Intuitionenpumpen sind starke pädagogische Hilfsmittel. Von Descartes’ „Cogito, ergo sum“ – Gedankenexperiment wird allgemein angenommen, daß es logisch fragwürdig ist, wenn nicht sogar völlig verfehlt. Es hat Dutzende von Reinterpretationen und Verteidigungen hervorgerufen; viele Philosophieprofessoren würden diese Kommentare einfach beiseitelegen, während sie nicht im Traum daran dächten, Descartes’ dramatische Idee vom Lehrplan zu streichen. Selbst große Intuitionenpumpen können genausosehr in die Irre leiten, wie sie instruieren können. Wenn wir zum Beispiel Descartes lehren, lehren wir typischerweise sein Gedankenexperiment nicht als Enthüllung der Wahrheit über die Erkenntnis – oder auch nur als Weg dazu. In der Tat werfen wir Descartes und seiner verführerischen Intuitionenpumpe in der Regel vor, daß sie die Philosophie in ein 300 Jahre dauerndes fruchtloses Unterfangen geführt hat. Bestenfalls sind wir ihm in derselben Weise dankbar, wie wir jemandem vielleicht dankbar sind, der uns die falsche Richtung wies, doch dessen Weisung uns in ein faszinierendes, unglückliches Abenteuer verwickelte, aus dem wir dann eine Menge lernten.
Die zentrale Rolle der Intuitionenpumpen in der Philosophie zeigt, daß die Philosophie keine Wissenschaft ist und dies auch vernünftigerweise nicht sein wollen kann. Philosophie ohne Intuitionenpumpen ist gelegentlich bei der Klärung und Einteilung eines begrifflichen Gebiets ausreichend erfolgreich, so daß die Wissenschaft damit weitermachen kann, aber dies sind im großen und ganzen keine Erfolge im Zentrum der philosophischen Bemühungen. Philosophie mit Intuitionenpumpen ist überhaupt keine Wissenschaft, aber auf ihre eigene informelle Weise ist sie ein wertvoller – gelegentlich auch notwendiger – Begleiter der Wissenschaft. Es sollte Philosophen nicht verlegen machen anzuerkennen, daß Intuitionenpumpen eine Menge der beständig anfallenden Arbeit der Philosophie tun (besser oder schlechter). Schließlich sollte eine Intuitionenpumpe das ideale Werkzeug in der Ausrüstung des Philosophen sein, wenn wir eine der bekanntesten Visionen, die darstellt, wozu Philosophie da ist, ernst nehmen. Sie ist dazu da, unser Blickfeld für das Mögliche zu vergrößern, schlechte Denkgewohnheiten zu überwinden. Wie Wittgenstein sagte, „Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache“. (Wittgenstein 1953, § 109). Für solche Vorhaben ist das reglementierte Aufstellen strenger Argumentation selten mehr als ein Versicherungsschein, ein Dämpfer für die frei agierende Intuitionenkrämerei, die die Grundlinien dieser neuen Vision festgelegt hat.
In den folgenden Kapiteln werde ich an der These festhalten, daß das Problem der Willensfreiheit die Gruppe von Ängsten ist, die ich in diesem Kapitel kurz skizziert habe. Meine Methode wird sein, sie und die Analogien und Intuitionenpumpen, die sie nähren, zu untersuchen, um zu sehen, welche wirklichen Bedrohungen unseres Selbstwertgefühls und unserer Bestrebungen im Hintergrund lauern könnten und welche philosophischen Restprobleme von wirklichem Interesse eventuell noch zu lösen bleiben.
In Kapitel II wende ich mich Fragen zu über unseren biologischen Status als vernünftige Lebewesen und untersuche die Gründe für unsere Angst vor Sphexhaftigkeit. In Kapitel III untersuche ich Kontrolle und Selbstkontrolle, zwei Begriffe, die für die Fragen des freien Willens und des Determinismus äußerst zentral sind, die aber, soweit ich weiß, von Philosophen noch nie sorgfältig analysiert worden sind. Wichtige Fragen werden sein: Wie kontrolliert ein Ding ein anderes – oder sich selbst –, und welche Arten von Dingen können kontrollieren? (An dieser Stelle stören die Butzemänner wieder.)
In Kapitel IV wende ich mich dem Begriff eines Selbst oder Handelnden zu und möchte sehen, wie er davor bewahrt werden kann, unter dem Angriff der Wissenschaft zu verschwinden.
