Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Shakespeare
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833631
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o Herr, ist unsre nächste Pflicht,

       Ihm Tag und Nacht getreulich nah zu sein

       Und seiner Laune freundlich nachzugeben,

       Bis Zeit ein heilsam Mittel ihm gewährt. –

      Marcus.

       Kein heilsam Mittel hilft für solchen Gram!

       Stoßt zu den Goten, und ein Rachekrieg

       Bringe Ruin dem undankbaren Rom

       Und Rache am Verräter Saturnin.

      Titus.

       Nun, Publius? Nun, liebe Herrn,

       Sagt mir, traft ihr sie schon?

      Publius.

       Nein, teurer Herr! Doch Pluto läßt erwidern,

       Wollt Ihr von ihm die Rache, schickt er sie;

       Gerechtigkeit sei in Geschäften oben,

       Er meint, beim Jupiter – vielleicht woanders –

       So daß Ihr Euch durchaus gedulden müßt. –

      Titus.

       Er kränkt mich, hält er mich mit Zögern hin!

       Ich tauche selbst in jenen Flammensee

       Und zieh sie bei den Fersen aus dem Styx.

       Marcus, wir sind nur Sträuche, Zedern nicht,

       Nicht Riesen nach Zyklopenart geformt;

       Zwar Erz, mein Marcus, Stahl bis an den Nacken,

       Doch leidgebeugt, mehr als der Nacken trägt.

       Und weil kein Recht auf Erden, noch im Orkus,

       Wolln wir zum Himmel, zu den Göttern flehn,

       Uns Recht herabzusenden, uns zum Trost.

       Kommt, Hand ans Werk! Hier Marcus, wackrer Schütz,

      (Er verteilt die Pfeile.)

      Ad Jovem, den nimm du; hier ad ApollinemAd Martem, diesen nehm ich selbst. – – Hier, Knab, an Pallas; – der hier an Merkur, Saturn und Coelus! – nicht an Saturnin – Das wär, als schößt Ihr gegen Sturm und Wind! – Nun, Knabe, frisch; sowie ich winke, schießt; Verlaßt euch drauf, ich schrieb es mit Bedacht; – Da ist kein Gott, zu dem ich nicht gefleht.

      Marcus.

       Vettern, schießt alle Pfeil ihm in den Burghof;

       Verwunden laßt uns dieses Kaisers Stolz.

      Titus.

       Nun zieht die Sehnen. – (Sie schießen.) Wohlgetroffen, Lucius! –

       Brav, Knab! In Virgos Schoß: nun hilf Minerva!

      Marcus.

       O Herr, weit übern Mond schoß ich hinaus,

       Eur Brief muß jetzt beim Jupiter schon sein.

      Titus.

       Ha, Publius, Publius! Was hast du vollbracht?

       Sieh, eins von Taurus' Hörnern abgeschossen!

      Marcus.

       Titus, das war der Spaß: als Publius schoß,

       Ward Taurus wild, gab Aries solchen Stoß,

       Daß sein Gehörn herabfiel in den Hof;

       Wer, meint Ihr, fands, als Tamoras Gesell?

       Sie lacht' und rief dem Mohren, Augenblicks

       Dem Kaiser es zu bringen als Geschenk.

      Titus.

       So paßt sichs recht! Gott geb Eur Hoheit Freude!

      Ein Bauer tritt auf, der einen Korb mit zwei Tauben trägt.

      Nachricht vom Himmel, Marcus! Sieh den Boten!

       Was bringst du, Freund? Sind Briefe da für uns?

       Erscheint uns Recht? Was sagt der Lenker Zeus?

      Bauer. Holla! Was der Henker Neues sagt? Er sagt, er hat den Galgen noch nicht in Ordnung, denn der Mensch soll erst nächste Woche hängen.

      Titus.

       Still! Was erwidert Zeus, ich frag es nochmals.

      Bauer. Ach, Herr, Euern Zeisig kenn ich nicht, mit dem hab ich all meine Lebtage nicht getrunken.

      Titus.

       Wie! Bist du sein Briefträger nicht, Gesell?

      Bauer. Meine Tauben habe ich hergetragen, Herr, sonst nichts.

      Titus.

       So kommst du nicht vom Himmel?

      Bauer. Vom Himmel? Ach, gnädiger Herr, da bin ich nie gewesen; Gott behüte mich, daß ich so dreist sein sollte und mich in meinen jungen Tagen in den Himmel eindrängen. Seht, ich gehe mit meinen Tauben zu dem Tribunalplebs, weil ich einen Zank zwischen meinem Vetter und einem von Seiner Kaiserlichkeit Bedienten schlichten helfen will.

      Marcus. Seht, Bruder, das kommt uns so gelegen wie möglich, um Eure Supplik zu unterstützen; laßt ihn dem Kaiser die Tauben in Eurem Namen bringen.

      Titus. Sag mir, kannst du dem Kaiser eine Supplik mit einiger Grazie einreichen?

      Bauer. Nein, bewahre Gott, Herr, mit dem Gratias habe ich all meine Tage nicht fertig werden können.

      Titus.

       Freund, komm heran, mach nicht viel Wesens hier;

       Gib deine Tauben in des Kaisers Hand,

       Ich schaffe dir Gerechtigkeit von ihm;

       Wart noch, hier hast du Geld für deine Müh.

       Gebt mir Papier und Feder.

       Reichst du mir die Supplik mit Grazie ein?

      Bauer. Ja, Herr.

      Titus. Hier also ist ein Gesuch für dich. Und wenn du vor ihm erscheinst, mußt du beim ersten Eintritt knien, dann ihm die Füße küssen, dann deine Tauben überreichen, dann deinen Lohn erwarten. Ich werde in der Nähe sein, Bursch; sieh zu, daß du deine Sache gut machst.

      Bauer. Seid unbesorgt, Herr, laßt mich nur machen.

      Titus.

       Hast du ein Messer, Bursch? Komm, zeig es mir!

       Hör, Marcus, falt es in die Bittschrift ein;

       (Du schriebst ja wie ein armer Bittender

       Und wenn du sie dem Kaiser überreicht,

       Klopf an mein Tor und sag mir, was er sprach.

      Bauer. Gott befohlen, Herr, ich wills tun.

      Titus.

       Komm, Marcus, gehn wir; folg mir, Publius. (Alle ab.)

      VIERTE SZENE

       Inhaltsverzeichnis

       Im Palast

      Es treten auf der Kaiser, die Kaiserin und ihre Söhne; der Kaiser hält die von Titus abgeschossenen Pfeile in seiner Hand

      Saturninus.

       Wie dünkt euch solche Kränkung? Bot man je

       Roms kaiserlichem Herrscher solchen Trotz,

       Belästigt' und erzürnt' ihn, höhnt' ihn so,

       Weil er das Recht erfüllt', den Spruch vollzog?

       Ihr wißt es, Herrn, gleich den allsehnden Göttern