bei sich zu Hause. Dieses Zimmer sieht sehr wohl so aus, als sei es regelmäßig benutzt worden. Der Schreibtisch ist übersät mit Briefen und Rechnungen.

      Das Mädchen ist wieder in den Laden zurückgegangen, und ich kann hören, wie sie mit den Kindern spricht. Also hindert mich nichts daran, mich ein bisschen umzuschauen. Hatte sie was gesagt, von wegen nichts anfassen? Nein, dachte ich auch nicht. War sofort aus meinem Gedächtnis gelöscht.

      Die Schriftstücke auf dem Schreibtisch sind nicht besonders spannend, Stromrechnungen, Bahnfahrkarten, Rechnungen für große Mengen an Süßigkeiten. Nichts, was irgendwie außergewöhnlich wäre. Ich arbeite mich durch die beiden Schubladen. Die obere ist bis zum Rand mit weiteren Papieren vollgestopft. Da ist keine Ordnung zu erkennen, kein Ablagesystem. Es sieht aus, als habe er einfach alles da hineingestopft und gehofft, die Sachen würden sich von alleine sortieren. Finde ich irgendwie sympathisch, macht aber meine Arbeit nicht leichter.

      Die unterste Schublade sieht da ganz anders aus. Sie enthält lediglich eine kleine metallene Kassette. Die Einnahmen aus dem Geschäft vielleicht? Ein Schlüssel liegt nicht dabei, und leider ist das Schlüsselloch zu klein für den Schlüssel, den ich bei Kindler zu Hause gefunden habe.

      Ich schüttele die Kassette. Der Klang von Münzen bestätigt meine Vermutung. Da ist mit Sicherheit Geld drin. Vielleicht hat das Mädchen den Schlüssel.

      Enttäuscht, nichts Verdächtiges oder zumindest Aufregendes zu finden ist, drehe ich mich zu dem Regal hinter mir um. Da kann ich nur aufstöhnen. Das absolute Chaos. Aktendeckel mit unterschiedlichem Umfang und verschiedenen Größen, ein paar zerfetzte Bücher und stapelweise alte Papiere. Wie soll man in diesem Durcheinander irgendetwas finden?

      Ich nehme wahllos eine blaue Mappe und blättere durch die Seiten. Inventurlisten von vor zehn Jahren. Echt jetzt? Warum musste Winston Kindler wissen, wie viele Sahnebonbons und Pfefferminzlutscher er vor zehn Jahren hatte? Vielleicht hatte er einfach keine Zeit, mal richtig auszumisten. Oder er fühlte sich diesen Listen irgendwie emotional verbunden, wer weiß das schon. Ist mir so was von egal.

      Auch die nächsten Papiere sind ausgesprochen uninteressant. Ich bleibe wohl doch besser bei meinem Job. Leute umzulegen ist so viel spannender.

      Das Mädchen rettet mich vor weiteren Gähn-Attacken. Als ich höre, dass sie den Laden abschließt, lege ich die Papiere schnell wieder dahin, wo ich sie gefunden habe. So in etwa jedenfalls, in dem Chaos merkt sowieso keiner was.

      Ich schlage die Beine übereinander und setze meine Unschuldsmine auf. Sie bleibt vor dem Schreibtisch stehen und sieht mich misstrauisch an.

      „Hast du was angefasst?“ fragt sie mich stirnrunzelnd.

      Ich halte abwehrend die Hände hoch. „Du hast mir das doch nicht erlaubt.“

      „Das habe ich nicht gefragt“. Sie seufzt, lässt sich dann aber in den zweiten Sessel im Zimmer fallen, offensichtlich total fertig. Ist ja auch kein Wunder, sie hat den ganzen Tag gierige kleine Monster bedient.

      „Muss hart für dich sein, so ganz alleine jetzt“, sage ich und versuche, als netter Mensch rüberzukommen. Ich habe gehört, dass das manchmal bessere Ergebnisse bringen soll, als jemanden zu bedrohen. Mal sehen. Überzeugt bin ich davon noch nicht.

      Sie zuckt die Achseln. „Wird bald alles vorbei sein. Jetzt, wo die meisten Süßigkeiten verteilt sind, muss ich nur noch die Reste loswerden, dann wird der Laden verkauft. Ich muss mich nach neuer Arbeit umsehen.“

      Sie sieht jetzt besiegt und verloren aus, die vorhin gezeigt Courage ist verschwunden.

      „Hat er dir denn nichts hinterlassen?“ frage ich sanft. „Hat er bestimmt, dass das Geschäft verkauft werden soll?“

      Sie nickt. „Er hatte sowieso vor, nächstes Jahr den Laden zu verkaufen. Er hat mir nie gesagt, warum, die Geschäfte liefen eigentlich gut. Die Kinder liebten ihn. Zugegeben, das war eher wegen seiner niedrigen Preise, nicht, weil er so gut mit Kindern umgehen konnte. Aber egal, sie kamen immer wieder und gaben in unserem Geschäft ihr Taschengeld aus.“ Sie korrigiert sich schnell – „In seinem Geschäft“.

      Das Mädchen tut mir leid. Fast bin ich versucht, ihr einen Job anzubieten, aber ich denke nicht, dass meine Art von Arbeit etwas für sie wäre.

      „Wie heißt du?“ frage ich sie und merke erst jetzt, dass diese Frage ein bisschen spät kommt. Mit meinen Umgangsformen ist es nicht weit her.

      „Caitlin“, sagt sie lächelnd. „Caitlin Baumann. Du hast mir deinen auch noch nicht gesagt.“

      Ich lächle zurück, verzichte aber auf eine Antwort. „Erzähl mir von Herrn Kindler. Wie war er so als Chef?“

      Sie zuckt mit den Schultern. „Er hat mich immer pünktlich bezahlt. Er ist nie böse