In Kapitel V werden wir sehen, was aus Kants Behauptung gemacht werden kann, daß, wenn wir handeln, wir „unter der Idee der Freiheit handeln“ müssen. Auf welche Art und Weise müssen wir über die Zukunft und über unsere Fähigkeiten nachdenken, damit wir von manchen Dingen meinen, daß „es an uns liegt“, während wir von anderen Dingen meinen, daß „es nicht an uns liegt“. Gibt es die Ellenbogenfreiheit wirklich, die wir für uns annehmen müssen, wenn wir über Entscheidungen nachdenken? J. Alfred Prufrock fragt
„Hat es Zweck,
Das Weltall aufzustören?
In Minutenfrist ist Zeit
Für Entscheiden und Vermeiden, wie’s Minutenfrist kann kehren.“
T. S. Eliot, J. Alfred Prufrocks Liebesgesang (Frankfurt 1951, S. 11)
Aber wie könnte irgendetwas als Störung des Weltalls gelten? Die Wissenschaft scheint die Vorstellung zu brauchen (siehe Disturbing the Universe, Dyson 1979), während sie sie zur gleichen Zeit verwirft. Können wir beides haben?
In Kapitel VI untersuche ich die Bedeutung des Wortes „kann“ und den zentralen Ausdruck „hätte auch anders gekonnt“. Wie Austin so schön sagte: „In der Philosophie ist es insbesondere können, das wir anscheinend dann, wenn wir ein Problem für gelöst halten, enthüllen und das uns als übriggebliebener Rest angrinst wie der Frosch am Grunde des Bierkrugs.“ (Austin 1975, S. 242). Wie wahr, aber zuerst müssen wir das ganze Bier austrinken. Dann werden wir einen Frosch vorfinden, mit dem sehr viel besser umzugehen ist.
In Kapitel VII frage ich, warum wir den freien Willen eigentlich überhaupt haben wollen, und ich zeige, warum wir, die Folgerungen aus unserer notwendigen Unvollkommenheit als Handelnde vorausgesetzt, klug beraten sind, ihn zu wollen. Die Fragen werden hier praktisch und persönlich. Betrügen wir uns selbst – oder werden wir von der Gesellschaft betrogen –, wenn wir auf unserem Interesse beharren, für verantwortlich gehalten zu werden? Wann und warum ist unsere Zurechnungsfähigkeit vermindert? Sind wir wirklich je schuldig, wenn wir etwas falsch gemacht haben?
Meine Folgerungen sind weder revolutionär noch pessimistisch. Sie treten nur für gemäßigte Revisionen ein: Die gewöhnliche Ansicht über unseren Platz im Universum ist im großen und ganzen richtig. Wir haben einen freien Willen. Wir können freien Willen und gleichzeitig Wissenschaft haben. Die erreichten Schlußfolgerungen werden natürlich das Thema der Willensfreiheit nicht zu Ende gebracht haben, und weitere Anfechtungen unserer Gemütsruhe sind zu erwarten. Aber mein Rückblick auf die Resultate früherer Kapitel wird manchen Rat liefern, wie man diesen künftigen Herausforderungen begegnen kann.
* Vgl. dazu den Artikel „Logical Paradoxes“ in der Encyclopedia of Philosophy, hrsg. von Paul Edwards, New York und London 1967, bes. S. 51. (Anm. d. Übers.)
1 „A sort of hobgoblin … supposed to devour naughty children; hence, generally, any imaginary being invoked by nurses to frighten children.“ (Oxford Shorter English Dictionary).
2 (Ryle 1949, S. 13). Die Taktik war nicht ganz narrensicher. Der Neurophysiologe Sir John Eccles stellte in seinen Waynflete Vorlesungen 1952 am Magdalen College in Oxford seine modernisierte Version des Cartesianischen Interaktionismus vor und schloß seine Rede mit einer Bemerkung, von der er offenbar annahm, sie sei eine geziemende Verbeugung vor dem Waynflete Professor für Philosophie: „Wenn man die ausdrucksstarke Terminologie von Ryle verwendet, bedient das ,Gespenst‘ eine ,Maschine‘, nicht aus Seilen und Rollen, Ventilen und Rohren, sondern aus mikroskopischen raumzeitlichen Aktivitätsmustern im Neuronengeflecht… Es scheint fast so, als ob das die Art von Maschine ist, die ein ,Gespenst‘ bedienen kann…“ (Eccles 1953, S. 285).
3 Berlin (1954, S. 68) sagt, „obwohl alle seine Ketten mit Blumen überdeckt sind und trotz seines Zur-Schau-Stellens von noblem Stoizismus und Glanz und Weite seines kosmischen Entwurfs, stellt der Determinismus trotz allem das Universum als ein Gefängnis dar.“