Ein tödliches Spinnennetz. George B. Wenzel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George B. Wenzel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783965550803
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war genau das Richtige. Seit langer Zeit fühlte ich mich mal durch nichts und niemanden getrieben. Doch immer wieder kamen mir Gedanken zu der Anzeige in den Sinn.

      »Nein, nicht jetzt und nicht heute«, grummelte ich vor mich hin. Eine Frau, die gerade an mir vorüberging, sah mich fragend an, doch ich lief unbeirrt weiter.

      Am nächsten Morgen die gleiche Prozedur wie am Vortag. Vivien freute sich, dass wir nun endlich morgens gemeinsam frühstückten und sie hoffte, dass das auch bei einer neuen Arbeitsstelle so bleiben würde. Unser Verhältnis, das durch die Vorgänge der letzten Zeit sehr belastet war, entspannte sich zusehends. Diesmal fand ich in der Tageszeitung nichts, was des Nörgelns wert gewesen wäre oder ich hatte heute einfach keine Lust dazu. Das ging nun ein paar Tage so, und ich genoss die freie Zeit im Garten. Ich war schon froh, dass Vivien nicht »Mon Dieu!« ausrief, wenn sie sah, was ich tagsüber im Garten angerichtet hatte, schließlich war ich nicht gerade der geborene Gärtner.

      Nach einigen Tagen, Vivien verließ wie üblich nach dem Frühstück das Haus, griff ich wieder nach der Tageszeitung. Nachdem ich sie gelesen hatte, sah ich die aktuelle Ausgabe des »Revisor« noch auf dem Tisch liegen. Ich blätterte darin, bis ich die gesuchte Seite gefunden hatte.

      Na, da will ich doch mal im Internet nachsehen, was es darüber zu lesen gibt!, und schon saß ich vor meinem PC. Diese Detektei gab es seit etwa fünfzehn Jahren, sie konnte eine Referenzliste von Mittelstandsfirmen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern vorweisen, war aber auch für globale Großunternehmen tätig. Nach allem, was ich las, musste ich annehmen, dass die EA ihre Mitarbeiter auf besondere Art und Weise tätig werden ließ. Ich beschloss, mich am nächsten Tag genauer über die Firma zu erkundigen.

      Das Streichholz in der Hand

      Ich weiß nicht, was mich geritten hat. Ohne mit meiner Frau darüber gesprochen zu haben, rief ich am nächsten Tag, nach einigen weiteren Recherchen im Internet, bei der EA an. Man kann ja mal unverbindlich anfragen, damit ist ja noch nichts entschieden!

      Nach meiner Anfrage bekam ich zwei Tage später einen Rückruf, und man bot mir einen Termin für den übernächsten Vormittag am Flughafen Stuttgart an. Ich sollte mich beim Informationspunkt einstellen, da der zuständige Mann einen Termin in Stuttgart wahrnehmen würde. Er habe nur eine knappe halbe Stunde Zeit für mich.

      Wie gewohnt stand ich ein paar Minuten früher am vereinbarten Treffpunkt. Genau um 11 Uhr, hatte es geheißen, würde der Mann ankommen. Seltsamerweise hatte man mir keinen Namen oder den Flug genannt, sondern erklärt, dass er mich schon finden würde.

      »Sind Sie Herr Joseph Vincente?« Ich drehte mich um und sah einen Mann mittleren Alters. Dunkelblauer Anzug, lila Seidenfliege, weißes Hemd, schwarze glänzende Schuhe, unauffällige Brille, kleiner Schnurrbart, wachsame Augen. Ich nickte, wollte gerade etwas sagen, da winkte er ab.

      »Folgen Sie mir.«

      Ich lief hinter ihm her in ein Café, in dem zu dieser Zeit nur wenige Personen saßen. Jetzt erst begrüßte er mich. Er stellte sich mit dem Namen Fritz Maier vor. Ein kleines Lächeln huschte dabei über sein Gesicht. In dem Moment war ich mir sicher, dass der Name nicht stimmte. Er sei von der EA.

      »Sie haben Interesse bekundet, bei uns mitzuarbeiten?«, fragte er mich mit leiser, aber klarer, deutlicher Stimme. Wieder nickte ich. Doch bevor ich antworten konnte, fuhr er fort und erklärte, dass er eine Aufgabe für mich habe. Erstaunt sah ich ihn an.

      »Eine Aufgabe?«, fragte ich. »Sie kennen mich nicht und haben eine Aufgabe für mich?«

      Wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er skizzierte in wenigen Sätzen mein Leben der letzten Jahre, meine beruflichen Funktionen sowie Projekte, an denen ich einmal gearbeitet hatte. Selbst über einige der Sonderuntersuchungen, die ich geleitet hatte, wusste er Bescheid. Er wusste auch, dass ich bei meinem Ex-Arbeitgeber vor Kurzem gekündigt hatte.

      »Woher …?«

      Doch er stoppte mich sofort.

