Die Anforderungen an die ausbildenden Fachkräfte – wie auch an hauptberufliche Ausbilder – sind heute deutlich höher und komplexer. Mangelnde „Ausbildungsreife“, schlechte schulische Voraussetzungen, der Wertewandel, mangelnde Motivation und andere konstatierte Schwierigkeiten der Auszubildenden machen das Ausbilden schwieriger. Hinzu kommt eine größere Heterogenität durch unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen, kulturelle Herkunft, und vor allem aufgrund des unterschiedlichen Alters der Auszubildenden. Auch durch die Integration von Absolventen dualer Studiengänge in die duale Ausbildung werden die Anforderungen höher. Die Ausbilder müssen sich ständig auf individuelle Bedingungen der Auszubildenden neu einstellen. Dazu kommt die Anforderung, kompetenz- und handlungsorientiert auszubilden. Dies „verlangt zweifelsfrei mehr pädagogische Fantasie und pädagogisches Engagement vom Ausbildenden als die traditionellen Ausbildungsziele“8.
Berufspädagogische Professionalisierung
Die beschriebenen Veränderungen und Herausforderungen an das betriebliche Bildungspersonal führen zu einer notwendigen Veränderung des berufspädagogischen Handelns. Um diese bewältigen zu können, sind „weiterführende Qualifikationen und Kompetenzen erforderlich“1. In erster Linie haben, neben den fachlichen, besonders die berufspädagogischen und auch sozialpädagogischen Qualifikationen an Bedeutung gewonnen.2 Waren in den 1990er-Jahren die pädagogischen Qualifikationen nach dem Selbstverständnis der Berufsausbilder noch von nachgeordneter Bedeutung, „so wird heute zumindest für das hauptberufliche Bildungspersonal von der Notwendigkeit einer Doppelqualifikation in fachlicher und pädagogischer Hinsicht gesprochen“3.
Beim notwendigen Qualifikationsbedarf ist eine Differenzierung zwischen den betrieblichen Ausbildungsakteuren notwendig. Durch die zunehmende Verlagerung des Lernens in die Echtarbeit, und dem damit einhergehenden Bedeutungszuwachs, rückt die ausbildende Tätigkeit der Fachkräfte in den Vordergrund. Diese sind nicht nur zahlenmäßig die größte Gruppe innerhalb der beruflichen Ausbildung, sondern sie sind auch „immer mehr diejenigen, die die jungen Menschen tatsächlich ausbilden“4. Im Widerspruch zu ihrer Bedeutung steht ihr oft geringer berufspädagogischer Qualifikationsgrad. Sie verfügen im Wesentlichen über ihre Fachkompetenz, ihre berufspädagogischen Erfahrungen beziehen sie jedoch meist nur aus ihrer eigenen Ausbildungszeit. Dies kann zur „Tradierung von veralteten, modernen kompetenzorientierten Ausbildungen nicht angemessenen Ausbildungsformen“5 führen.
Hier wird der notwendige Qualifizierungsbedarf deutlich. Brater und Wagner fassen diesen in folgende Kompetenzbereiche zusammen.
Eine berufspädagogische Methodik wäre: „Wie schließe ich die Realaufgaben meines Arbeitsplatzes (bzw. die Inhalte meiner Fachtheorie) so auf, dass der Auszubildende möglichst selbstständig und handelnd das lernen kann, was er lernen soll?“
„Wie bilde ich möglichst kompetenzorientiert aus und wie unterstütze ich das Lernen?“6
Eine Kompetenz zur persönlichen Begleitung der Auszubildenden: „Wie kann ich meine Auszubildenden motivieren bzw. wie kann ich eine Demotivierung vermeiden?“
„Welches Kommunikationsverhalten ist angemessen?“
„Wie begleite ich sie bei Lernschwierigkeiten und Verhaltensproblemen?“7
Sicherheit bei der Beurteilung der Auszubildenden, ihrer Leistung und ihres Verhaltens: „Wie kann ich richtig beobachten?“
„Wie kann ich das Beobachtete angemessen verbalisieren und bewerten?“8
Die beschriebene zunehmende Verlagerung der Ausbildung an den Lernort „Arbeit“ stellt die ausbildenden Fachkräfte vor eine berufspädagogische Herausforderung. Erstens können sie „nur solche Lernprozesse ermöglichen, die sich auf die Anforderungen“9 ihres Arbeitsplatzes beziehen, und zweitens sind sie, bedingt durch die kurze Verweildauer der Auszubildenden an ihrem Arbeitsplatz, nicht in der Lage, einen Gesamtzusammenhang der Ausbildung herzustellen. Ausbildende Fachkräfte stehen diesen „gewachsenen berufspädagogischen Aufgaben“10 allein gegenüber. Hieraus ergibt sich eine neue Aufgabe für die hauptberuflichen Ausbilder, denn „die ausbildenden Fachkräfte können ohne Begleitung, Unterstützung und Koordination durch hauptamtliche Ausbilder ihre Ausbildungsaufgabe nicht erfüllen“11.
