Der Verweildauer-Effekt
Bei der Kalkulation der InEK-Matrix werden, vereinfacht gesagt, nur die Kosten der sogenannten Normallieger berücksichtigt. Für Kurzlieger, also Behandlungsfälle bis zur unteren Grenzverweildauer der DRG, sowie für Langlieger oberhalb der oberen Grenzverweildauer, wird eine reduzierte resp. erhöhte Bewertungsrelation abgerechnet. Die Höhe dieser Ab- bzw. Zuschläge sind dem Fallpauschalenkatalog zu entnehmen, beziehen sich jedoch immer pauschal auf die Gesamtvergütung der DRG. Die Ab- bzw. Zuschläge können nicht auf einzelne Kostenartengruppen oder Kostenstellengruppen heruntergebrochen werden. Damit ist eine genaue Berechnung der jeweiligen Erlösanteile für Kurz- oder Langlieger nicht möglich.
Der Outsourcing-Effekt
Verschiedene Leistungen werden im Krankenhaus von Honorarkräften oder externen Dienstleistern erbracht. So haben viele Krankenhäuser ihre Radiologie, ihr Labor usw. fremdvergeben (Outsourcing). Ein Kalkulationskrankenhaus, welches über eine eigene radiologische Abteilung verfügt, wird die dort entstehenden Kosten für den medizinischen Bedarf in den Spalten 6a und 6b ausweisen. Die Personalkosten für die Radiologen sind in Spalte 1 sichtbar. Hat jedoch ein Kalkulationskrankenhaus die Radiologie extern vergeben, so werden die genannten Sach- und Personalkosten komplett in Spalte 6c ausgewiesen. Hier werden also inhaltlich identische Leistungen krankenhausindividuell unterschiedlich gebucht und unterschiedlichen Matrixfeldern zugeordnet. Dies führt dazu, dass ein Vergleich der eigenen Kosten mit den InEK-Erlösanteilen für diese Bereiche häufig nur auf Ebene der Kostenstellengruppen in Summe sinnvoll ist.
Der Zusatzentgelt-Effekt
Leistungen, die über Zusatzentgelte (vgl. 3.6) abgerechnet werden, sind in der Kalkulation der InEK-Matrix nicht enthalten. Damit wird eine doppelte Vergütung vermieden. Nicht selten kommt es vor, dass eine medizinische Maßnahme, deren Kosten durch die DRG vergütet wird, alternativ durch eine zusatzentgeltfähige Maßnahme erbracht werden kann. Beispiel invasive Pilzinfektionen: es stehen sowohl »herkömmliche« Präparate zur Verfügung, deren Kosten über den entsprechenden DRG-Erlösanteil refinanziert werden, als auch zusatzentgeltfähige Präparate, z. B. die sogenannten Echinocandine. Je höher der Anteil der Patienten in den Kalkulationskrankenhäusern ist, die mit Echinocandinen behandelt werden, desto niedriger wird der Kostenanteil für Arzneimittel innerhalb der DRG-Matrix ausfallen. Wenn im eigenen Haus das Verordnungsverhalten bei Pilzinfektionen vom Durchschnitt der Kalkulationskrankenhäuser abweicht, so kann dies eine deutliche Diskrepanz zwischen den hausindividuellen Arzneimittelkosten und dem InEK-Erlösanteil zur Folge haben.
Der Fallmix-Effekt
In dem G-DRG-System werden unterschiedliche medizinische Fälle in einer Fallgruppe zusammengefasst. Durch diese Pauschalierung bedingt können krankenhausindividuell deutliche vermeintliche Über- oder Unterdeckungen in Bezug auf einzelne Kostenartengruppen, Kostenstellengruppen oder sogar in Bezug auf die gesamte DRG resultieren. Ein Beispiel: die DRG »G33Z: Mehrzeitige komplexe OR-Prozeduren oder hochaufwendiges Implantat bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane« wird sowohl für Behandlungen mit »mehrzeitigen komplexen OR-Prozeduren« als auch für Behandlungen mit einem »hochaufwendigen Implantat« abgerechnet. Wenn ein Krankenhaus nun die hier relevanten »hochaufwendigen Implantate« nicht verwendet, so werden innerhalb des Kollektivs der DRG G33Z voraussichtlich die Implantatkosten deutlich unter den hierfür in der InEK-Matrix vorgesehenen Kosten liegen. Dagegen kann in unserem Beispielhaus von höheren Personalkosten als im Durchschnitt der Kalkulationsstichprobe ausgegangen werden, da in diesem Krankenhaus die DRG G33Z ausschließlich durch »mehrzeitige komplexe« Operationen angesteuert wird.
