Die Lichtstein-Saga 3: Fineas. Nadine Erdmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadine Erdmann
Издательство: Bookwire
Серия: Die Lichtstein-Saga
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958344037
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wandte sich dann wieder um und lief vor bis zur nächsten Straßenecke, wo er ungeduldig wartete, bis Kaelan und Noah zu ihm aufgeschlossen hatten.

      »Presch nicht so los, Mann«, brummte Noah. »Es ist noch nicht mal halb sechs. Jeder normale Mensch schlurft zu dieser Uhrzeit bestenfalls wie ein müder Zombie durch die Gegend. Wenn du hier völlig übermotiviert durch die Gassen rennst, als könntest du den Tag kaum erwarten, ist das total auffällig.«

      Ari schnaubte, zügelte aber seinen Bewegungsdrang, obwohl weit und breit niemand zu sehen war, dem irgendetwas hätte verdächtig erscheinen können. Die Gassen hier im Ostteil der Stadt waren zu dieser frühen Stunde noch wie ausgestorben, was vor allem daran lag, dass die meisten Einwohner das große Haupttor im Süden benutzten. Das Osttor war deutlich kleiner und für größere Wagen nur schwer zu passieren. Trotzdem gab es aber auch hier zwei Torwachen, die oben auf der Brüstung standen und im Auge behielten, wer in die Stadt hineinwollte. Den drei jungen Fischern, die hinaus in Richtung Fluss liefen, schenkten sie dagegen kaum Beachtung.

      »Okay, das lief perfekt«, meinte Ari zufrieden, als der Weg eine sanfte Biegung machte und eine hohe Brombeerhecke, die einen der Obstgärten umfasste, sie vor Blicken aus der Stadt verbarg. Auf der anderen Seite des Wegs wucherte eine Wildwiese, die irgendwann zu Heu werden würde, und dahinter konnte man in der Ferne den Fluss in der Morgensonne glitzern sehen. »Lass Vin raus.«

      Kaelan streifte den Rucksack ab und kaum dass er ihn öffnete, stieß Vin seinen Kopf heraus und leckte Kaelan freudig über Hände und Gesicht.

      »Komm, Kleiner. Hier lang.« Ari lockte Vin zu sich, damit er nicht ungestüm in die falsche Richtung rannte, und lief mit ihm voraus zum Fluss. Begeistert sprang Vin um ihn herum und kugelte sich durchs feuchte Gras.

      Noah beobachtete die beiden und war sich nicht sicher, ob ihm gefiel, was er da sah. »Müssen wir uns Sorgen um Ari machen?«

      Kaelan folgte seinem Blick. »Warum fragst du?«

      »Beim Frühstück war er vorhin kaum fit genug, um seinen Tee und ein paar Bissen Brot runterzuwürgen und jetzt wirkt er, als würde er mit angezogener Handbremse durch die Gegend rennen, weil er seine Energie kaum zügeln kann. Das passiert nicht einfach so. Er hat irgendwas genommen.«

      Kaelan nickte.

      »Weiß Mia davon? Hat sie ihm die Sachen gegeben? Selbstmedikation ist nämlich eine echt miese Idee. Ich spreche da aus Erfahrung.«

      Kaelan bedachte ihn mit einem vielsagenden Blick. »Ja, das weiß ich. Ich war beim Endergebnis dabei, erinnerst du dich?«

      Noah verzog das Gesicht. »Ja, sorry.«

      Doch Kaelan winkte nur ab. »Vergiss es. Das ist längst Schnee von gestern. Und du wusstest es ja nicht besser. Du hast nur versucht, dir selbst zu helfen.«

      »Das Endergebnis war trotzdem beschissen.« Noah sah zurück zu Ari. »Und wenn Ari ähnlich versucht, sich selbst zu helfen …«

      Kaelan schüttelte den Kopf. »Ari will ein Heiler werden und auch wenn er erst Novize ist, kennt er sich schon ziemlich gut aus. Und er kennt seine Grenzen. Er hat mit Mia abgesprochen, was er nimmt und wie viel. Sie haben die Tränke gemeinsam zusammengestellt. Ari weiß also, was er tut.«

      Noah musterte ihn von der Seite. Das Engelslicht hatte diese sonderbare Verbundenheit zwischen ihnen hergestellt und er konnte fühlen, was in Kaelan vorging. »Trotzdem machst du dir Sorgen um ihn.«

      Seufzend hob Kaelan die Schultern. »Natürlich. Weil es ihm im Moment nicht gut geht. Weder körperlich noch psychisch. Und ich fänd es definitiv besser, wenn er sich Zeit und Ruhe zum Gesundwerden gönnen könnte, statt sich mit Stärkungsmitteln aufzuputschen und seine Schmerzen zu betäuben, um die Reise zu den Roten Bergen durchzuhalten. Aber die Option haben wir leider nicht.« Missmutig kickte er einen Stein vom Weg.

