Das Geheimnis der gelben Narzissen. Edgar Wallace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969696729
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Mr. Lyne düster.

      »Miss Rider!« Milburgh machte ein äußerst erstauntes Gesicht.

      »Miss Rider -ach nein, das ist doch ganz unmöglich!«

      »Warum soll das unmöglich sein?« fragte Lyne scharf.

      »Na ja, verzeihen Sie -ich meinte nur«, stammelte der Geschäftsführer. »Das sieht ihr doch gar nicht ähnlich. Sie ist solch ein nettes Mädchen.«

      Thornton Lyne sah ihn argwöhnisch von der Seite an.

      »Haben Sie irgendeinen besonderen Grund, Miss Rider in Schutz zu nehmen?« fragte er kühl.

      »Nein, Mr. Lyne, ganz und gar nicht. Ich bitte Sie, nichts dergleichen anzunehmen«, sagte Mr. Milburgh etwas aufgeregt, »es kommt mir nur so -ungewöhnlich vor.«

      »Alles ist ungewöhnlich, was sich nicht mit dem gewohnten Lauf der Dinge vereinigen läßt«, fuhr ihn Lyne an. »Es wäre zum Beispiel nicht sehr merkwürdig, wenn Sie des Diebstahls angeklagt würden, Milburgh. Wäre es nicht sonderbar, wenn wir entdeckten, daß Sie im Jahr fünftausend Pfund ausgeben, während Ihr Gehalt nur neunhundert Pfund beträgt?«

      Nur eine Sekunde lang verlor Milburgh seine Selbstbeherrschung. Die Hand, mit der er sich über die Stirn fuhr, zitterte. Tarling, der ununterbrochen sein Gesicht beobachtete, sah, welche große Anstrengungen er machte, um seine Haltung nicht zu verlieren.

      »Ja, Mr. Lyne, das wäre allerdings sehr merkwürdig«, sagte Milburgh jetzt mit fester Stimme.

      Lyne redete sich immer mehr in Wut, und wenn seine scharfen Worte auch an Milburgh gerichtet waren, meinte er in Gedanken doch das stolze, hochfahrende Mädchen mit den zornigen Augen, das ihn in seinem eigenen Büro so verächtlich behandelt hatte.

      »Es wäre doch merkwürdig, wenn Sie zu Gefängnis verurteilt würden, weil ich entdeckt hätte, daß Sie die Firma seit Jahren betrügen«, fuhr er erregt fort. »Ich bin überzeugt, daß alle Angestellten dasselbe sagen würden wie Sie -›sehr merkwürdig‹!«

      »Das möchte ich auch sagen«, erklärte Milburgh mit seinem alten gewohnten Lächeln. »Das würde merkwürdig klingen und merkwürdig sein, und niemand wäre mehr überrascht als das unglückliche Opfer.« Dann lachte er aus vollem Halse.

      »Vielleicht auch nicht«, sagte Lyne kühl. »Ich möchte hier nur kurz in Ihrer Gegenwart ein paar Worte wiederholen, bitte, passen Sie genau auf. Sie haben sich schon seit einem Monat bei mir darüber beklagt« - Lyne betonte jedes Wort -, »daß kleine Beträge in der Kasse fehlten.«

      Es war äußerst kühn, das zu behaupten, es war in gewisser Weise waghalsig. Der Erfolg seines schnell entworfenen Planes hing nicht nur von Milburghs Schuld, sondern ebenso von Milburghs Neigung ab, seine Schuld auch einzugestehen. Wenn sein Geschäftsführer nichts gegen die falsche Behauptung sagte, gab er damit seine eigenen Verfehlungen zu. Tarling, dem die Unterhaltung zuerst unverständlich war, begann jetzt dunkel zu ahnen, worauf Lyne hinauswollte.

      »Ich hab' mich bei Ihnen beklagt, daß im letzten Monat Geldbeträge gefehlt haben?« fragte Milburgh erstaunt.

      Er lächelte nicht mehr, und sein Gesicht sah plötzlich verstört aus -er war in die Enge getrieben.

      »Ja, das sagte ich eben«, entgegnete Lyne und beobachtete ihn.

      »Entspricht das nicht den Tatsachen?«

      Nach einer langen Pause nickte Milburgh.

      »Ja, das stimmt«, erwiderte er schwach.

      »Und Sie haben mir doch auch mitgeteilt, daß Sie Miss Rider in Verdacht haben, diese Unterschlagungen zu begehen?«

      Wieder trat eine Pause ein, und wieder nickte Milburgh.

      »Hören Sie es?« fragte Lyne triumphierend.

      »Ja«, entgegnete Tarling gelassen. »Was soll ich denn aber bei dieser Sache tun? Das geht doch nur die Polizei an?«

      Lyne zog die Augenbrauen zusammen.

