Klein-Doritt. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961183234
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Kopf weit und breit bekannt. Vor einem Dutzend Jahre vollendet er eine Erfindung (der ein äußerst merkwürdiges geheimes Verfahren zugrunde liegt) von großer Wichtigkeit für sein Land und seine Nebenmenschen. Ich will nicht sagen, wieviel Geld ihn die Sache kostete oder wie viele Jahre seines Lebens er damit zubrachte; aber er vollendete das Werk vor ungefähr zwölf Jahren. Werden es nicht zwölf Jahre?« sagte Mr. Meagles, sich an Doyce wendend. »Der Mensch könnte einen zur Verzweiflung bringen; er beklagt sich nie.«

      »Ja, wohl mehr als zwölf Jahre.«

      »Wohl mehr?« sagte Mr. Meagles. »Sie wollen sagen, leider mehr als zwölf Jahre. Nun, Mr. Clennam. Er wendet sich an die Regierung. In dem Augenblick, in dem er sich an die Regierung wendet, wird er ein Staatsverbrecher! Sir«, sagte Mr. Meagles, Gefahr laufend, sich wieder zu erhitzen, »er hört auf, ein unschuldiger Bürger zu sein, und wird ein Verbrecher. Er wird von dem Augenblick an als ein Mann behandelt, der eine höllische Tat begangen. Man glaubt ihn betrügen, herumstoßen, mit anmaßenden, unverschämten Behauptungen niederschlagen zu dürfen, der eine junge oder alte Gentleman von vornehmen Beziehungen liefert ihn an den andern jungen oder alten Gentleman von vornehmen Beziehungen aus: so wird er beständig an der Nase herumgeführt. Er hat nicht mal mehr ein Recht auf seine Zeit oder sein Eigentum; er ist ein völlig rechtloser Mensch, bei dem es gerechtfertigt ist, wenn sich jeder von ihm lossagt, ein Mann, der auf jede mögliche Weise gequält werden muß.«

      Es war nicht so schwierig, das alles zu glauben, wie Mr. Meagles meinte, wenn man solche Erfahrungen gemacht, wie Arthur Clennam diesen Morgen.

      »Stehen Sie doch nicht so da, Doyce, und drehen Sie nicht Ihr Brillenfutteral in einem fort in der Hand herum«, rief Mr. Meagles, »sondern sagen Sie Mr. Clennam, was Sie mir bekannt haben.«

      »Man verfuhr allerdings mit mir«, sagte der Erfinder, »als wenn ich ein Verbrechen begangen. Bei meinen demütigen Aufwartungen auf den verschiedenen Bureaus wurde ich immer mehr oder weniger behandelt, als drehte es sich um ein großes Verbrechen. Ich mußte wirklich oft selbst zu meiner eignen Beruhigung mich innerlich vergewissern, daß ich in der Tat nichts begangen, was mich in das Gefängnis-Register bringen könnte, sondern daß ich nur eine große Ersparnis und Verbesserung ins Leben rufen wollte.«

      »Da!« sagte Mr. Meaglee. »Urteilen Sie selbst, ob ich übertreibe! Nun werden Sie imstande sein, mir zu glauben, wenn ich Ihnen das übrige sage.«

      Mit diesem Vorspiel ging Mr. Meagles zur Geschichte selbst über, einer Geschichte, die nach und nach ermüdend geworden, einer alltäglichen Geschichte, die wir alle auswendig kennen. Wie nach endlosem Aufwarten und Korrespondieren, nach unaufhörlichen Impertinenzen, Unwissenheiten und Beleidigungen die Herren ein Protokoll aufnahmen, Nummer dreitausendvierhundertundzweiundsiebenzig, und dem Verbrecher gestattet wurde, auf seine eigenen Kosten Versuche mit seiner Erfindung zu machen. Wie diese Versuche in Gegenwart eines Kollegiums von sechsen angestellt wurden, von denen zwei alte Mitglieder zu blind waren, um zu sehen, zwei andere alte Mitglieder zu taub, um zu hören, ein anderes altes Mitglied zu lahm, um näher zu kommen, und das letzte alte Mitglied zu eigensinnig, um sich die Sache genauer zu betrachten. Wie wieder mehrere Jahre darüber hingingen: der Erfinder neue Impertinenzen, Unwissenheiten und Beleidigungen zu erdulden hatte. Wie die Herren ein Protokoll machten, Nummer fünftausendeinhundertunddrei, wonach sie die ganze Sache an das Circumlocution Office übertrugen. Wie das Circumlocution Office im Verlauf der Zeit die Sache in die Hand nahm, als wäre es eine funkelnagelneue Sache, von der man nie zuvor gehört, und darin herumwühlte, sie unfruchtbar machte und zuletzt in eine nasse Decke hüllte. Wie die Impertinenzen, Unwissenheiten und Beleidigungen das Einmaleins durchmachten. Wie die Erfindung an drei Barnacles und einen Stiltstalking verwiesen wurde, die, nichts davon wußten und deren Köpfe gar nicht darüber nachzudenken imstande waren, die sich aber doch durcharbeiteten und in ihrem Bericht erklärten, daß die Sache tatsächlich unmöglich sei. Wie das Circumlocution Office in einem Reskript Nummer achttausendsiebenhundertundvierzig »keinen Grund sah, weshalb die Entscheidung, zu der Mylords gekommen waren, umzustoßen sei«. Wie das Circumlocution Office, als man ihm bedeutete, daß Mylords zu gar keiner Entscheidung gekommen, die Sache ad acta legte. Wie am heutigen Morgen eine letzte Unterredung mit dem Vorstand des Circumlocution Office stattgefunden und was diese eherne Stirn gesprochen und wie sie im ganzen, und unter allen Umständen und von den verschiedensten Gesichtspunkten aus betrachtet, der Meinung gewesen, daß einer von den beiden Wegen in Beziehung auf diese Sache eingeschlagen werden müsse: entweder sie für immer auf sich beruhen zu lassen oder ganz von vorne zu beginnen.

