Game - Stephanie und Chase. Cora Brent. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cora Brent
Издательство: Bookwire
Серия: Gentry Boys
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783864439407
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Wolke. Das dunkelgrüne Kleid hatte sie sich selbst genäht. Eine Woche lang hatte sie daran geschneidert. Truly war von der Art umwerfende Frau, bei der die Männer reihenweise schwach wurden.

      „Du wirst nicht abhauen“, befahl sie unverblümt und schnappte sich ein Brötchen aus dem Korb auf dem Tisch.

      „Das Spiel läuft“, protestierte ich. „Außerdem muss ich endlich aus diesem Kleid raus.“

      „Warum denn?“

      Ich zupfte an dem Stoff des Oberteils. „Es ist unbequem und oben viel zu eng.“

      Truly verzog die Lippen. Zwar war sie bereits fast ein Jahr meine Mitbewohnerin, aber wir waren uns erst kürzlich näher gekommen. Ansonsten hatte ich nur Bekannte oder Geschäftspartner. Lange Zeit hatte ich es so gewollt. Die Freunde, mit denen ich aufgewachsen war, die Familienmitglieder, die nichts mit mir zu tun haben wollten, hatte ich alle hinter mir gelassen und dachte nicht mehr an sie. Ich hatte mir Arizona ausgesucht, weil es nichts mit New York zu tun hatte. Dort hielt ich es für leichter, dem Schatten zu entkommen, Nick Branskys Tochter zu sein. Doch ein Neuanfang ist nie einfach. Und ohne Geld fast unmöglich. Das Studium war teuer und ich hatte nichts übrig von meiner privilegierten Kindheit. Das Vermögen meiner Eltern war von Bußgeldern, Anwälten und Krankenhausrechnungen gefressen worden. Als mir die Studiengebühren über den Kopf wuchsen, wandte ich mich an einen alten Kontakt und begann, eine Buchmacherin zu werden. Da ich das Geschäft schlecht mitten im überfüllten Studentenheim der Arizona State University ausüben konnte, suchte ich mir ein Apartment. Ich rechnete mir aus, es schaffen zu können, wenn ich mir eine Mitbewohnerin suchte, die sich die Kosten mit mir teilte und mich ansonsten in Ruhe ließ. So hatte ich Truly und ihre Katze kennengelernt.

      „Du versuchst gar nicht erst, dich zu amüsieren“, schmollte sie und stieß mir gegen die Schulter.

      „Doch. Für mich bedeutet das eben was anderes als für die meisten Leute.“

      „Ich weiß. Aber Steph, deswegen musst du kein Gesicht ziehen, als hättest du in eine Zitrone gebissen.“

      „Oh.“ Nun verzog ich tatsächlich das Gesicht. „Sehe ich wirklich so schlimm aus?“

      Truly lächelte. „Chase findet das jedenfalls nicht.“

      „Du spinnst ja. Das hat er dir nicht gesagt.“

      „Muss er auch nicht. Er sieht dich bei jeder Gelegenheit an. Du hättest sehen sollen wie geknickt er war, als du gestern nicht zum Abendessen erschienen bist.“

      „Ich war müde.“

      „Blödsinn.“

      Vorsichtig blickte ich zu Chase hinüber. Er erzählte Cords Freunden eine lebhafte Geschichte und gestikulierte dabei so, dass ich davon ausging, dass es sich um eine unanständige handelte. So war Chase normalerweise. Seine Gedanken waren nur leicht schmutziger als eine Kloake. Doch Truly erzählte mir gern, dass hinter seiner unzüchtigen Art ein intelligenter, lieber Kerl steckte. Manchmal war Truly auch etwas zu optimistisch veranlagt.

      „Meinst du, Saylor ist beleidigt, wenn ich mich davonschleiche?“

      Truly seufzte. „Nein. Aber ich wünschte, du würdest es nicht tun.“

      Ich schätzte sie für ihr Hilf-Stephanie-normal-zu-sein-Projekt. Wirklich. Ich verstand, dass sich Truly in Creed verliebt hatte und ihre Welt nun voller Regenbögen und Feenstaub war. Und jetzt wollte sie ihr Glück mit allen um sich herum teilen. Außerdem sorgte sie sich um mich, nachdem ich einen schwachen Moment hatte und vage angedeutet hatte, was Xavier getan hatte. Zwar hatte ich keine Details verraten, doch Truly hatte mitbekommen, dass ich am Ende war.

       „Du gehörst verdammt noch mal mir, Bitch!“

      „Was ist los mit dir?“, fragte Truly. „Sitzt du auf glühenden Kohlen?“

      „Nein“, knurrte ich und versuchte, meinen Gesichtsausdruck zu entspannen. Wahrscheinlich sah ich mordlüstern aus, bei dem kurzen Gedanken an Xavier und seine ekelhaften Schergen. Truly sah mich alarmiert an. Ich dachte nicht gern an den Abend zurück. Lieber hätte ich eine Wurzelbehandlung, wenn das diese Erinnerung auslöschen könnte. Seit einem Monat lebte ich in Angst, dass es zurückkommen und mich verfolgen könnte. Und die Drohungen, Beleidigungen und die Schande gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie waren immer gegenwärtig.

