Zur einfacheren Orientierung sind die Textteile in den Kapiteln 4 und 5, die steuerbilanzielle Aspekte behandeln, einheitlich mit dem nebenstehenden Balkensymbol gekennzeichnet.
Der Darstellung liegen die Verhältnisse eines produzierenden Unternehmens zugrunde.
Dieses Lehrbuch richtet sich an Studierende eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums, vorzugsweise Bachelor, an Fachhochschulen, dualen Hochschulen sowie Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, sowie an Praktiker oder sonstige Weiterbildungsinteressierte, die grundlegende Kenntnisse für ihre Berufstätigkeit erwerben oder auffrischen wollen.
1 Rahmenbedingungen der Einführung und Anwendung eines Systems der Buchführung und der Jahresabschlusserstellung
1.1 Einordnung in das betriebliche Rechnungswesen
Wer ein Unternehmen gründet und betreibt hat bei der Fülle operativer Entscheidungen im Unternehmensalltag und strategischer Entscheidungen der Unternehmensführung ein Bündel rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen zu beachten.
Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen gehören – neben anderen – die Verpflichtung zur Information Außenstehender über die Lage des Unternehmens mittels einer Vermögensaufstellung (Bilanz) und einer Erfolgsrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung) sowie die Erklärungs- und Ermittlungspflichten gegenüber den Finanzbehörden. Darüber hinaus sind im internen Bereich für die Führung des Unternehmens bestimmte Informationen über das Unternehmen unabdingbar. Die Planung, Steuerung und Kontrolle aller Unternehmensbereiche ist eine Hauptaufgabe im Unternehmensführungssystem zur Erreichung der markwirtschaftlichen Ziele des Unternehmens.
Das Rechnungswesen ist das Rechenwerk zur zahlenmäßigen Abbildung des betrieblichen Geschehens im Unternehmen und zur Bereitstellung entsprechender Informationen. Es sind die beiden Komponenten »Informationserfassung« und »Informationsauswertung« zu unterscheiden. Während die Informationserfassung und -aufbereitung einen weitgehend objektiven Prozess darstellt, beinhaltet die Informationsauswertung auch subjektive Komponenten. Die Information Außenstehender erfolgt naturgemäß im Interesse des Informierenden, soll doch der Adressat ein bestimmtes Bild vom Unternehmen erhalten. Dagegen ist für interne Steuerungszwecke die objektive Entscheidungsrelevanz der Information von fundamentaler Bedeutung.
Die Bestimmung des Begriffs, des Aufbaus und der Funktionen des Rechnungswesens sind grundlegende Fragestellungen der Betriebswirtschaftslehre. Rechnungswesen ist definiert als ein Informationssystem innerhalb einer Unternehmung zur quantitativen, vorwiegend mengen- und wertmäßigen Ermittlung, Aufbereitung und Darstellung von wirtschaftlichen Zuständen in einem bestimmten Zeitpunkt und von wirtschaftlichen Abläufen während eines bestimmten Zeitraums1. Es dient der Unternehmensleitung als Instrument zur Steuerung und Überwachung der unternehmerischen Zielerreichung. In Erweiterung von Unternehmenszielen, die sich nicht mengen- und wertmäßig darstellen lassen (bspw. ökologische oder soziale Ziele eines Unternehmens) wird auch der Begriff der Unternehmensrechnung verwendet2.
Das Rechnungswesen enthält im Aufbau zwei Teilgebiete, die als internes Rechnungswesen und als externes Rechnungswesen bezeichnet werden. Beide stehen miteinander in Verbindung und verwenden in Teilen das gleiche Zahlenmaterial.
• Das interne Rechnungswesen richtet sich an interne Adressaten (Unternehmer, Geschäftsführung, Beirat und Aufsichtsrat, …) und dient der Unternehmenssteuerung durch Planung und Kontrolle, um im Unternehmen betriebswirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen zu unterstützen und Verhalten entsprechend zu steuern. Zum Instrumentarium gehören die Kosten- und Leistungsrechnung sowie die Finanz- und Investitionsrechnung. Das sogenannte Controlling eines Unternehmens versteht sich als zielorientierte Steuerung des Unternehmens durch Information, Planung und Kontrolle.
