Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740934903
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verbringen wollte.

      Was hatte ihn wohl veranlaßt, seinen Aufenthalt dort abzubrechen? War es wirklich die Einsicht, wie er behauptete, daß er sie immer noch liebe und wiedergutmachen wollte, was er angerichtet hatte?

      Was wohl diese Tanja gedacht haben muß, als Wolfgang sie so plötzlich ›abservierte‹!

      Aber das war typisch für ihn. Nicole erinnerte sich an Begebenheiten, in denen seine egoistische Art schon früher zutage getreten war. Und Egoismus war, ihrer Meinung nach, auch jetzt im Spiel. Er konnte es einfach nicht ertragen, daß sie es gewesen war, die ihre Beziehung beendet hatte. Als er sie dann auch noch mit einem anderen Mann sah, mußte es zuviel für seine männliche Eitelkeit gewesen sein.

      Allerdings kamen ihr auch die Ringe in den Sinn. Er hatte sich mit ihr verloben wollen. An diesem Tag, und wenn er die Wahrheit sagte, dann hatte er diesen Entschluß schon vor einiger Zeit gefaßt. Wahrscheinlich stimmte diese Behauptung sogar. Nicole konnte sich nicht vorstellen, daß er die Ringe heute noch, in aller Windeseile, gekauft hatte, um ihr etwas vorzuspielen.

      Nur warum hat er nicht früher etwas davon gesagt? An ihrem letzten Abend, zum Beispiel, als sie ihm klipp und klar sagte, daß sie ihn nicht wiedersehen wolle. War er sich ihrer da so sicher gewesen, daß er darauf verzichten konnte, ihr da schon die Ringe zu präsentieren und um ihre Hand anzuhalten?

      Wahrscheinlich war es so, wie sie vermutete. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie einen endgültigen Schlußstrch zog, hatte er es immer wieder geschafft, sie um den Finger zu wickeln und herumzukriegen. Stets war sie wieder schwach geworden und hatte seinen Beteuerungen geglaubt.

      Ja, Wolfgang mußte ziemlich sicher gewesen sein, daß sie auch diesmal wieder nachgab, doch jetzt gab es einen Punkt, den er in seine Rechnung nicht mit einbezogen hatte.

      Florian!

      Wolfgang konnte nicht ahnen, daß sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Siegessicher war er hergekommen, in der Annahme, er brauche nur mit dem Finger zu schnippen, und sie würde ihn dankbar zurücknehmen.

      Doch diesmal hatte er sich getäuscht. Je länger Nicole darüber nachdachte, um so überzeugter war sie, daß sie Wolfgangs Antrag nicht annehmen würde. Viel zu lange hatte sie dieses Spiel mitgemacht. Aber da gab es auch noch niemanden, der sie in die Arme genommen und getröstet hätte, so wie es Florian getan hatte.

      Wie hatte sie gesagt?

      »Zwei einsame Herzen haben sich gefunden.«

      Ja, so war es. Und mit jeder Sekunde spürte sie mehr, wie sehr sie Florian liebte. Er war alles, was sie sich jemals von dem Mann erträumt hatte, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte.

      Lange Zeit hatte sie geglaubt, daß Wolfgang dieser Mann wäre. Und die Wahrheit hatte ihr sehr weh getan.

      Bei Florian hatte sie nicht mehr die Angst, enttäuscht zu werden.

      Mit einem Ruck stand sie auf und ging ins Bad. Während sie sich für die Nacht fertigmachte, dachte Nicole darüber nach, mit welchen Worten sie Wolfgang morgen früh klarmachen wollte, daß seine Bemühungen vergebens waren.

      Und vor allem, wie sie Florian erklären konnte, daß sie den Vormittag nicht, wie verabredet, mit ihm verbringen würde.

      Du lieber Himmel, dachte sie, als sie im Bett lag und die Augen schloß, warum bloß ist die Liebe immer so kompliziert?

      Auch wenn sie noch sehr lange über diese Frage nachdachte, eine Antwort darauf erhielt sie in dieser Nacht nicht mehr.

      *

      Als Florian am Morgen aus dem Fenster schaute, regnete es immer noch. In der Nacht war über St. Johann ein schweres Gewitter niedergegangen, und so wie es aussah, würde der Abschied von dem Dorf genauso verregnet sein wie die Ankunft.

      Kaum mehr als drei Stunden hatte er geschlafen, dann war er von alleine wachgeworden und hatte noch eine Weile im Bett gelegen. Schließlich zwang er sich, aufzustehen und ins Bad zu gehen. Bis zum Frühstück war es zwar noch Zeit, dennoch ging er nach unten und setzte sich an seinen Tisch.

