Region/LandCO 2 -Emissionen pro Kopf in Tonnen 1990Klimagas-Emissionen insgesamt pro Kopf in Tonnen 1990CO 2 -Emissionen pro Kopf in Tonnen 2018Klimagas-Emissionen insgesamt pro Kopf in Tonnen 2018Tendenz
Betrachtet man die Entwicklung seit Beginn der Industrialisierung um 1850, so zeigen sich weitere wichtige Zusammenhänge. Die industrielle Revolution hat in den unterschiedlichen Ländergruppen zu verschiedenen Zeitpunkten stattgefunden. Dies hat zur Folge, dass die historischen Treibhausgasemissionen in Nordamerika, Westeuropa und dem ehemaligen Ostblock im 19. und 20. Jahrhundert wesentlich höher waren als in Afrika oder Lateinamerika. Die aktuelle Konzentration von CO2, Methan und Lachgas in der Atmosphäre ist daher vor allem auf die Industrieländer zurückzuführen, während die Entwicklungsländer nur einen vergleichsweise geringen Anteil dazu beigetragen haben. Dieser Sachverhalt wird unter dem Stichwort »historische Gerechtigkeit« in der internationalen Klimadebatte diskutiert.19 Er hat vor allem Konsequenzen für Lösungsvorschläge auf internationaler Ebene, insbesondere bei der finanziellen Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern durch die entwickelten Volkswirtschaften für einen klimaschonenderen Übergang in das Industriezeitalter.
Die Zahlen in den Abbildung 1.2 und 1.3 sind zudem nicht unumstritten, da sie auf den territorialen Emissionen beruhen. Dies bedeutet, dass die Emissionen gemessen werden, die im Produktionsland anfallen. Da durch die zunehmende Globalisierung aber ein immer größerer Teil an Waren und Dienstleistungen exportiert wird, fällt ein beachtlicher Teil des Ausstoßes klimaschädlicher Gase für die Produktion von Gütern an, die dann in einem anderen Land verbraucht werden. So lagern zahlreiche entwickelte Länder umweltschädliche Herstellungsprozesse in Schwellen- und Entwicklungsländer aus. Diesen werden dann die Treibhausgasemissionen zugerechnet, obwohl die Güter in diesen Ländern gar nicht verbraucht werden. Man kann daher darüber streiten, ob eine Erfassung der Emissionen basierend auf dem Konsum sinnvoller wäre.20
Einen interessanten Einblick in diesen Themenkomplex bietet auch der Klimaschutz-Index der gemeinnützigen Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. Dieser Index vergleicht anhand einheitlicher Kriterien 57 Staaten, die für mehr als 90 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Neben dem Treibhausgasausstoß werden auch der Anteil der erneuerbaren Energien sowie der Energieverbrauch und die Klimapolitik berücksichtigt. Der Index für das Jahr 2020 wird angeführt von Schweden. Unter den Top 5 befinden sich zudem noch Dänemark, Marokko, Großbritannien und Litauen. Ebenfalls noch auf den vorderen Plätzen sind bspw. Finnland, Norwegen und die Schweiz, aber auch Indien zu finden. Deutschland liegt mit China im Mittelfeld, während Saudi-Arabien und die USA die beiden letzten Plätze einnehmen.21
Als sehr schwierig erweist sich die genaue verursachungsgerechte Zurechnung des Treibhausgasausstoßes auf einzelne Wirtschafts-und Lebensbereiche, da eine saubere Abgrenzung zwischen den einzelnen Sektoren nicht immer möglich ist. Zudem gibt es zwischen den verschiedenen Bereichen zahlreiche Interdependenzen. Steigt man bei der Energiegewinnung von fossilen Energieträgern verstärkt auf erneuerbare Energien um, so hat dies auch Konsequenzen für den Treibhausgasausstoß in der Industrie, in den privaten Haushalten oder im Verkehr. Ein Beispiel hierfür ist der Umstieg auf Elektroautos. Für Deutschland ist die Verteilung nach Hauptquellen in Abbildung 1.4 dargestellt. Diese Verteilung ist allerdings wegen unterschiedlicher Wirtschaftsstrukturen nicht auf andere Volkswirtschaften eins zu eins übertragbar. So spielt beispielsweise in vielen Ländern die Landwirtschaft als Emissionsquelle vor allem beim Ausstoß von Methan eine wesentlich größere Rolle. Trotz dieser Unterschiede kann jedoch die Energiewirtschaft weltweit als wichtigster Ansatzpunkt für eine wirksame Klimapolitik identifiziert werden.
