Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Elisabeth Swoboda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisabeth Swoboda
Издательство: Bookwire
Серия: Sophienlust Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740975692
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Er wollte den Mann auf keinen Fall verärgern. Sonst würde er das, was er wissen wollte, nie erfahren.

      »Was für ’ne Auskunft?« Nissen kippte schnell noch einen Schnaps hinunter.

      »Sie betrifft Jens.« Kaum hatte Daniel das ausgesprochen, wusste er, dass er die Sache falsch angefangen hatte. Er erkannte es an Nissens abweisender Miene.

      »Was wollen Sie von Jens?«, fragte der Alte barsch.

      »Gar nichts. Er ist doch Ihr Sohn, nicht wahr?«

      »Natürlich ist er mein Sohn. Was soll die Frage?«

      »Ach, nichts. Ich meine nur …«

      »Was meinen Sie?«, bohrte der Alte weiter. Das Misstrauen hatte ihn hellwach gemacht.

      »Ich habe gehört, dass die Leute hier im Dorf über Jens reden. Sie behaupten, er sei gar nicht Ihr Sohn, Herr Nissen.«

      »Unverschämtheit!« Heinrich Nissen war aufgesprungen. Doch die plötzliche Bewegung tat ihm nicht gut. Er taumelte und musste schnell an der Wand Halt suchen.

      »Regen Sie sich nicht auf. Ich glaube Ihnen ja, dass Jens Ihr Sohn ist«, sagte Daniel.

      Das Misstrauen blieb jedoch in Nissens Blick. Er beruhigte sich aber wenigstens so weit, dass er sich wieder hinsetzte.

      »Jens ist mein leiblicher Sohn«, versicherte er und pochte sich auf die Brust. »Und alle, die das Gegenteil behaupten, sind Lügner. Hinterhältige Lügner. In…infame Lügner.«

      »Finde ich auch«, sagte Daniel. Er hob sein Glas. »Prost!«

      Das war eine Sprache, die Heinrich Nissen verstand. Er schenkte sich sein Glas schnell wieder voll. »Prost!«

      »Weißt du was?«, sagte er plötzlich vertraulich zu Daniel. Dabei legte er ihm die Hand auf die Schulter und fuhr fort, ihn zu duzen. »Eigentlich gefällst du mir. Prost, mein Freund!«

      »Prost«, sagte Daniel und kippte das Glas genauso hinunter wie Nissen. Wenn ich noch lange hier sitze, bin ich bald genauso betrunken, dachte er. Aber er spürte auch, dass der Alte sein Misstrauen allmählich verlor. Deshalb blieb er und trank mit Nissen weiter.

      Der Fischer war bald so weit, dass er überhaupt nicht mehr wusste, was er sagte. Darauf hatte Daniel gewartet. Ich muss ihn dazu bringen, mir die Wahrheit zu sagen, nahm er sich vor und trank weiter, obwohl ihn der Schnaps, die Umgebung und der Betrunkene anwiderten. Allmählich merkte er, dass er sich selbst nicht mehr ganz unter Kontrolle hatte.

      »Die Leute sind ja bloß neidisch«, lallte Nissen.

      »Neidisch?«

      »Klar. Weil ich jeden Monat Geld kriege.«

      Daniel saß wie elektrisiert auf seinem Stuhl. Das war das erste Geständnis. Der alte Nissen bekam jeden Monat Geld. »Natürlich sind die Leute neidisch«, pflichtete er ihm bei. »Prost!«

      Nissens Augen leuchteten auf. »Endlich einmal jemand, mit dem …, mit dem man trinken kann. Prost, Kumpel.« Sein Kopf fiel auf den Tisch. Doch Minuten später rappelte er sich wieder auf. »Es geht niemanden etwas an, ob ich für Jens Geld kriege oder nicht.«

      »Richtig.«

      »Überhaupt niemanden geht es etwas an.«

      »Vollkommen richtig. Und es geht die Leute noch weniger an, ob Jens dein Sohn ist oder nicht.«

      Ein misstrauischer Blick traf Daniel. Doch der alte Nissen war schon so betrunken.

      Er tappte blind in die Falle. »Ganz richtig, mein Freund.« Er schlug Daniel auf die Schulter.

      »Niemand geht es etwas an, dass Jens ein Pflegekind ist. Er hat’s ja gut bei mir. Oder nicht?«

      Daniel war aufgesprungen. »Weißt du, wer die wirklichen Eltern von Jens sind?«

      »Nichts weiß ich.« Nissens Arm fuhr durch die Luft und fegte die leere Kornflasche vom Tisch.

      Damit wusste Daniel, was er wissen wollte.

