Connie lächelte glücklich. »Der Tag steht, und die Gäste sind informiert. Wir können also davon ausgehen, dass auch alle nach dem Erhalt der Einladungen zusagen werden. Das Aufgebot ist bestellt …«
»Na ja, damit hättet ihr euch noch Zeit lassen können. Wer heiratet schon am zweiten Januar – so kurz nach Silvester?«, warf Katja schmunzelnd ein.
»Bestimmt niemand. Das stimme ich dir zu. Wir wollten aber zu hundert Prozent sicher sein, dass wir an dem Tag auf jeden Fall heiraten können. Deshalb waren wir schon sehr früh beim Standesamt.«
»Der zweite Januar hat noch einen weiteren Vorteil … ihr könnt euch, wenn ihr merkt, zu heiraten war doch keine so gute Idee, immer damit herausreden, dass ihr noch betrunken von Silvester wart und nicht wusstet, was ihr tut …«, spottete Katja.
»… und die Ehe wieder annullieren lassen …«, schlug ich vor.
»Dazu wird es nicht kommen. Ganz sicherlich nicht«, erklärte Connie bestimmt.
»Scherz …«, konterten Katja und ich wie aus einem Mund.
»Ihr beide seid unsere Trauzeugen, aber das wisst ihr ja bereits seit Langem«, fuhr sie fort und klimperte verschwörerisch mit den Lidern, »wir haben die Location gebucht …«
»Wo feiert ihr?«, fragten Katja und ich gleichzeitig.
»Das wird eine Überraschung. Aber sie wird euch gefallen. Der Caterer macht uns nächste Woche Vorschläge für das Buffet … und der DJ ist auch schon verpflichtet. Wir müssen ja endlich mal wieder richtig abtanzen.«
»Ihr habt an alles gedacht«, stellte ich fest.
Connie nickte bestätigend. »Wir möchten halt, dass dieser Tag perfekt wird.«
»Das wird er mit Sicherheit«, nickte ich.
»Ach, apropos Hochzeit … da habe ich einen guten Witz«, warf Katja ein.
Wir erzählten uns ständig irgendwelche Witze. Manchmal riefen wir uns nur kurz an, um einen Witz loszuwerden, ließen der Freundin an der Strippe die Chance, ebenfalls einen Gag zu erzählen, und legten dann lachend auf.
»Lass mal hören«, ermutigte ich die Freundin.
»Ein Schüler kommt zum Rabbi und sagt: ›Oh, weiser Rabbi, mich quält ein Wunsch.‹ ›Welcher Wunsch quält dich, mein Sohn?‹, antwortet der Rabbi. ›Ich möchte ewig leben‹, gesteht der Schüler. ›Bitte, weiser Rabbi, sagt mir, was ich dafür tun muss?‹ ›Heiraten‹, entgegnet der Rabbi darauf. ›Und dann …?‹, fragt der Schüler? ›Dann werde ich ewig leben?‹ ›Nein‹, antwortet der Rabbi, ›aber der Wunsch vergeht‹.«
Wir prusteten los.
»Ich weiß auch noch einen. Der hat zwar nichts mit Hochzeiten zu tun, ist aber trotzdem gut«, sagte ich.
»Na, dann her damit«, forderte Connie mich auf zu erzählen.
»Ein Mann steht vor dem Lift. Ein zweiter Mann kommt dazu und sagt ›Na, warten Sie auch auf den Fahrstuhl?‹ ›Nee‹, sagt der Erste, ›ich hoffe, die fünfte Etage kommt runter‹.«
Nachdem wir uns beruhigt hatten, hob Connie den Zeigefinger in die Luft: »Was Fahrstühle betrifft, habe ich vor Kurzem auch etwas Lustiges gelesen. Und ich überlege immer noch, ob ich das mal selbst ausprobiere oder ob ich das lieber einen meiner Mitarbeiter machen lasse.«
Katja und ich hoben fragend die Brauen.
»Okay«, ließ Connie hören, »man stellt Schreibtisch und Bürostuhl in den Lift, macht es sich dort bequem, und immer, wenn die Türen aufgehen und jemand reinkommt, fragt man ›Haben Sie einen Termin?‹«
»Das Gesicht deines Vorstandsvorsitzenden möchte ich sehen, wenn er vor den offenen Fahrstuhltüren steht und du ihm diese Frage stellst«, sagte Katja.