      »Wir müssen die Anzeige erst vorbereiten. Ich werde Ihnen alle Einzelheiten in die Hand geben: die Adresse der jungen Dame und alle Daten über ihre Person. Dann wird es Ihre Sache sein, uns solche Informationen zu verschaffen, daß wir den Fall Scotland Yard übergeben können.«

      »Ich verstehe«, sagte Tarling und lächelte.

      Aber dann schüttelte er den Kopf. »Ich kann mich mit dieser Sache nicht befassen, Mr. Lyne.«

      »Warum nicht?« fragte Lyne erstaunt.

      »Weil ich mich mit derartigen Aufgaben nicht abgebe. Als Sie mir schrieben, hatte ich das Gefühl, daß ich durch Sie einen der größten Fälle erhielte, der jemals in meine Hände kam. Man sieht, wie der erste Eindruck manchmal täuschen kann.« Er griff zu seinem Hut.

      »Was wollen Sie damit sagen? Sie geben damit einen wertvollen Kunden auf!«

      »Ich weiß nicht, wie wertvoll Sie sind, aber augenblicklich sieht die Sache nicht sehr ermutigend aus. Ich möchte mich nicht mit diesem Fall beschäftigen, Mr. Lyne.«

      »Sie glauben, die Sache ist nicht bedeutend genug für Sie?« fragte Lyne unangenehm berührt. »Ich bin bereit, Ihnen fünfhundert Pfund für Ihre Bemühungen zu zahlen -«

      »Selbst wenn Sie mir fünftausend -ja fünfzigtausend zahlen, würde ich es doch ablehnen, mit dieser Sache etwas zu tun zu haben«, entgegnete Tarling. Seine Worte klangen entschieden und nachdrücklich.

      »Dann darf ich vielleicht fragen, warum Sie sich nicht damit befassen wollen? Sind Sie mit dem Mädchen bekannt?« fragte er unnötig laut.

      »Ich habe die junge Dame niemals gesehen und werde sie auch wahrscheinlich niemals sehen. Ich möchte nur feststellen, daß ich nicht mit solchen künstlich aufgebauten Anklagen belästigt sein will.«

      »Künstlich aufgebaute Anklagen?«

      »Ich glaube, Sie wissen ganz gut, was ich meine, aber ich will es Ihnen noch deutlicher und verständlicher sagen. Aus irgendeinem Grund haben Sie gegen eine Ihrer Angestellten einen Widerwillen. Ich kann Ihren Charakter aus Ihrem Gesicht erkennen, Mr. Lyne. Die Weichheit Ihres runden Kinns und Ihr Mund zeigen mir, daß Sie sich gerade kein Gewissen daraus machen, wie Sie die Damen behandeln, die bei Ihnen tätig sind. Ich weiß es nicht -aber ich vermute, daß Sie von einem anständigen Mädchen einen gehörigen Korb bekommen haben, worüber Sie sich furchtbar geärgert haben, und in Ihrer Rachsucht greifen Sie eine vollständig haltlose Anklage gegen dieses Mädchen aus der Luft. Mr. Milburgh« - er wandte sich an den Geschäftsführer, aus dessen Gesicht das Lächeln wieder verschwand - »hat seine eigenen Gründe, Ihren gemeinen Wünschen entgegenzukommen. Er ist Ihr Angestellter, und außerdem tut die versteckte Drohung ihre Wirkung, daß Sie ihn ins Gefängnis bringen wollen, wenn er sich weigert, mit Ihnen zu gehen.«

      Thornton Lynes Gesicht war von Wut entstellt. »Ich werde dafür Sorge tragen, daß Ihr niederträchtiges Verhalten allgemein bekannt wird! Sie haben mich hier in der schimpflichsten Weise beschuldigt, und ich werde Sie wegen Verleumdung verklagen. Die Sache liegt doch so, daß Sie sich der Aufgabe, die ich Ihnen gegeben habe, nicht gewachsen fühlen und nun einen Grund suchen, sie abzulehnen!«

      Tarling biß das Ende eine Zigarre ab, die er aus seiner Tasche nahm.

      »Mein Ruf ist zu gut, als daß ich mich mit so schmutzigen Dingen befassen könnte. Ich möchte nicht gern beleidigend werden, und ich gebe nicht gern gute Verdienstmöglichkeiten aus der Hand, aber ich will mein Geld nicht durch Gemeinheiten verdienen, Mr. Lyne. Und wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, dann lassen Sie diesen unsinnigen Racheplan fallen, den nur Ihre verletzte Eitelkeit wachgerufen hat. Nebenbei bemerkt ist das die ungeschickteste Art, eine Anklage zu erheben. Gehen Sie hin und bitten Sie die junge Dame um Entschuldigung, die Sie auf das gröbste beleidigt haben, wie ich vermute.«

      Er winkte seinem chinesischen Begleiter und verließ langsam den Raum. Lyne beobachtete ihn zitternd vor Zorn. Er war sich seiner Ohnmacht bewußt, aber als die Tür schon halb geschlossen war, sprang er mit