      Noah konnte ihn gut verstehen und wünschte, er wäre mehr wie Liv, die jetzt mit Sicherheit gewusst hätte, was sie sagen musste, damit Kaelan sich besser fühlte. Das wusste sie irgendwie immer und dafür brauchte sie nicht mal ihre Superkraft.

      »Wir passen auf ihn auf, dann schafft er das schon.«

      Das klang ziemlich lahm, aber Kaelan lächelte trotzdem und rempelte ihm freundschaftlich gegen den Arm.

      »Danke.«

      »Nicht dafür.«

      Sie liefen zum Fluss und fanden an einem etwas abseits gelegenen Steg ein kleines Ruderboot, das Ignatius für sie organisiert hatte. Damit konnten sie dem Wasserlauf ein gutes Stück Richtung Süden folgen und sparten sich so einige Meilen Fußweg. Sie platzierten ihre Fischerausrüstung gut sichtbar, ruderten auf die Mitte des Flusses hinaus und ließen sich dann von der Strömung treiben. Jeder, der sie vom Ufer aus sah, würde denken, dass sie unterwegs zu einem der ruhigeren Seitenarme waren, um dort zu angeln.

      »Ist den Mädchen gegenüber echt ein bisschen unfair.« Noah machte es sich auf dem Lattenboden des Bootes so bequem wie möglich, lehnte sich gegen die Steuerbordwand und ließ sich die Morgensonne ins Gesicht scheinen.

      Vin stand wie eine Galionsfigur am Bug und reckte witternd seine Nase in den Wind. Offensichtlich gefiel ihm seine erste Flussfahrt außerordentlich gut.

      »Ich bin mir sicher, dir fällt was ein, wie du es bei Liv wiedergutmachen kannst.« Ari tauchte eine Hand ins Wasser und spritzte es Noah ins Gesicht.

      »Hey!« Noah wischte sich über die Augen. »Wenn du kein Fischfutter werden willst, machst du das nicht noch mal!«

      Er hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da landete schon eine zweite Ladung Wasser in seinem Gesicht.

      »Sorry«, grinste Ari frech. »Aber da ich für das Ritual noch gebraucht werde, kannst du mich nicht einfach versenken.«

      »Hör trotzdem auf zu zappeln«, meinte Kaelan, der das Boot durch die Strömung navigierte. »Da vorne kommen Stromschnellen und ich will dich nicht aus dem Wasser fischen müssen. Außerdem hast du versprochen, dich zu schonen, sobald wir auf dem Fluss sind, also mach das auch. Leg dich hin, genieß die Sonne und gönn dir Ruhe. Wenn wir ab heute Mittag laufen müssen, wirst du deine Kräfte noch brauchen.«

      »Jaaa, schon gut.« Grummelnd setzte Ari sich zu Noah und spielte mit einem Schwimmer herum, der an einer der Angelschnüre hing.

      Noah musterte ihn von der Seite. »Dir ist klar, was mit dir los ist, ja?«

      Ari erwiderte seinen Blick. »Dass es mir nur so gut geht, weil ich mich aufgeputscht hab? Ja, natürlich ist mir das klar. Aber ich weiß, was ich tue, versprochen.«

      Da sie den halben Tag im Boot verbringen würden, würde ihre erste Etappe bis zum Eichenhof noch nicht besonders anstrengend werden und er hätte vielleicht auf das Aufputschmittel verzichten können. Aber er hatte etwas gebraucht, das ihn positiv in diese Reise starten ließ. Nach dem Aufwachen hatte sie sich wie ein riesiger Berg vor ihm aufgetürmt, der ihm Panik gemacht hatte, weil er schier unbezwingbar erschien. Aber unbezwingbar war einfach keine Option, wenn sie ihre Heimat sichern wollten. Der Trank, den er mit Mia gemischt hatte, hatte Panik und dunkle Gedanken abgeschwächt. Die Angst, zu versagen und diese Reise nicht durchzuhalten, war zwar immer noch da, aber sie war dumpfer und viel, viel erträglicher. Seine Stimmung war einfach heller und er dachte positiver.

      Einen Schritt nach dem anderen.

      Wenn er sich erst mal nur auf den heutigen Tag konzentrierte, sah der gar nicht so schlimm aus. Der war sicher gut zu schaffen. Und morgen musste er ja auch erst mal nur einen weiteren Wegabschnitt und einen weiteren Tag meistern. Das bekam er schon hin.

      Und er war ja nicht allein.

      Kaelan, der Mensch, den er über alles liebte, war bei ihm. Genauso seine besten Freunde. Jeder von ihnen würde ihm helfen, falls er Hilfe brauchte. Und eigentlich war es ja auch gar nicht so schlimm, sie anzunehmen, falls es tatsächlich nötig werden sollte. Schließlich würde er jedem von ihnen ja auch sofort und uneingeschränkt helfen. Man musste sich dabei nicht blöd oder wie ein Schwächling vorkommen. Genauso wenig