Julius Wolff
Der Raubgraf
Eine Geschichte aus dem Harzgau
Impressum
Covergestaltung: Gunter Pirntke
Digitalisierung: Gunter Pirntke
2017 andersseitig.de
ISBN:
9783961183517 (ePub)
9783961183524 (mobi)
andersseitig Verlag
Dresden
www.andersseitig.de
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Inhalt
Dreißigstes Kapitel.
Erstes Kapitel.
Auf einem Felsen hoch über der Stadt Quedlinburg im alten Harzgau steht eine Kaiserpfalz, die schaut rundum in das blühende, fruchtbare Land vom fernblauenden Hackelforst und vom Huywald im Norden bis zu dem langhingestreckten Kamme des Gebirges, der den Blick im Süden begrenzt.
Die ragende Burg ist die Schöpfung und zugleich das erinnerungsreiche Grabmal König Heinrichs des Städtegründers, des Vogelstellers und seiner Gemahlin Mathilde aus des alten Sachsenhäuptlings Wittekind Geschlecht. Wie sie beide dort oben gehaust, so ruhen sie auch beide dort in der schönen Krypta der Schlosskirche und mit ihnen ihre Enkelin Mathilde, des großen Ottos rühmliche Tochter.
Bedeutende Menschen und denkwürdige Tage hat dieses Schloss gesehen. Die Kaiser sächsischen und fränkischen Stammes und auch die Hohenstaufen nahmen hier oft langen Aufenthalt und hielten Reichstage und glänzende Hoftage. Mehr als einmal haben auch königliche Frauen von hier aus das Deutsche Reich regiert, so die Kaiserin Adelheid, ferner die geistvolle Theophano und endlich Mathilde, die als Reichsverweserin für ihren nach Italien gezogenen Neffen Otto III. im nahen Derenburg sogar einmal einen Reichstag hielt.
Die jüngere Mathilde, die dort oben in der Krypta schlummernde Tochter Kaiser Ottos I., war die erste Äbtissin des freiweltlichen Frauenstiftes, das König Heinrich hier errichtete und das er und seine Nachfolger mit einer Fülle von hoheitlichen Rechten ausstatteten, wie sie kein zweites geistliches oder weltliches Stift im Heiligen Römischen Reiche besessen hat. Für Töchter aus Herrscher- und vornehmen Adelsfamilien bestimmt und an keine Ordensregel gebunden, stand es unmittelbar unter dem Kaiser. Die aus der freien Wahl der Konventualinnen hervorgehende Äbtissin hatte den Rang eines Reichsfürsten, hatte Sitz und Stimme auf der rheinischen Prälatenbank des Reichstages zu Regensburg, und kein Herzog oder Graf hatte irgendwelche Gewalt in ihrem Gebiet, als einzig der von ihr eingesetzte Schirmvogt.
In dem Zeitraume von vier Jahrhunderten, die seit seiner Gründung vergangen waren, hatte das Stift an Land und Leuten stetig zugenommen, und als unter Kaiser Ludwig dem Bayer die fünfzehnte Äbtissin, Jutta von Kranichfeld aus Thüringischem Grafenhause, im Schloss zu Quedlinburg den goldgefassten Krummstab führte, gebot sie über einen sehr ansehnlichen Besitz, zu dessen Schutz und Schirm sie eines starken männlichen Armes bedurfte.
Ein solcher fehlte ihr auch keineswegs. Seit zwei Menschenaltern waren Schutzvögte des Stiftes die Grafen von Regenstein, die schon eine fürstliche, auf eigenem Erbgut und beträchtlichen Lehen ruhende Macht besaßen und deren Stammsitz, eine gewaltige Bergfeste, sich fast im Mittelpunkte des großen Harzgaues erhob.
Innerhalb der Grenzen dieses Gaues, d. h. zwischen Oker und Bode im Westen und Osten und zwischen dem Kamme des Gebirges im Süden und der großen Niederung, die sich von Aschersleben bis Börßum zieht, im Norden, lag außer der Grafschaft Regenstein und dem Stifte Quedlinburg auch das von Karl dem Großen