      „Ich bin wirklich irgendwie müde“, antworte ich schließlich.

      Truly erkannte meine Lüge. Doch sie wusste auch, wann sie den Mund halten und mich in Ruhe lassen sollte. Einer der Gründe warum wir uns so gut verstanden.

      „Na gut.“ Sie seufzte, als ich mich erhob.

      „Ich hatte dir erzählt, dass ich auf einen früheren Flug umgebucht habe, oder?“ Ich musste das Hotel um sieben verlassen, um den Achtuhrflug zu erwischen. Die Umbuchung hatte mich fünfzig Mücken gekostet, doch ich wollte nicht mit der Gruppe zurückfliegen.

      Truly nickte. „Ja, Ma’am. Dann sehen wir uns in Tempe wieder?“

      „Ja.“ Ich sah mich nach dem Brautpaar um, damit ich meine Glückwünsche heraus stottern und gehen konnte.

      Saylor saß allein da, mit den Ellbogen auf dem Tisch. Sie wirkte nicht gut gelaunt und ich wollte sie nicht stören. Cord und Creed lachten mit ihren Kumpels. Ich kannte ihn nicht gut genug, um dazwischenzugehen. Ich winkte Brayden und Millie zu. Sie waren höflich und sagten, sie freuten sich darauf, mich bald wiederzusehen.

      Sobald ich aus dem Raum war, fühlte ich mich schon besser. An der Bar hielt ich inne und sah auf den Fernseher. Das Spiel war beim siebten Inning und die Dodgers führten acht zu zwei.

      „Was für ein Scheiß“, lallte ein Mann im Anzug. Er wirkte, als ob er gleich vom Barhocker kippen würde.

      „Nur, wenn man ein Fan der Cubs ist“, sagte ich. Er schien die Antwort nicht zu mögen. Er verzog das Gesicht und schwankte leicht. Ich schüttelte den Kopf und fragte mich, wie man sich nur derartig emotional am Spiel anderer Leute beteiligen konnte.

      Als ich aufwuchs, schallte jederzeit irgendein Spiel vom Fernseher, egal welche Saison. Immer lief ein Spiel, ein Rennen oder etwas anderes, worauf man wetten konnte. Im Hause der Branskys bedeutete Sport etwas anderes als für alle anderen Leute. Das wusste ich schon seit ich ein kleines Mädchen war, auch wenn ich noch ein paar Jahre brauchte, um zu begreifen, was mein Vater tat. Er verheimlichte mir nie die Fachbegriffe, erlaubte mir jedoch nicht, für seine Firma zu arbeiten, egal wie sehr ich darum bat. Dieses Privileg stand meinen älteren Brüdern Robert und Michael zu. Nick Bransky schien keine Ahnung zu haben, was er mit einer Tochter anfangen sollte. In einem Moment gab er mir nachsichtig seine Kreditkarte, damit ich mir in der Roosevelt Field Mall etwas Hübsches kaufen konnte. Im nächsten wollte er mir unbedingt die Feinheiten des Geschäftemachens beibringen. Ich glaubte, er wollte ein guter Vater sein, doch ich würde ihm nie vergeben, dass er sich mit zig Frauen eingelassen hatte, während meine Mutter dahinsiechte.

      Und dann die Sache mit Robert.

      Es war unfair, meinem Vater die Schuld dafür zu geben, aber der ungeklärte Mord an Robbie war mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf Nicks krumme Geschäfte zurückzuführen. Mein Vater verlor seine Frau und seinen ältesten Sohn in ein und derselben Woche. Neun Monate später wurde er eingebuchtet und ich verließ New York. Wir hatten sporadisch Kontakt und nächstes Jahr würde er wahrscheinlich auf Bewährung rauskommen. Nie hatte er mir gegenüber etwas dazu gesagt, dass ich Wetten annahm, doch ich ging davon aus, dass es ihm jemand erzählt hatte, denn die Welt war kleiner, als man dachte.

      Ich blieb noch ein paar Minuten an der Bar. Die Cubs holten leicht auf und der Betrunkene auf dem Barhocker erwachte zum Leben. Ein paar Männer in meiner Nähe starrten mich an, sahen aber schnell wieder weg, da sie wohl nach etwas mehr Provokativem gesucht hatten. Mir war bewusst, dass ich jünger aussah als ich war, und meine Körpersprache signalisierte keine Gesprächsbereitschaft.

      Ein Pärchen an einem Tisch machte sich derartig gegenseitig an, dass es nur noch Minuten dauern konnte, bis sie sich nach oben verzogen,