»Obwohl er ja nach außen immer sehr gefasst ist und emotionslos erscheint, würden ihm bereits die Gesichtszüge entgleiten, wenn er mich nur mit meinem Büroequipment im Fahrstuhl sitzen sieht. Da muss ich die Terminfrage gar nicht mehr stellen.«
»Die Szenerie ist wirklich witzig. Das schlage ich Ulrike auch mal vor«, lachte ich und nahm einen Schluck Wasser.
Kapitel 6
Ich freute mich wie verrückt auf unseren Mädels-Tag. Gleichzeitig fieberte ich darauf, abends meinen Anrufbeantworter abzuhören und den Briefkasten zu öffnen … in der stillen Hoffnung auf eine Nachricht von meinem geheimnisvollen Fremden. Auf das reizvolle Herzrasen und das verlockende Kribbeln im Bauch, die sich dabei jedes Mal einstellten, hatte ich lange verzichtet.
Die viele Arbeit, meine Freunde und meine Familie füllten meine Tage und Abende, sodass ich Herzbubbern und Schmetterlinge nicht vermisst hatte. Aber als sie sich nun überraschend einstellten, wollte ich sie nicht mehr missen. Sie wirkten wie eine Anti-Aging-Kur. Ich kam mir vor wie ein Teenager.
Freitagabend war es dann endlich so weit. Während ich mit dem Fahrstuhl zu meiner Wohnung in den vierten Stock fuhr, ließ ich die Post durch meine Finger gleiten. Zwischen zwei Werbeflyern für Pizzabestelldienste steckte der Büttenbrief.
Wieder ohne Absender!
Der Brief musste von ihm sein!
Von wem sonst?
Ich schloss die Tür auf, nahm eine bereits offene Flasche grauen Burgunder aus dem Kühlschrank und schenkte mir ein Glas davon ein. Sekunden später öffnete ich die Schiebetür zu meiner Dachterrasse. Ich sank in die blau-weiß gestreiften Polster meines Strandkorbs, legte die Beine hoch und nahm einen Schluck Wein, bevor ich den Umschlag öffnete und gespannt den handgeschriebenen Brief las.
Meine liebe Sandra,
in Gedanken sehe ich immer wieder dein von blonden Locken gerahmtes Gesicht, während du mich wild und leidenschaftlich reitest. Ich sehe den lustvollen Ausdruck darin, an dem ich mich nicht sattsehen konnte. Als du kamst, hast du übrigens deine Unterlippe zwischen die Zähne gezogen. Das sah sehr verführerisch aus und hat mich ganz hart gemacht. Ich hätte dir auch gerne in die Augen gesehen, als du gekommen bist. So weit sind wir allerdings noch nicht.
Bis wir so weit sind, habe ich noch einiges mit dir vor. Ich würde mich freuen, wenn du mich all die Dinge mit dir machen lässt, von denen ich glaube, dass sie dir guttun – auch wenn du dabei noch den Seidenschal tragen musst.
Ich liebe es, dich zu überraschen.
Kann es sein, dass dich meine letzte Überraschung mehr angetörnt hat als alles oder zumindest vieles, was du bisher erlebt hast?
Bitte, sag jetzt nicht nein. Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.
Ich gehe davon aus, dass dieser Brief dich am Freitag erreicht. Und schon Samstag habe ich etwas mit dir vor. Das ist ein wenig kurzfristig, ich weiß. Ich bin leider nicht so zügig, wie ich es vorgesehen hatte, dazu gekommen, alles, was für die nächste Überraschung notwendig ist, vorzubereiten und dir diesen Brief zu schreiben. Der Grund dafür ist profaner Natur – die Arbeit. Damit werde ich dich jedoch nicht langweilen.
Der Umschlag enthält nur dieses Schreiben. Ich will, dass wir uns noch einmal im Heaven sehen … nein, das ist falsch. Ich werde dich sehen. Du wirst mich nur fühlen. Und natürlich werde ich dich wieder überraschen. Ich bin mir sicher, dass du das noch nie gemacht hast … Na ja, fast sicher. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass es dir gefallen wird. Gefallen ist vielleicht untertrieben. Es ist perfekt. Aber … nein, mehr verrate ich dir an dieser Stelle nicht.
Ich sehe dich im Heaven. Und selbstverständlich lade ich dich ein. Am Empfang ist eine Eintrittskarte auf deinen Namen hinterlegt.
Ich erwarte dich gegen Mittag.
Bitte komm!
Ich hastete ins Wohnzimmer, wo ich einen schnellen Blick in den Kalender meines Smartphones