      »Komm, setz dich wieder, mein Freund. Wir …, wir trinken weiter.«

      Doch Daniel ging zur Tür. »Ich muss jetzt gehen. Wir trinken ein andermal weiter.«

      Das hörte der alte Nissen jedoch schon nicht mehr. Sein Kopf war auf die Tischplatte gefallen. Gleich darauf begann er zu schnarchen.

      Daniel stand schon vor der Haustür, als er das Geräusch in seinem Rücken hörte. Er drehte sich um und sah verblüfft, dass die Haustür wieder aufging. Auf der Schwelle stand Jens.

      Daniel ging zu ihm zurück. »Ich dachte, du schläfst schon?«

      Der Junge schüttelte den Kopf. »Ich habe alles gehört«, sagte er schüchtern. Doch plötzlich wurde seine Stimme aggressiv. »Ich weiß schon lange, dass das nicht meine richtigen Eltern sind. Sie sind so gemein. Können Sie mich nicht mitnehmen?«, fragte er unvermittelt.

      Gerührt legte Daniel dem Jungen die Hand auf die Schultern. Am liebsten würde ich es tun, dachte er. Aber dazu ist es noch zu früh. Erst muss ich mir Gewissheit verschaffen. Und ich weiß auch schon, wie. »Ich komme wieder«, versprach er. »Dann nehme ich dich vielleicht mit.«

      Ein resignierter Blick aus enttäuschten Jungenaugen war die Antwort. Es tat Daniel in der Seele weh, diesen Blick sehen zu müssen. Aber er konnte im Moment nichts anderes tun, als den Jungen um Geduld zu bitten.

      »Er schlägt mich«, sagte Jens leise. Dabei betrachtete er seine schmutzigen nackten Füße.

      »Hab ein bisschen Geduld«, bat Daniel. »Ich komme schon in den nächsten Tagen wieder.«

      Jens nickte traurig. Doch plötzlich zuckte er zusammen. Angst trat in seine Augen. Aus dem Wohnzimmer drangen polternde Geräusche und die grölende Stimme des alten Nissen.

      »Ich muss hinein«, sagte Jens. »Wenn er mich hier findet, verprügelt er mich.« Sofort huschte er ins Haus.

      Nachdenklich schaute Daniel ihm nach. Dann ging er langsam durch das nächtliche Dorf zu seinem Hotel zurück. Und weil er sich den neugierigen Fragen des Wirtes nicht aussetzen wollte, ging er sofort in sein Zimmer.

      Schlafen konnte er jedoch nicht. Dazu war er viel zu aufgeregt. Der Gedanke, dass er in dieser Nacht vielleicht seinen Sohn gefunden hatte, ließ ihn nicht mehr los. Aber unter welchen Verhältnissen lebte der arme Junge.

      Daniel sprang aus dem Bett und trat zu dem offenen Fenster. Dabei fasste er einen Entschluss: Gleich morgen früh fahre ich nach München und fliege von dort aus nach Hamburg.

      *

      Telefonisch buchte Daniel einen Platz in der Mittagsmaschine. Vor dem Abflug fand er noch Zeit, in seiner Firma schnell nach dem Rechten zu sehen. Zwei Stunden später saß er in der Maschine nach Hamburg.

      Das Haus von Harald und Sonja Fabricius lag direkt an der Alster. Es war ein Traumbau.

      Daniel hatte sich telefonisch angemeldet. Zuerst hatte der Butler ihn am Telefon abweisen wollen, aber mit einem Trick war Daniel schließlich bis zu Harald Fabricius vorgedrungen. Doch der Reeder hatte sich arrogant und überheblich gegeben. Sein Terminkalender sei auf Wochen ausgebucht. Außerdem empfange er fremde Gäste nur auf Empfehlung.

      Da war Daniel der Kragen geplatzt. »Ich wollte mit Ihnen über das uneheliche Kind Ihrer Tochter sprechen«, hatte er hart gesagt. »Aber wenn Sie nicht hören wollen, was ich Ihnen zu sagen habe …«

      »Warten Sie«, hatte der Reeder schnell erklärt. »Würde es Ihnen zwischen sechs und sieben Uhr heute Abend passen?«

      »Ganz ausgezeichnet. Ich werde pünktlich sein.« Daniel hatte aufgelegt.

      Mit einem Taxi fuhr er nun zu der Villa des Reeders. Pünktlich um achtzehn Uhr stand er vor der weißen Traumvilla. Hier also ist Anjuta aufgewachsen, dachte er. Die Umgebung ist ein kleines Paradies. Nur die Menschen darin passen nicht dazu.

      Sonja Fabricius, Anjutas Stiefmutter,