O-Ton: Der Großvater einer fünf Monate alten Enkelin erzählte: »Am Silvesterabend kommt der Anruf meiner Schwiegertochter: ›Kannst du mich bitte gleich in die Klinik fahren?!‹ Ich war der Einzige, den sie erreichen konnte und der nicht beim Feiern war. Mit gemischten Gefühlen und voller Aufregung gelang die Fahrt zur Klinik ohne Probleme. Die kleine Enkelin kam tatsächlich noch in der Silvesternacht, drei Wochen vor dem Termin, gesund zur Welt. Ich war so stolz, dass alles gut gelaufen war und ich helfen konnte.«
Diese Geschichte wird in der betreffenden Familie sicher zu jedem Geburtstag der Enkeltochter wieder hervorgeholt werden. Kinder lieben es, wenn ihnen Geschichten »von früher« erzählt werden, als sie selbst oder ihre Eltern noch klein waren. »Wie war es denn, als Mama und Papa noch kleine Kinder waren?«– so fragen viele Enkel ihre Großeltern nach Begebenheiten aus der Familiengeschichte.
Neue Rolle, neue Aufgaben
Noch bevor wir über die neue Rolle und die möglicherweise mit ihr verbundenen Aufgaben sprechen, stellt sich die Frage: Wie möchte ich eigentlich genannt werden? »Großmama« und »Großpapa« oder »Oma« und »Opa«? Oft braucht es in Familien ja auch noch die Unterscheidung zu den »Schwieger-Großeltern«: »Omi und Opi« oder »Oma Gitte und Opa Tom«? In binationalen Familien gibt es zusätzlich die Möglichkeit, Bezeichnungen aus dem anderen Sprachraum zu wählen, also etwa das italienische »Nonna« und »Nonno« oder »Abuela« und »Abuelo«, wie unsere spanische Enkeltochter ihre Großeltern nennt – und uns eben einfach Oma und Opa. Bei den griechischen Großeltern heißt die Oma »JaJa« und der Opa »Babusch«. Dazu überrascht uns immer wieder die Kreativität der Enkelkinder, die auf ganz wundersame eigene Kreationen wie die »Grosis« oder die »Moma« (aus »Mama« und »Oma«) kommen.
Nachdem die Frage der Bezeichnung geklärt ist, geht es um die Rolle als Großmutter oder Großvater. Die bekommen Sie, einfach so, denn Ihre soziale Position ändert sich durch die Geburt des Enkelkindes. Hier steht also ein signifikanter Rollenwechsel für Sie an! Zu Ihrer Elternrolle, die Ihnen bleibt, bekommen Sie auch noch die Großeltern-Rolle. Heute ist die Rolle der Großeltern eine der angesehensten Rollen des Alters. Sie gewinnen in Ihrer neuen Position an Bedeutung, und Sie haben die Möglichkeit, eine neue Funktion nach Ihren Vorstellungen zu erfüllen. Darüber hinaus gewinnen Sie neue soziale Kontakte und familiäre Beziehungen zu den Enkelkindern dazu. Natürlich sind mit der Rolle der Großmutter oder des Großvaters Erwartungen, Ansprüche und manchmal auch ganz bestimmte Handlungs- und Verhaltensmuster verbunden. Berichten Familien über die Aktivitäten der Großeltern, hört man sehr unterschiedliche Dinge. Einige erzählen, dass die Rollenverteilung ganz klar ist: Der Opa unternimmt mit den Enkeln die außerhäuslichen Unternehmungen, während die Oma mit ihnen zu Hause bleibt und mit den Enkelkindern kocht oder bastelt. Andere Familien haben die gegenteilige Rollenverteilung: Da kocht der Opa leidenschaftlich gerne mit den Enkeln, während die Oma mit ihnen Ausflüge unternimmt. Es kann sein, dass es einen Opa nicht stört, wenn das Baby schreit; andere fühlen sich dann hilflos und geben das Kind sehr schnell in die Obhut der (Groß-)Mütter.
