Im Zusammenhang hiermit steht die »Zerstörung der Waldungen«32, auf die Marx, angeregt wohl durch Fraas, im II. Band des Kapitals zu sprechen kommt: »Die lange Produktionszeit (die einen relativ nur geringen Umfang der Arbeitszeit einschließt), daher die Länge ihrer Umschlagsperioden, macht die Waldzucht zu einem ungünstigen Privat- und daher kapitalistischen Betriebszweig, welcher letztre wesentlich Privatbetrieb ist, auch wenn statt des einzelnen Kapitalisten der assoziierte Kapitalist auftritt. Die Entwicklung der Kultur und Industrie überhaupt hat sich von jeher so tätig in der Zerstörung der Waldungen gezeigt, daß dagegen alles, was sie umgekehrt zu deren Erhaltung und Produktion getan hat, eine vollständig verschwindende Größe ist.«33
Auch Engels’ ökologische Einsichten setzen die Lektüre des Buches von Fraas voraus. Sie betreffen zunächst die mit der fortschreitenden Industrialisierung ländlicher Gebiete entstehenden Probleme. Hierzu heißt es im AntiDühring: »Erstes Erfordernis der Dampfmaschine und Haupterfordernis fast aller Betriebszweige der großen Industrie ist verhältnismäßig reines Wasser. Die Fabrikstadt aber verwandelt alles Wasser in stinkende Jauche. Sosehr also die städtische Konzentrierung Grundbedingung der kapitalistischen Produktion ist, sosehr strebt jeder einzelne industrielle Kapitalist stets von den durch sie notwendig erzeugten großen Städten weg und dem ländlichen Betrieb zu. Dieser Prozeß kann in den Bezirken von Lancashire und Yorkshire im einzelnen studiert werden; die kapitalistische Großindustrie erzeugt dort stets neue Großstädte dadurch, daß sie fortwährend aufs Land flieht.«34 Wie schon Marx im I. Band des Kapitals erblickt Engels hierin einen »fehlerhaften Kreislauf«, der nach seiner Überzeugung nur durch »Aufhebung« des »kapitalistischen Charakters«35 der Industrie beseitigt werden könnte. Nur eine planwirtschaftlich organisierte Gesellschaft sei imstande, die industriellen Standorte geographisch so zu verteilen, daß »Elemente der Produktion«36 wie Erde, Wasser und Luft erhalten bleiben. Ihre derzeitige Vergiftung könne allein durch die »Verschmelzung von Stadt und Land«37 beseitigt werden.
In der Dialektik der Natur deckt Engels den inneren Zusammenhang auf zwischen der bürgerlichen Produktionsweise (und ihrem sozialwissenschaftlichen Ausdruck, der klassischen Ökonomie) einerseits und jener imperialen Praxis (und Ideologie) andererseits, für die Natur sich stets schon darin erschöpft, Substrat ausbeuterischen Zugriffs zu sein. »Gegenüber der Natur wie der Gesellschaft«, unterstreicht Engels, »kommt bei der heutigen Produktionsweise vorwiegend nur der erste, handgreiflichste Erfolg in Betracht; und dann wundert man sich noch, daß die entfernteren Nachwirkungen der hierauf gerichteten Handlungen ganz andre, meist ganz entgegengesetzte sind«38. Wo es lediglich um »Erzielung des nächsten, unmittelbarsten Nutzeffekts der Arbeit«39 geht, können – langfristig – Rückschläge nicht ausbleiben. Die Triumphe der Naturbeherrschung erwiesen sich als Pyrrhussiege. Darauf verweist Engels nachdrücklich: »Schmeicheln wir uns ... nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. Die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, daß sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten, indem sie ihnen mit den Wäldern die Ansammlungszentren und Behälter der Feuchtigkeit entzogen. Die Italiener der Alpen, als sie die am Nordabhang des Gebirgs so sorgsam gehegten Tannenwälder am Südabhang vernutzten, ahnten nicht, daß sie damit der Sennwirtschaft auf ihrem Gebiet die Wurzel abgruben; sie ahnten noch weniger, daß sie dadurch ihren Bergquellen für des größten Teil des Jahrs das Wasser entzogen, damit diese zur Regenzeit um so wütendere Flutströme über die Ebene ergießen könnten.«40
Engels hegt keine Illusionen hinsichtlich der Zeit und Mühe, die es kosten wird, die zivilisatorische Erblast der bisherigen Geschichte abzutragen.41 Aber er nimmt an, daß es wissenschaftlicher Einsicht künftig gelingen werde, die »näheren und ferneren Nachwirkungen unsrer Eingriffe in den herkömmlichen Gang der Natur«42 nicht nur rechtzeitig zu erkennen, sondern auch zu beherrschen. Freilich, so meint er, können wir uns nur »durch lange, oft harte Erfahrung ... über die mittelbaren, entfernteren gesellschaftlichen Wirkungen unsrer produktiven Tätigkeit Klarheit ... verschaffen«43. Erkenntnis allein, dessen ist Engels sicher, wird nicht genügen, ungewollte Nebeneffekte der Naturbeherrschung ihrerseits »zu beherrschen und zu regeln«44. Dazu bedarf es einer »vollständige[n] Umwälzung unsrer bisherigen Produktionsweise und mit ihr unsrer jetzigen gesamten gesellschaftlichen Ordnung«45.
Wie aus den angeführten Stellungnahmen erhellt, sind Marx und Engels eines Sinnes, was die Schwere der ökologischen Problematik und die praktischen Schritte ihrer Bewältigung anbelangt. Als Materialisten gehen sie davon aus, daß das gesellschaftliche Sein, worin die Menschen leben, eingebettet ist ins universelle Sein der Natur, deren Bestand zu erhalten ihnen bei Strafe eigenen Untergangs auf erlegt ist. »Vom Standpunkt einer hohem ökonomischen Gesellschaftsformation«, erklärt daher Marx, »wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen, wie das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.«46
IV
Angesichts der seit Niederschrift des Buches radikal veränderten Problemlage erscheint es dem Verfasser angebracht, den philosophischen Ansatz neu zu überdenken, der seiner damaligen Darstellung des Marxschen Naturbegriffs zugrunde lag. Die Dissertation war insofern dem Geist der älteren Frankfurter Schule verpflichtet, als sie (im Gegenzug zu den unvermittelten Objektivismen stalinistischer Ideologie) darauf abzielte, das deutsch-idealistische Erbe in Marx ungeschmälert zur Geltung zu bringen. Der Verfasser war deshalb darauf bedacht, den »praktisch-kritischen« Materialismus der Thesen über Feuerbach und der Deutschen Ideologie47 auch in den – ausdrücklich hinzugezogenen – ökonomischen Werken nachzuweisen. Daher die Tendenz der Schrift, das menschliche Natur- und Weltverhältnis fast durchweg aus der Perspektive des arbeits- und erkenntnistheoretischen Subjekt-Objekt-Schemas zu erörtern.48 Dadurch ist eine – zumal heute hervortretende – Asymmetrie entstanden. Die andere, ebenso berechtigte Seite des Marxschen Verständnisses von Wirklichkeit wird zwar thematisiert49, aber ihr sachliches Gewicht nicht gebührend hervorgehoben. So wahr es bleibt, daß die »sinnliche Welt« kein »unmittelbar von Ewigkeit her gegebenes, sich stets gleiches Ding ist, sondern das Produkt der Industrie und des Gesellschaftszustandes, und zwar ... ein geschichtliches Produkt«50, so wohlbegründet bleibt es, umgekehrt, die »Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation« als »naturgeschichtlichen Prozeß«51