Königin Luise. Gertrude Aretz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gertrude Aretz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955014865
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war vierzehn Jahre alt und noch ganz kindlich. Goethes Mutter, bei der sie im Hause am Hirschengraben wohnten, verlebte köstliche Stunden mit ihnen. Frau Rat verstand es bis ins hohe Alter, mit der Jugend umzugehen; sie wurde wieder jung mit den kleinen Prinzessinnen und tollte und tanzte wie ein Kind mit ihnen herum, besonders mit dem dreizehnjährigen Erbprinzen Georg, dem Lieblingsbruder Luises. Sechzehn Jahre später noch erinnerte sie sich an jene frohen Tage. Im August 1806, als ihr Sohn sich in Karlsbad befand und dort die Schwester der Königin Luise, die Prinzessin Friederike von Solms, getroffen hatte, schrieb Frau Goethe ihm: »Sie (Friederike), die Königin von Preußen – der Erbprinz werden die jugendlichen Freuden, die sie in meinem Hause genossen, nie vergessen – von einer steifen Hofetikette waren sie da in voller Freiheit – tanzten – sangen und sprangen den ganzen Tag – alle Mittag kamen sie mit drei Gabeln bewaffnet an meinen kleinen Tisch – gabelten alles, was ihnen vorkam – es schmeckte herrlich – nach Tisch spielte die jetzige Königin auf dem Pianoforte, und der Prinz und ich walzten – hernach mußte ich ihnen von den vorigen Krönungen erzählen, auch Märchen usw.«

      Aber erst bei der zweiten Krönung, im Juli 1792, als Franz II. den Kaiserthron bestieg und Luise sechzehn Jahre alt war, wurde sie eigentlich gesellschaftsfähig und in die Welt eingeführt. Diesmal begleitete sie die alte Landgräfin selbst. Man wohnte jetzt nicht wieder bei Frau Rat, sondern im Hause des altangesehenen Kaufmanns Manskopf. Auch die Schwester Therese war nicht mit. Sie lebte seit 1789 als verheiratete Erbprinzessin von Thurn und Taxis in Regensburg.

      Obwohl damals in Frankfurt alles versammelt war, was es an Eleganz, Schönheit und Vornehmheit gab, so war doch die Stimmung nicht so freudig wie zwei Jahre vorher bei der Krönung Leopolds II. Im Nachbarstaat Frankreich wütete die Schreckensherrschaft und bedrückte alle Gemüter. Im Juni zuvor war der Pöbel in die Tuilerien eingedrungen und hatte den König und seine Familie stundenlang bedrängt und beschimpft, und schon zwei Monate später, im August, saß Ludwig XVI. gefangen im Temple. Preußen und Österreicher standen als Verbündete in der Champagne. Jeden Augenblick konnte es geschehen, daß sie geschlagen wurden und die französischen Revolutionsheere über den Rhein drangen und Deutschland überfluteten. Das alles lastete schwer auf der Stimmung in Frankfurt. Fürst Metternich schrieb in seiner autobiographischen Denkschrift über die damaligen Krönungsfeierlichkeiten: »Zu schlagend war der Kontrast zwischen dem, was in Frankfurt, und dem, was im benachbarten Frankreich vor sich ging, um den Gemütern zu entgehen und sie nicht peinlich zu berühren ... Im Hinblick auf die Umstände waren die Feste und Feierlichkeiten der Krönung vielleicht noch imposanter als die der vorhergehenden Krönungen. Fürst Anton Esterhazy, der als erster Gesandter des Kaisers fungierte, beauftragte mich freundlichst mit der Leitung des Festes, das er nach der Krönung gab. Ich eröffnete den Ball mit der jungen Prinzessin Luise von Mecklenburg ...« – Diese junge Prinzessin mußte als nicht eben reichbegüterte Tochter eines kleinen Fürsten zu derartigen Bällen und Festlichkeiten sich die seidenen Schuhe selbst nähen und noch manches andere ihrer Kleidung eigenhändig verfertigen. Ihr Taschengeld war stets sehr kurz bemessen: Fünf Gulden, dreißig Kreuzer im Monat. Und da sie gern kleine Geschenke machte, sich auch öfter irgendeinen Putzgegenstand kaufte, so war es immer schnell alle.

      Nach den Krönungsfeierlichkeiten verließen auch die Darmstädter Damen wieder Frankfurt. Luise und Friederike schwelgten in Erinnerungen an die schöne Zeit. Was man indes längst befürchtet hatte, traf ein. Die Verbündeten wurden im September 1792 bei Valmy zurückgedrängt, und die Franzosen fluteten unter General Custine über den Rhein. Sie besetzten Speier, Mainz und Frankfurt. Das nahe Darmstadt war keine sichere Zufluchtsstätte mehr. Im Oktober verbreitete sich auch dort das Gerücht, daß die Franzosen da wären, und der Schrecken war allgemein. Die alte Landgräfin aber war eine entschlossene Frau. Rasch ließ sie die Koffer packen, und in förmlicher Flucht ging es nach Hildburghausen zur Herzogin Charlotte, der ältesten Schwester Luises, wo auch der Vater zu Besuch weilte.

