Und meine Eltern sind keine Ausnahme. Viele Senioren sind heute in der westlichen Gesellschaft im hohen Alter durchaus noch beweglich und fit – von wegen altes Eisen! Damit einher geht in der Gesellschaft das Bewusstsein, dass man für eine solche Fitness etwas tun muss. Die Regenbogenpresse ist voller Tipps für einen gesunden Lebensstil und ständig werden zu diesem Thema neue wissenschaftliche Untersuchungen mit wichtigen Erkenntnissen geliefert. Im Wesentlichen sind es vier große Bereiche, die für einen fitten Körper entscheidend sind: Ernährung, Pflege (Hygiene), Bewegung und Ruhezeiten.
Ernährung
Ein fitter Körper braucht eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Meine Eltern haben noch den Krieg und echten Hunger erlebt. Es ist verständlich, dass es danach erst einmal eine Gegenbewegung zu der »schlechten Zeit«, wie sie es nannten, gegeben hat. Man schwelgte in Buttercremetorte und fetten Soßen, schließlich hatten alle etwas nachzuholen. Aber es dauerte nicht lange, da setzte ein Umdenken ein. Der Trend ging immer mehr zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung. Ballaststoffreich, fett- und natriumarm, immer weniger Zucker und Weißmehl, »Low Carb« ist das Stichwort der Stunde, was bedeutet, dass alle schädlichen Kohlenhydrate weiträumig umfahren werden. Viele Menschen vermeiden auch zunehmend tierische Fette, indem sie sich vegetarisch oder sogar vegan ernähren. Fast Food, das vor Jahren noch enorme Zuwachsraten zu verzeichnen hatte, wird immer häufiger aufgrund der ungesunden und dick machenden Bestandteile abgelehnt oder zumindest nur noch in Maßen genossen. Längst haben McDonald’s, Burger King & Co. gesunde Salate, vegane Burger und vitaminreiche Obstschnipsel ins Programm genommen, um dem schlechten Image entgegenzusteuern.
Dabei belustigt es mich immer auch ein wenig, wie schnell derzeit irgendwelche Nahrungsmittel erst zum »Superfood« erklärt werden, dann einige Wochen oder Monate einen totalen Hype auslösen, um anschließend wieder zu verschwinden, weil durch Studien belegt wird, dass uns der Genuss dieses Superfoods definitiv töten oder unsere Umwelt in großem Maße zerstören wird. Egal, ob es sich um Mandelmilch, Avocadomus oder Kokosöl handelt – erst wurden diese Nahrungsmittel extrem gepuscht und dann als belastet entlarvt, um dem nächsten Superfood Platz zu machen.
Doch auch dies zeigt: Das Bewusstsein für gesunde Ernährung wächst. Wir wollen unserem Körper gute Nahrung geben, ihn ausreichend mit gesunden Nährstoffen versorgen, damit er lange gesund und fit bleibt.
Wie können wir das Gleiche für unsere Seele tun? Was ernährt sie? Welche Nährstoffe braucht der innere Mensch, um gesund zu sein? Was sollten wir regelmäßig zu uns nehmen, damit die Seele nicht hungert? Gibt es auch Fast Food für die Seele? Gibt es etwas, das der Seele nur die Illusion vermittelt, dass sie gut ernährt wird, das uns in Wirklichkeit aber innerlich träge und fett macht? Welche Nahrung ist gefährlich und sollte daher unbedingt vermieden werden?
Hygiene
Das Zweite, was für unsere Gesundheit wichtig ist, ist Hygiene. Man kann diese zwar auch übertreiben, aber generell will und muss unser Körper gepflegt werden. Wir kümmern uns um Sauberkeit, wir duschen regelmäßig und waschen uns die Hände. Wir schneiden zurück, was wuchert, setzen dem Haarwuchs regelmäßig Grenzen, feilen Nägel und hobeln Hornhaut. Hygiene dient nicht nur unserem Aussehen und unserer öffentlichen Akzeptanz (wer stinkt schon gerne?), sondern hilft zugleich, gefährliche Keime im Zaum zu halten, Krankheiten den Boden zu entziehen und insgesamt ein gesundes Umfeld zu schaffen. Körperpflege ist völlig selbstverständlich.
Was aber bedeutet in diesem Zusammenhang Hygiene für den inneren Menschen? Wie duscht man sich den Dreck von der Seele? Was wuchert unkontrolliert in unserem Inneren vor sich hin, das wir dringend zurückschneiden sollten, weil es einfach zu viel Raum einnimmt oder uns die Sicht verdeckt?