Abb. 1.4: Treibhausgasausstoß in Deutschland im Jahr 2019 nach Sektoren des Klimaschutzgesetzes (Quelle: Die Daten beruhen auf einer vorläufigen Schätzung des Umweltbundesamtes Anfang 2020.)
Letztlich bestimmen die kumulativen weltweiten Treibhausgasemissionen weitgehend die mittlere globale Erwärmung der Erdoberfläche. Die verschiedenen Szenarien des IPCC zeigen, dass ohne zusätzliche Anstrengungen beim Klimaschutz bis zum Ende des 21. Jahrhunderts erhebliche Klimarisiken drohen. Um die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, müssten die globalen anthropogenen Treibhausgasemissionen bis 2030 um etwa ein Viertel gegenüber 2010 reduziert werden. Um das Jahr 2070 sollte der Nettoausstoß bei null CO2-Äquivalenten liegen. Soll der Temperaturanstieg sogar nicht mehr als 1,5 Grad betragen, müssen die Emissionen bereits 2030 um rund 45 Prozent gegenüber 2010 abgenommen haben. 2050 sollte dann unsere Wirtschafts- und Lebensweise treibhausgasneutral erfolgen.22 Da selbst bei einer deutlichen Umstellung der Energiegewinnung sowie der Wirtschafts- und Lebensweise der Ausstoß von CO2, Methan und Lachgas nicht völlig verhindert werden kann, bedeutet ein Nettoausstoß von null CO2-Äquivalenten, dass durch geeignete Maßnahmen, wie z. B. die Aufforstung, Klimagase gebunden werden müssen. In diesem Zusammenhang werden auch zum Teil sehr umstrittene technische Eingriffe des Menschen in die Natur unter dem Schlagwort Geo-Engineering diskutiert. Eine kurze Darstellung der wichtigsten Ansätze des Geo-Engineerings erfolgt in Kapitel 6.3.
1.4 Institutioneller Rahmen zur Bekämpfung der Erderwärmung
Seit den 1980er Jahren erkannten Klimaforscher vermehrt Anzeichen, dass sich die Atmosphäre erwärmt und dass diese Erwärmung durch menschliche Aktivitäten bedingt sein könnte. Als Konsequenz gründeten das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) 1988 den Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)23 mit Sitz in Genf. Der IPCC ist sowohl wissenschaftliches Gremium als auch zwischenstaatlicher Ausschuss. Fast 200 Länder sind Mitglied dieser Organisation. Der IPCC versteht sich als Weltklimarat. Er trägt das aktuelle klimarelevante Wissen aus zahlreichen Forschungsbereichen zusammen. Wissenschaftler aus der ganzen Welt begutachten zehntausende Veröffentlichungen, fassen sie zusammen und bewerten sie. 2007 erhielt der Weltklimarat gemeinsam mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore den Friedensnobelpreis.
Neben den Ursachen und Konsequenzen des Klimawandels zeigt der IPCC auch auf, welche Möglichkeiten die Menschheit hat, den Klimawandel zu mindern und sich an ihn anzupassen. In mehrjährigem Turnus veröffentlicht der Weltklimarat Sachstandsberichte (Assessment Reports). Seit 1990 wurden fünf dieser Berichte verfasst. Der aktuelle Bericht wurde 2013/14 veröffentlicht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl die Erwärmung des Klimasystems als auch der menschliche Einfluss darauf eindeutig sind.24 Der sechste Sachstandsbericht ist für die Jahre 2021/22 geplant. Neben diesen Assessment Reports werden in unregelmäßigen Abständen diverse Sonderberichte veröffentlicht. Die Studien des IPCC haben große wissenschaftliche und politische Bedeutung und dienen als wichtige Basis bei den Verhandlungen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC).
1992 wurde in Rio de Janeiro von weit über 150 Staaten ein internationales Klimaabkommen unterzeichnet. Es trat 1994 in Kraft und hat inzwischen mit fast 200 Mitgliedern eine nahezu universelle Akzeptanz erreicht. Das zentrale Ziel der Vereinbarung ist die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau, das allzu drastische negative Konsequenzen für die Menschheit verhindert. Hierzu muss die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden. Um das gesetzte Ziel zu konkretisieren und geeignete Maßnahmen zu beschließen, fanden weltweit zahlreiche Vertragsstaatenkonferenzen statt.25 Von großer