      »Woher ich das weiß? Wir sind eine Gesellschaft, deren Aufgabe es ist, Vorgänge, Personen und Zusammenhänge zu analysieren. Den Lebenslauf eines Menschen festzustellen, ist da nur eine relativ kleine Anforderung. Würde ich diese Dinge nicht über Sie wissen, hätten wir heute keinen Termin«, erklärte er mir trocken.

      Ich war platt. Dieser Mann war über mich im Bilde, er wusste Dinge über mich, die er eigentlich nicht wissen sollte. Mein Interesse, meine Neugier waren noch größer geworden, ich wollte mehr erfahren. Deshalb fragte ich, um welche Aufgabe es sich denn handle?

      »Nun, nur eine kleine Geschichte«, erklärte Maier, und eine Handbewegung von ihm sollte dies wohl unterstreichen. »Sie sollen bis morgen Abend feststellen, welche Geschäfte eine Firma namens Lohr & Cie. in Berlin macht.«

      »Wie? Bis morgen Abend? Eine Firma in Berlin? Wie soll das gehen?«, fragte ich irritiert.

      »Das ist Ihrer Entscheidung und Ihrer Fantasie überlassen. Kommen Sie morgen Abend 18 Uhr mit Ihren Ergebnissen in das Café am Postplatz in Böblingen«, entgegnete er lächelnd. Dann stand er auf, verneigte sich kurz und verließ mich.

      Das war es dann wohl, dachte ich. Eine derartige Analyse über eine Firma in Berlin, das kann doch nur eine Schnapsidee sein, um mich wieder loszuwerden. Während der Fahrt mit der S-Bahn grübelte ich über die mir gestellte Aufgabe nach.

      Zu Hause angekommen, setzte ich mich vor den PC und suchte im Internet nach dieser Firma »Lohr & Cie«. Schließlich gilt: »Wer rastet, der rostet« oder mit den Worten meines gestrengen Vaters: »Chi si ferma è perduto«. Ich vergaß das Essen, ich ignorierte die Welt um mich herum. Irgendwann stand ich auf und rieb mir die Augen. Ich brauchte jetzt dringend einen Kaffee, mein Gehirn forderte einen Turbolader. Darüber hinaus begann sich mein Magen zu melden. Also brühte ich mir einen Kaffee auf und aß das letzte trockene Brötchen, das vom Morgen übrig geblieben war. Am Abend, als Vivien nach Hause kam, erzählte ich ihr davon. Sie schüttelte den Kopf über mich und fragte, ob »Monsieur Auditor« denn wirklich wisse, was er tue? Warum ich es derart eilig hätte, mich auf so eine seltsame Sache einzulassen? Aus ihrer Sicht ergebe das keinen Sinn. Ich wusste, wenn sie so mit mir sprach, war es besser, nichts darauf zu erwidern.

      In der Nacht hatte ich mir weitere Informationen zusammengesucht und in die begonnene Darstellung integriert. Lohr war ein Mittelständler, der mit anderen Firmen Projekte im Bereich IT durchführte. Dabei koordinierten sie die Zusammenarbeit, suchten Fachfirmen oder Fachleute, um Projekte umzusetzen, und agierten dabei wie Makler oder sie verkauften EDV-Maschinen, die speziell für sie gebaut wurden und die sie unter ihrem eigenen Label vertrieben. In wenigen Fällen verkauften sie an Wiederverkäufer, die weiteren Service erbrachten, die Maschinen mit eigenen beziehungsweise Fremdteilen ergänzten oder zusätzliche Software installierten. Auffällig war, dass sie sehr oft mit zwei Firmen in Österreich und der Schweiz zusammenarbeiteten. Offensichtlich waren die Geschäftsführer von Lohr auch Gesellschafter dieser Firmen. Zufall war es nicht, dass ich das herausfand, obwohl die Gesellschafterinformationen keine Namen beinhalteten, sondern diese nur als GmbHs genannt wurden. Die Gesellschafter selbst waren offensichtlich Schweizer Nationalität. Diese Verbindung herzustellen, gelang mir durch eine Suche in sozialen Netzwerken. Charles Fourner und René Bergler, Geschäftsführer der »ConFi-IT Services«, einer IT-Finanzierungsgesellschaft mit Sitz in Zürich, führten auch die Geschäfte bei Lohr in Berlin.

      In einem Bericht des »Neuen Züricher Wirtschaftstagblatt« und ebenfalls in den »International Finance News«, London, tauchten die beiden Namen im Zusammenhang mit einem Finanzskandal von vor zwei Jahren auf. Damals wurde groß über einen Firmenzusammenbruch in Großbritannien geschrieben, in den die beiden Manager mit Finanzmanipulationen involviert gewesen sein und dadurch den Konkurs der ConFi-IT Services verursacht haben sollten. Knapp dreihundert Leute hatten damals ihre Jobs verloren und das in einer Stadt, in der es ohnehin kaum Jobs gab. Als Folge des Firmenzusammenbruchs hatten sich zwei Familienväter im Alter von achtundfünfzig und sechzig Jahren das Leben genommen. In der »International Finance News« fand ich einen