Bewegung
In den letzten Jahren hat der Gedanke stark zugenommen, dass neben Ernährung und Hygiene auch Bewegung für den Körper sehr wichtig ist. Es begann vor fast fünfzig Jahren mit Frank Elsner, der einem deutlich übergewichtigen Volk in Deutschland eine neue Form der Bewegung verordnete und es auf den Trimm-dich-Pfad schickte. Die Leserinnen und Leser unter vierzig werden sich jetzt vermutlich ratlos fragen, wovon ich rede, aber das war damals in Deutschland eine bundesweite Bewegung, die ihren Ursprung in der Schweiz hatte. Überall entstanden in Parks und kleinen Wäldern Parcours mit verschiedenen Stationen, an denen man turnte, Gymnastik machte oder andere sportliche Übungen ausführte. Was zu tun war, wurde neben den Stationen in weißer Schrift auf blauen Hinweistafeln beschrieben. Zwischen den Stationen wurde gejoggt und dadurch wurde Joggen in Deutschland zum Volkssport. »Laufen ohne zu schnaufen«, hieß es in den Werbespots, die im Fernsehen rauf- und runterliefen und in denen Frank Elsner lange vor »Wetten, dass …« die Familien am Wochenende zum Turnen, Laufen und insgesamt zu mehr Bewegung aufforderte.
Aus dem Trimm-dich-Pfad von damals sind heute ausgeklügelte Fitnessstudios geworden, in denen man mit raffiniertesten Mitteln jedes Muskelareal trainieren kann, ergänzt durch Initiativen wie »10 000 Schritte am Tag« (diese Zahl wurde übrigens willkürlich festgelegt, um den ersten transportablen Schrittzähler zu bewerben)5 oder neue Angebote im Vereinssport.
»Sei die ersten 40 Jahre gut zu deinem Körper, dann ist dein Körper die nächsten 40 Jahre gut zu dir!« – Slogans wie dieser verleihen der Bedeutung von Sport in unserer Gesellschaft dauerhafte Geltung.
Aber wie hält man die Seele fit? Wie kann die Seele bis ins hohe Alter flexibel und beweglich bleiben? Welches Training verhindert »seelische Gefäßverkalkung«? Was müssen wir mit dem inneren Menschen üben und regelmäßig trainieren, um fit zu bleiben?
Ruhezeiten
Kaum etwas wird in der Leistungsgesellschaft so sehr überhöht und gefeiert wie der Urlaub. Das liegt mit daran, dass das Bewusstsein wächst, dass wir Pausen, Ruhe und Erholung benötigen, damit wir auf Dauer leistungsfähig bleiben. Wellnessferien, Chill-out-Areas, Meditationswochen im Kloster – die Burn-out-gefährdete Gesellschaft entdeckt die Bedeutung der Ruhe und die Notwendigkeit der Pause. Kein Hotel, das etwas auf sich hält, kommt heute noch ohne Wellnessoase aus. Schlaf bekommt wieder einen Wert. Haben vor dreißig Jahren Topmanager noch Bücher geschrieben, wie man mit nur drei Stunden Schlaf auskommt und dadurch in seinem Leben mehr erreichen kann, so ist heute wieder völlig klar: Für ein gesundes Leben braucht der Mensch Ruhe- und Erholungsphasen, das heißt: täglich genug Schlaf und im Arbeitsleben immer wieder Phasen der Erholung und des Urlaubs.
Aber was ist mit der Seele? Wie findet die Seele Ruhe und Entspannung? Wie finden wir inneren Frieden, inneres Loslassen? Wie kann die Seele zur Ruhe kommen?
Rundum fit
Dieses Buch befasst sich in den folgenden Kapiteln mit den vier vorgestellten Hauptfragen:
• Was ernährt die Seele?
• Was bedeutet Seelenhygiene?
• Was trainiert die Seele?
• Wie finden wir Ruhe für unsere Seele?
Dabei geht es mir zum einen um notwendiges Wissen. Manches ist in Vergessenheit geraten und es ist gut, es wieder zu entdecken. Manchmal aber brauchen wir weniger eine Belehrung als vielmehr eine Erinnerung an das, was wir schon wissen. Dann ist es gut, sich dieses Wissen wieder neu ins Bewusstsein zu holen.