      Der junge Hof von Hildburghausen galt als einer der lebendigsten und geistreichsten Fürstenhöfe seiner Zeit. Herzogin Charlotte lebte in wenig glücklicher Ehe und suchte Ablenkung in Kunst und Literatur. Ihre Gesellschaft bestand zum großen Teil aus geistig bedeutenden Männern und Frauen, meist Künstlern. Man musizierte viel und gut bei ihr. Sie selbst hieß wegen ihrer leidenschaftlichen Vorliebe für Gesang die »Singelotte«. Junge Dichter und Schriftsteller scharten sich um sie, und manchem hat Charlotte von Hildburghausen den Weg zum Erfolg geebnet. Ihr Salon war immer der Mittelpunkt geistigen Strebens, aber auch fröhlicher, ungezwungener Unterhaltung. Man tanzte, scherzte und lachte den ganzen Tag. Luise und Friederike haben viele frohe Stunden in Hildburghausen verbracht, trotzdem es an den Grenzen im Westen Deutschlands bedrohlich kriegerisch aussah.

      Nach einem sehr angenehm verlebten Herbst und Winter traten die Prinzessinnen mit der Großmutter wieder die Heimreise nach Darmstadt an. Diesmal nahmen sie gemächlich ihren Weg über Frankfurt, wo inzwischen Onkel Georg mit seinen Grenadieren die Franzosen hinausgeworfen hatte. Die Verbündeten waren eingerückt, und König Friedrich Wilhelm II. hatte mit seinen beiden Söhnen, dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm und dem Prinzen Louis, hier sein Hauptquartier aufgeschlagen. Auch der schöne und galante Louis Ferdinand weilte in Frankfurt und entzückte die Gesellschaft durch seinen Geist und seine hervorragende musikalische Begabung. Alles, was es damals an hohen Persönlichkeiten, Fürsten, Feldherren, Staatsmännern, aber auch an Abenteurern und Scharlatanen in Deutschland und Österreich gab, war in Frankfurt anwesend. Dazu eine Unmenge Emigranten, die immer noch hofften, daß die französische Revolution bald zu Ende sei und die Bourbonen wieder ans Ruder kämen.

      Die Darmstädter Damen wollten gleich am nächsten Tag weiterreisen, aber der König von Preußen schickte ihnen eine Einladung zur Tafel, und so mußten sie bleiben. Die Landgräfin war nicht ganz ohne Absicht nach Frankfurt gekommen, denn im geheimen, ohne Wissen der beiden Prinzessinnen von Mecklenburg, waren bereits zwischen dem Onkel Georg und Friedrich Wilhelm II. Unterhandlungen angeknüpft worden. Der König wollte seine beiden Söhne verheiraten, und der immer tätige Onkel Georg, der es durch die Frau Bürgermeister Olenschläger erfahren hatte, dachte sofort an seine Nichten Luise und Friederike. Man verständigte den Vater der Prinzessinnen, aber Prinz Karl verhielt sich zunächst ablehnend, obwohl er vorsichtshalber doch den Geheimrat Kümmelmann nach Frankfurt zur Sondierung des Terrains geschickt hatte. Am Abend sah der Kronprinz bereits die Prinzessinnen in der Komödie. Da aber die Logen vergittert waren, hatte er nur einen flüchtigen Eindruck von der Erscheinung seiner ihm zugedachten Braut. Am nächsten Tag hatte Frau Olenschläger die Prinzessinnen und den Kronprinzen mit dem Grafen Medem zum Frühstück eingeladen. Gleich als Luise und Friederike den Salon betraten – Friedrich Wilhelm war bereits anwesend –, wurde er von dem Liebreiz beider jungen Mädchen gefesselt. Genau so war es auch dem alten König ergangen, als er ihnen am Abend vorher am Eingang des Komödienhauses begegnete. Graf Medem stellte den Kronprinzen vor, aber Friedrich Wilhelm wußte noch nicht, welcher von beiden er sein Herz schenken sollte. Ihm gefiel sowohl Luise als Friederike, obwohl sie ganz verschieden voneinander waren. Schließlich entschloß er sich für die ältere, denn der erste Eindruck ihrer Schönheit wurde bei näherer Bekanntschaft mit ihr noch stärker. Da er jedoch ein etwas schwerfälliger Charakter und dazu äußerst schüchtern war, fiel ihm ein rascher Entschluß sehr schwer, besonders auch, weil sein Bruder Louis der ganzen Angelegenheit ziemlich gleichgültig gegenüberstand. Für Louis war es ohne Bedeutung, welche Prinzessin man ihm als Braut zugedachte, denn er liebte eine andere und interessierte sich infolgedessen weder für Luise noch für Friederike. Er ging eine vollkommene Konvenienzehe ein.

      Noch dreimal sahen sich Luise und Friedrich Wilhelm, ehe der König offiziell bei der Großmutter um die Hand der beiden Prinzessinnen für seine Söhne bat. Das eine Mal auf einem Ball beim Kammerherrn von Wrede, dann an der Tafel des Königs im Hauptquartier auf der Zeil im Roten Haus und ein drittes Mal im Hause des Patriziers Gontard. Eine Annäherung zwischen Luise und Friedrich Wilhelm fand erst am 19. März im »Weißen Schwan« in Frankfurt statt, wo die Landgräfin abgestiegen war. Beide Prinzen brachten an diesem Tage ihre persönlich« Werbung vor, und man ließ jedes Paar allein in einem Zimmer »ohne Etikette«. Lange wußte der von Natur aus unbeholfene und schüchterne Kronprinz nichts zu sagen. Schließlich aber faßte er Mut, denn Luise verhielt sich dabei so natürlich und herzlich, ohne alle Ziererei, daß er seine Schüchternheit überwand. »Ich fragte, ob ich dürfte, und ein Kuß besiegelte