O-Ton: Eine Großmutter berichtet: »Einmal in der Woche versorgen wir am Nachmittag unsere Enkelkinder. Den Kleinen holt der Opa vom Kindergarten ab, und der Große kommt dann etwas später aus der Schule. Ich koche in der Zwischenzeit und nach dem Essen gehen wir spazieren. Wenn das Wetter schlecht ist, dann spielen wir gemeinsam zu Hause. Es ist eine schöne Aufgabe für uns, diesen Wochentag mit den Enkeln zu haben. Wir genießen es und nehmen so teil am Kindergarten- und Schulleben der Kinder.«
Wussten Sie, dass Großeltern diejenigen Personen aus dem Familienkreis sind, die von den Enkelkindern mit den positivsten Werten assoziiert werden? Großeltern gelten für viele Enkel als geduldig, erfahren, sie sind in der Regel besonnen, haben mehr Zeit als die berufstätigen Eltern und sind cool und einfach entspannter. Das könnten für Sie als »neue« Oma und »neuer« Opa möglicherweise erstrebenswerte Ziele sein. Oder trifft es schon auf Sie zu? Wie kann es gelingen, dass unsere Enkel uns so positiv bewerten? Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir es, wenn wir Großeltern geworden sind, als Erleichterung erleben, nicht mehr in der Pflicht zu sein und mit allen Konsequenzen alleinverantwortlich erziehen zu müssen. Denn das ist die Aufgabe der Eltern! Wir können unsere Enkelkinder als wunderbare Bereicherung erleben. Wie schön, wenn die Enkelkinder ihre Oma und ihren Opa lieben und gerne mit ihnen Zeit verbringen – das ist dann Großelternglück pur!
Großeltern sind mittlerweile auch in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses gerückt. So hat beispielsweise der Schweizer Soziologe François Höpflinger3 die Beziehungen zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern untersucht. Viele Enkelkinder betonen immer wieder, wie sehr sie es genießen, dass die Großeltern Zeit für sie haben. Großeltern gelten als verlässliche Bezugspersonen – außerhalb der Eltern-Kind-Beziehung – und verkörpern »Geschichtlichkeit«. Dies gelingt ihnen durch die zahlreichen Begebenheiten, die sie aus der Familiengeschichte kennen und durch das damit verbundene Wissen über die vergangene Wirklichkeit.
Meine Aufgaben als Großmutter, als Großvater
Sie als neue Großeltern fragen sich sicher: »Welche Oma, welcher Opa will ich für meine Enkel sein? Traditionell? Unkonventionell? Was liegt mir, was passt zu mir? Die Rolle der Großmutter, die mit den Enkelkindern fantasievolle Freispiele gestaltet oder mit den Puppen Familie spielt? Die, die das Einkaufen, Kochen oder Nähen und Basteln übernimmt? Oder gefällt mir vielleicht die Rolle des Großvaters, der für bewegungsbetonte Aktivitäten wie Klettern, Raufen oder Fußballspielen zuständig ist?« Weiter geht es mit Fragen wie: »Was ist denn nun tatsächlich meine Aufgabe?« und »Was soll oder muss ich übernehmen und was besser vermeiden?« Sie haben die Chance, es auszuprobieren und so die Antworten auf alle diese Fragen zu finden!
O-Ton: »Muss ich das Kind wickeln?«, will ein werdender Opa wissen. Eine werdende Oma fragt: »Meine Tochter möchte, dass ich bei der Geburt dabei bin. Geht das? Will ich das auch?«
Eine andere: »Darf ich das kleine Baby halten, und kann ich es noch? Ich will das Baby lieber nicht alleine versorgen, vielleicht anfangs nur spazieren gehen.«
Die Aufgaben, die auf Sie als die Großeltern zukommen, sind je nach Bedarf in den Familien sehr unterschiedlich. Für gute, zufriedenstellende Lösungen ist es am besten, wenn Sie als »frischgebackene« Großeltern direkt im Gespräch mit den jungen Eltern klären, was zu tun ist: »Was erwartet ihr? Was wünscht ihr euch von uns?« Anschließend können Sie überprüfen, ob die gewünschten Aufgaben für Sie gut machbar sind. So können Sie die ganz individuellen Bedürfnisse der jungen Eltern mit dem kleinen Baby kennenlernen und Ihre eigenen Möglichkeiten kritisch hinterfragen. Dabei geht es etwa um die folgenden Aspekte: Kann ich die gewünschten Aufgaben tatsächlich übernehmen? Sind sie zeitlich zu schaffen? Traue ich es mir gesundheitlich auch zu?
Sie sollten diese Fragen prüfen und ehrlich beantworten, damit Sie sich nicht überfordern. Wie Sie sicher wissen, ist es gut, die eigenen Grenzen klar zu erkennen und zu benennen. So berichtete eine frischgebackene Großmutter, sie habe sich nicht getraut, das kleine, zerbrechlich wirkende Kindchen auf den Arm zu nehmen. Sie konnte es nur bestaunen. Doch auch hier gilt: Wir wachsen mit den gestellten Aufgaben, und ebenso wächst die Familie mit der Situation