      Als er an Nicoles Zimmer vorbeikam, warf er nur einen kurzen Blick auf die Tür und ging weiter.

      Das Frühstück im Löwen war nicht weniger ausgezeichnet, als das Essen, welches man ihnen während ihres Aufenthaltes serviert hatte. Doch an diesem Morgen wollte es ihm überhaupt nicht schmecken. Lustlos kaute Florian an einer Semmel. Lediglich der Kaffee war ihm ein willkommener Wecker seiner Lebensgeister.

      Nach und nach trudelten die anderen Gäste ein. Einige schauten recht verkatert aus und zogen sich manch spöttische Bemerkung zu. Florian beteiligte sich kaum an der Unterhaltung, statt dessen grübelte er immer noch darüber nach, wie er Nicole gegenübertreten sollte.

      Beinahe fürchtete er sich vor dem Moment, in dem sie vor ihm stehen würde.

      Als es dann soweit war, zeigte sein Gesicht eine eisige, verschlossene Miene.

      Die hübsche Studentin war nach einer mehr oder weniger schlaflosen Nacht aufgestanden und hatte, nachdem sie mit der Morgentoilette fertig war, ihre Reisetasche gepackt. Den kleinen Blumenstrauß wickelte sie in eine Papierserviette und legte ihn obenauf. Schließlich verließ sie ihr Zimmer, um zum Frühstück hinunterzugehen. Zuvor klopfte sie an Florians Zimmertür. Sie wartete eine Weile auf Antwort und ging nach unten, als es still blieb. Als sie ihn jetzt an ihrem gemeinsamen Tisch sitzen sah, huschte ein freudiges Lächeln über ihre Lippen, das jedoch erstarb, als sie in seine abweisende Miene schaute.

      »Guten Morgen«, hatte sie ihm wünschen wollen, doch ihre Stimme versagte.

      Sie setzte sich ihm gegenüber und schaute ihn an.

      »Florian, das mit gestern abend…, es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, daß Wolfgang herkommen würde«, sagte sie. »Bitte, du mußt mir glauben.«

      Er erwiderte stumm ihren Blick, sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.

      »Du bist mir keine Erklärung schuldig«, antwortete er nach einer Weile.

      Die Worte klangen hart aus seinem Mund, der gestern noch so liebevoll zu ihr gesprochen hatte. Nicole spürte, wie sie ihr einen tiefen Stich in ihr Herz versetzten.

      »Ich kann verstehn, daß du verbittert bist«, sagte sie. »Aber ich schwöre dir, daß es nix mehr gibt, das mich noch mit Wolfgang verbindet.«

      »Das sah mir aber ganz anders aus«, gab er zurück.

      Nicole fuhr hoch.

      »Du täuschst dich«, rief sie mit erhobener Stimme, die sie gleich wieder senkte, weil sie die Aufmerksamkeit der anderen nicht auf sich ziehen wollte. »Ich war doch selbst viel zu überrascht, als er plötzlich vor mir stand. Und als er mich dann einfach in den Arm genommen hat, wußte ich überhaupt nicht, wie ich mich dagegen wehren sollte.«

      Sie neigte den Kopf.

      »Und du bist einfach fortgelaufen.«

      Der leichte Vorwurf war nicht zu überhören. Florian sah finster auf.

      »Was hätt’ ich denn tun soll’n? Zuschaun vielleicht? Oder mich auf ihn stürzen und ihn verprügeln?«

      Ärgerlich warf er die Serviette, mit der er die ganze Zeit gespielt hatte, auf den Tisch.

      »Ich weiß net, was ich von der ganzen Sache halten soll«, fuhr er fort. »Ich weiß nur, was ich gesehn hab’, und das war recht eindeutig.«

      Nicole griff über den Tisch nach seiner Hand und hielt sie, genauso, wie er es mit ihrer, oben auf der Alm, getan hatte.

      »Florian, ich liebe dich«, beteuerte sie. »Wolfgang bedeutet mir nichts mehr, und wenn er hundert Rosensträuße anschleppt. Die Blumen, die du mir geschenkt hast, bedeuten mir hundertmal mehr.«

      Seine Miene wurde versöhnlicher, strahlte nicht mehr diese Kälte aus, die sie so sehr erschreckt hatte.

      »Ich möcht’ dir so gern’ glauben«, sagte er, mit einer zum Flüstern gesenkten Stimme. »So sehr, Nicole,