Berücksichtigt man die genannten Effekte und Unschärfen der Fallkostenkalkulation, so können – zumindest ansatzweise – die Informationen aus der InEK-Matrix für Kosten-Erlös-Betrachtungen genutzt werden. Mit entsprechenden Analysen können operative und strategische Entscheidungen unterstützt werden. Praktische Anwendungsbeispiele werden in Kapitel 11 (Rentabilitätsorientierte Steuerung) beschrieben (
3.6 Zusatzentgelte (ZE)
Im Krankenhaus werden häufig kostenintensive Leistungen erbracht, die über mehrere Fallpauschalen streuen und/oder einen hohen Spezialisierungsgrad aufweisen und nur von einem Teil der Häuser erbracht werden. Würden die Kosten für diese Leistungen im Rahmen der DRG-Kalkulation berücksichtigt, so würde dies entweder unspezifisch die Bewertungsrelationen erhöhen und damit diejenigen Häuser benachteiligen, die die entsprechenden Leistungen erbringen – oder die Zahl der DRGs würde sich vervielfachen, falls die relevanten Leistungen adäquat vergütet werden sollen.
Als Ausweg aus diesem Dilemma werden den Krankenhäusern zusätzlich zu den DRGs Kosten für definierte Leistungen über Zusatzentgelte vergütet, und die entsprechenden Kosten bleiben bei der DRG-Kalkulation unberücksichtigt. Mit der Festlegung von ZE wird also die Katalogerweiterung um zusätzliche DRG-Fallpauschalen vermieden, und es wird eine leistungsgerechte Vergütung der betroffenen Verfahren und Prozeduren erreicht. Zur Kalkulation von ZE fordert das InEK bei Bedarf – häufiger als zur Kalkulation der DRGs – ergänzende Daten von den Kalkulationskrankenhäusern an. Somit kann die für die DRG-Kalkulation beschriebene »kalkulatorische Lücke« (
Die Zusatzentgelte werden, wie die DRGs, jährlich vom InEK definiert, kalkuliert und im Fallpauschalenkatalog veröffentlich. Diese Entgelte werden zumeist über eine Prozedurenkodierung angesteuert.
Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Zusatzentgelten:
Inhaltlich handelt es sich um ganz unterschiedliche Leistungen. Häufig werden teure Arzneimittel, Spezialimplantate usw., also sachkostenintensive Leistungen durch ZE vergütet. Aber auch Komplexbehandlungen, z. B. für pflegeintensive oder palliativmedizinisch versorgte Patienten, können ZE-relevant sein.
3.7 Refinanzierung durch Zusatzentgelte
Um einen ersten Überblick über die Refinanzierung der ZE-relevanten Leistungen zu erhalten bietet es sich an, die Refinanzierungsquote für die im eigenen Haus angewendeten Verfahren zu überwachen.
Die Refinanzierungsquote setzt die ZE-Erlöse für eine bestimmte Leistung, z. B. für ein Arzneimittel, ins Verhältnis zu den Kosten. Sie ist damit abhängig vom Einkaufspreis des jeweiligen Verfahrens, z. B. eines Arzneimittels, von der Erfassungsquote (Kodierqualität!) sowie bei den nicht bewerteten ZE von der vereinbarten Entgelthöhe.
Man darf auch bei »guten« Einkaufspreisen und vollständiger OPS-Erfassung nicht erwarten, dass die Refinanzierungsquote durchgängig bei 100 % liegen wird.