• Das externe Rechnungswesen richtet sich vorrangig an Adressaten außerhalb des Unternehmens, insbesondere externe Kapitalgeber. Es umfasst die Dokumentation des Unternehmensgeschehens (Geschäftsvorfälle) sowie die Rechenschaft bzw. Information über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens. Zu den Instrumenten des externen Rechnungswesens gehört neben der Finanzbuchhaltung (kurz: Buchführung) der Jahresabschluss. Der Jahresabschluss besteht grundsätzlich aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Kapitalgesellschaften müssen ggf. weitere Berichtsinstrumente (z. B. Anhang bzw. Lagebericht) anwenden3. Die steuerliche Gewinnermittlung basiert auf einem Vermögensvergleich und bedient sich ebenfalls dem Nebeneinander von Vermögens- und Erfolgsrechnung. Im Unterschied zum internen Rechnungswesen regeln gesetzliche Vorschriften den Inhalt der Instrumente des externen Rechnungswesens, um im Interesse der externen Adressaten ein gewisses Maß an Objektivität sicherzustellen. Dennoch eröffnen diese Regelungen den Bilanzierenden Möglichkeiten der Gestaltung durch Bilanzpolitik. Verantwortlich dafür sind entweder gesetzliche Wahlrechte oder Ermessensspielräume bei der Rechtsanwendung, die geschickt im Interesse des Bilanzierenden genutzt werden können.
Beide Teilgebiete des Rechnungswesens greifen auf das Zahlenmaterial der Finanzbuchhaltung zu, die eine planmäßige, lückenlose und geordnete Aufzeichnung aller täglichen Geschäftsvorfälle eines Unternehmens auf der Basis von Belegen sicherstellt. Daraus wird zunächst der Jahresabschluss abgeleitet. Für interne Informationszwecke werden die Daten der Finanzbuchhaltung dann nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewertet. In der Praxis bezieht die Unternehmensleitung häufig auch Buchführung und Jahresabschluss als Instrumente zur Steuerung mit ein. Das gilt insbesondere für kleinere Unternehmen, die nicht über die Ressourcen zum Aufbau eines internen Rechnungswesens verfügen.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Teilgebieten des Rechnungswesens sind in Abbildung 1.1 zusammengestellt.
Rechnungswesen
Abb. 1.1: Teilgebiete des Rechnungswesens
Indem das Rechnungswesen Informationen über Geschäftsverlauf und Lage des Unternehmens bereitstellt, ermöglicht es die Beurteilung, inwieweit das Unternehmen seine finanziellen Ziele erreicht hat. Ausgehend von der grundlegenden marktwirtschaftlichen Zielsetzung der Gewinnmaximierung lassen sich grundsätzlich drei Ebenen der Unternehmensziele unterscheiden, woraus sich drei Steuerungsebenen ergeben: strategische Steuerung der Erfolgspotenziale, operative Steuerung des Unternehmenserfolges und finanzwirtschaftliche Steuerung der Liquidität4.
Für den Bereich des Jahresabschlusses hat der Gesetzgeber in § 264 Abs. 2 HGB eine grundsätzliche Definition des Zweckes des Jahresabschlusses formuliert: »Der Jahresabschluss hat (…) ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln«. Die Bilanz hat dabei die Aufgabe, die Vermögenslage durch Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden zu einem bestimmten Zeitpunkt darzustellen. Als Saldo ergibt sich das Nettovermögen, das bilanziell als Eigenkapital bezeichnet wird. Die Darstellung in der Form eines Kontos führt dazu, dass beide Kontenseiten der Bilanz gleich groß sind. Die Veränderung des Eigenkapitals zwischen zwei Stichtagen spiegelt den in einer Periode erzielten Erfolg (Nettovermögensveränderung) wider. Die Zusammensetzung des Periodenerfolgs als zentrale Größe der Ertragslage wird in der Gewinn- und Verlustrechnung durch die Gegenüberstellung von Erträgen und Aufwendungen sichtbar, wobei erstgenannte Wertezuwächse und letztgenannte Werteverzehre in einer Periode darstellen (