      »Worauf ich dann«, schloß Mr. Meagles, »als ein praktischer Mann Doyce in Gegenwart der Herrn am Kragen packte und ihm sagte, es sei mir klar, daß er ein infamer Schuft und verräterischer Störer des Friedens der Regierung sei, und ihn mit mir fortnahm. Ich schleppte ihn am Kragen zur Tür des Bureaus hinaus, damit der Portier erfuhr, daß ich ein praktischer Mann sei, der die Stellung eines solchen Charakters gegenüber einem öffentlichen Amte zu würdigen wisse: und so sind wir da!«

      Wäre der lustige junge Barnacle zugegen gewesen, er würde ihnen vielleicht offen erklärt haben, daß das Circumlocution Office seine Funktionen alle erfüllt; daß es die Aufgabe der Barnacles sei, sich auf dem Staatsschiff solang als möglich zu halten, daß das Schiff aufzutakeln, zu erleuchten, auszubaggern, sich herausjagen hieße; daß sie nur einmal herausgejagt werden könnten, und daß, wenn das Schiff untergehe, während sie noch darauf festhielten, es des Schiffes Sache, nicht die ihre sei.

      »So!« sagte Mr. Meagles, »jetzt wissen Sie alles, was Doyce betrifft. Nur das eine, ich gestehe es, will mich nicht beruhigen, daß Sie bis diesen Augenblick noch keine Klage aus seinem Munde vernommen.«

      »Sie müssen große Geduld besitzen«, sagte Arthur Clennam und sah ihn recht bewundernd an, »große Gelassenheit.«

      »Nein«, sagte er, »ich wüßte nicht, daß ich mehr besäße als sonst jemand.«

      »Bei Gott, Sie haben doch mehr als ich!« rief Mr. Meagles.

      Doyce lächelte und sagte zu Clennam: »Sie sehen, meine Erfahrung in solchen Dingen beginnt nicht bei mir. Ich hatte Gelegenheit, bisweilen von solchen Geschichten zu hören. Mein Fall ist kein besonderer. Man ist nicht schlimmer mit mir umgegangen als mit hundert andern, – ich wollte sagen, als mit allen, die in dieselbe Lage gekommen.«

      »Ich weiß nicht, ob ich das für einen Trost halten würde, wenn ich in diesem Falle wäre, aber es freut mich, daß Sie es tun.«

      »Verstehen Sie mich recht! Ich sage nicht«, erwiderte er in seiner ruhig überlegenden Art und sah in die Ferne vor sich, als ob sein graues Auge diese messen wollte, »ich sage nicht, daß das eine Entschädigung für die Mühe und Hoffnung eines Mannes ist. Aber es ist doch eine Art Erleichterung, zu wissen, daß ich darauf hätte rechnen können.«

      Er sprach in der ruhigen, umsichtigen Weise und in dem halblauten Ton, den man so oft bei Mechanikern beobachtet, die mit großer Genauigkeit zu erwägen und abzuwägen gewöhnt sind. Es war das ebenso charakteristisch für ihn, wie seine Gewandtheit mit dem Daumen oder seine eigentümliche Manier, dann und wann seinen Hut hinten in die Höhe zu rücken, als ob er über ein halbvollendetes Werk seiner Hand nachgrübelte.

      »In meinen Erwartungen getäuscht?« fuhr er fort, als er so zwischen den beiden unter den Bäumen einherging. »Ja, kein Zweifel, ich bin in meinen Hoffnungen getäuscht. Zu Schaden gebracht? Ja. Kein Zweifel, ich bin zu Schaden gebracht. Das ist ganz natürlich. Aber was ich meine, ist, daß Leute, die sich selbst in dieselbe Lage versetzen, meist in derselben Weise behandelt werden –«

      »In England«, sagte Mr. Meagles.

      »O natürlich, in England, meine ich. Wenn Sie Ihre Erfindung in fremde Länder nehmen, so ist das ganz etwas anderes. Und das ist der Grund, weshalb so viele fortgehen.«

      Mr. Meagles war schon wieder sehr heiß.

      »Was ich meine, ist, daß, obwohl dies auch das gewöhnliche Verfahren unserer Regierung geworden sein mag, es nun eben einmal das gewöhnliche Verfahren ist. Haben Sie je von einem Entdecker oder Erfinder gehört, der die Regierung nicht völlig unzugänglich gefunden und den sie nicht auf jede Weise entmutigt und schlecht