Weitere Aspekte, wie etwa die „ausbildungsbiografische“ Betreuung der Auszubildenden, die den inneren Zusammenhang der betrieblichen Lernstationen wahrt, kommen hinzu. Ebenso resultieren aus der Unterstützung und Betreuung der ausbildenden Fachkräfte neue Aufgaben, vor allem die Qualifizierung zugunsten einer optimalen Gestaltung von Lernarrangements in der Echtarbeit, der Umgang mit Jugendlichen in schwierigen Lernsituationen und die berufliche Sozialisation. Aber auch neue, sogenannte „Managementaufgaben“ kommen auf das hauptberufliche Ausbildungspersonal zu: die Modernisierung der Ausbildung, die Erhebung des betrieblichen Qualifikationsbedarfs, die Rekrutierung neuer Auszubildender – hier ist vor allem das Ausbildungsmarketing zu erwähnen –, aber auch Bildungscontrolling und Fragen der Weiterbildung der Belegschaft im Kontext der demografischen Entwicklung. Brater erkennt an dieser Stelle einen markanten Rollenwandel beim betrieblichen Ausbildungspersonal.
Bahl stellt hier die Frage, ob es sich tatsächlich um eine neue Rolle, und damit verbunden, einen Paradigmenwechsel für das Ausbildungspersonal handelt, oder ob nicht vielmehr eine „kontinuierliche Weiterentwicklung vor dem Hintergrund bestehender und seit langem bekannter Entwicklungen, die zwar zu Differenzierungen und z. T. zu kontroversen Anforderungen […] führen“12, dahintersteht, weshalb eben nicht von einer „grundsätzlich neuen Rolle“13 gesprochen werden kann.
Bei der großen Anzahl ausbildender Fachkräfte kann diesem Qualifikationsbedarf in zeitlicher und finanzieller Hinsicht gewiss nicht in seminaristischer Form entsprochen werden. Arbeitsintegrierte und auf informelles Lernen konzentrierte Qualifikationsformen sowie Multiplikatorensysteme sind hierfür nötig.14
In Betrieben mit hauptberuflichem Ausbildungspersonal wird die professionelle Begleitung und Unterstützung der ausbildenden Fachkräfte zukünftig eine wichtige Aufgabe werden. Hierfür ist aber eine berufspädagogische Professionalisierung notwendig, die sich weniger der „klassischen Ausbildungstätigkeit selbst“15 widmet, „sondern viel mehr das Planen, Initiieren und Begleiten von handlungsbezogenen Lernprozessen“16 beinhaltet. Die neu geschaffenen, aufeinander aufbauenden, Abschlüsse „Gepr. Aus- und Weiterbildungspädagoge/-in“ und „Gepr. Berufspädagoge/-in“ bieten einen entsprechenden Rahmen.
Weitaus schwieriger gestaltet sich die Qualifizierung der ausbildenden Fachkräfte in Kleinbetrieben ohne hauptberufliches Bildungspersonal. Hier wird es darauf ankommen, den innerbetrieblichen Erfahrungsaustausch sowie die Unterstützung durch Ausbildungsberater der Kammern und Innungen zu verstärken, wohlwissend, dass es zu wenige von ihnen gibt. Der dritte Lernort wird ebenso an Bedeutung zunehmen. Das dortige hauptberufliche Ausbildungspersonal deckt bereits einen Teil der Ausbildungsinhalte ab und könnte eine weitere Unterstützung übernehmen, im Rahmen der Begleitung von Auszubildenden am Arbeitsplatz und der berufspädagogischen Beratung der ausbildenden Fachkräfte.17 Diese neuen Aufgaben könnten durch die oben genannten Abschlüsse eine Professionalisierung erfahren.
Die Veränderungen durch die sogenannte kompetenzorientierte Wende in den Berufsbildern, die zunehmenden fachlichen Anforderungen, der sich weiterentwickelnde Bedarf an Schlüssel-Qualifikationen, die Heterogenität der Auszubildenden und die zunehmende Verzahnung von Aus- und Weiterbildung erweitern die Berufsausbildung zu einer deutlich anspruchsvolleren Aufgabe, „die eine breite berufspädagogische Qualifizierung rechtfertigt“18. Bahl konstatiert in diesem Kontext: „[…]