In den letzten drei Dekaden hat sich unsere Arbeitswelt verändert. Job ist nicht mehr nur Job, sondern Arbeit wird zur erweiterten Identität. Meist erkennen wir das als Arbeitende selbst nicht, jedenfalls nicht in vollem Umfang. Umso mehr brauchen wir Menschen, die uns in wohlwollendem Kontext fördern und unsere Talente begrüßen. Diesen Menschen vertrauen wir nicht nur, sondern sie stellen etwas ganz Besonderes für uns dar – wir akzeptieren sie als unsere Influencer.
Menschen wollen wissen, was sie in der Organisation leisten können, und wollen vor allem konstruktives Feedback erhalten. Sie wollen nicht auf das eine Jahresgespräch kurz vor dem Urlaub warten, sondern in ständiger Kommunikation mit der Führungskraft sein. Der Sinn seiner Arbeit muss dem Einzelnen klar sein und im Vordergrund stehen. Jeder einzelne Mitarbeiter will gesehen, respektiert und seinen Talenten entsprechend gefördert werden. Er möchte individuell geführt werden und anerkannt sein.
Und wieder grüßt das Marktforschungsinstitut Gallup an dieser Stelle ganz deutlich mit seiner letzten Umfrage in 201816. Motivierende Führung und der Grad der Bindung der Mitarbeiter an ein Unternehmen hängen eng zusammen. Erschreckenderweise fühlen sich nur noch 15 Prozent hierzulande emotional an ihr Unternehmen gebunden. Das führt gleichzeitig dazu, dass diese Mitarbeiter sich weder als Markenbotschafter verstehen noch den Arbeitgeber weiterempfehlen. Insofern ist die Aussage von Marco Nink, Regional Lead Research & Analytics EMEA bei Gallup, nur verständlich: »Führungskräfte müssen sich bewusst sein, dass sie diejenigen sind, die durch ihr Verhalten einen erheblichen Einfluss auf die Unternehmenskultur haben. Denn emotionale Bindung wird im unmittelbaren Arbeitsumfeld erzeugt.«17
Die Konsequenz für uns als Führungskräfte kann nur sein, dass wir in Zeiten von selbstorganisierten Teams weiterhin stark gefragt sind – aber nur, wenn wir gute Beziehungen zu den Mitarbeitern pflegen und uns jedem persönlich widmen. Wir forschen nach ihren Stärken, suchen nach individuellen Talenten, entwickeln den Einzelnen weiter und zeigen persönliche Perspektiven auf. Der Mitarbeiter profitiert von mir als Influencer, indem ich Nutzen stifte – für ihn und für uns als Team. Diese Haltung zieht weite Kreise: Sind deine Mitarbeiter zufrieden, hast du auch zufriedene Kunden.
Eine dafür grundlegende Erkenntnis zu betonen ist mir besonders wichtig: Die meisten Menschen sind von Natur aus bereit, die Welt zu bewegen, Dinge voranzutreiben und sich »anstecken« zu lassen. Es geht nicht darum, dass bestimmte Incentives dringend gebraucht werden, um alle Probleme zu lösen. Der Obstkorb, der Betriebskindergarten, die flexible Arbeitszeit sind Signale, die zeigen, dass der Mitarbeiter wertgeschätzt wird. Bedeutet es anfangs einen Mehraufwand, eine solche Kultur der Wertschätzung einzuführen? Vielleicht. Na und? Ein Influencer stellt sich selbst einem Erprobungs- und Entwicklungsprozess, um andere zu animieren, es ihm gleichzutun. Von nichts kommt nichts – auch nicht in der digitalen Welt.
In diesem Kapitel habe ich dich in meine Überlegungen zum Influencerprinzip eingeführt. In den folgenden Kapiteln erfährst du, wie einfach es sein kann, die klassische Hierarchie zu verlassen und den Weg »vom Boss zum Influencer« zu gehen. Stell dir vor, dass auch du diesen Spirit, den Gore und Veeva implementiert haben, schaffen kannst. Jeder generiert durch seine Haltung und sein Verhalten seine eigenen Follower. Gemeinsam hechelt ihr dann nicht mehr sinnentleerten Zielvereinbarungen hinterher, sondern schafft ganz andere Ergebnisse als bisher. Ihr freut euch auf den digitalen Wandel und auf alles, was er mit sich bringt. Ihr habt keine Angst vor digitaler Transformation, sondern geht spielerisch neue Wege. Führung soll allen Spaß machen; sie soll Lust bereiten, Probleme anzugehen.
Der Vorteil der neuen Führung ist gerade der, dass sie in mancher Hinsicht klarer wird: Der Influencer Leader arbeitet nicht mehr kleinteilig, sondern global. Er gibt Impulse, lässt andere machen, konzentriert sich aufs Wesentliche. Er oder sie muss nicht zu allem seinen oder ihren Senf dazugeben, sondern liefert Inspiration dort, wo sie erforderlich ist – dort, wo sie substanzielle Beiträge leistet. Dein Leben als Influencer-Führungskraft wird nicht plötzlich ein Kinderspiel, aber sie wird einfacher.
Und dabei untergräbt das neue Führungsprinzip nicht etwa deine Autorität, sondern macht dich machtvoller denn je, weil du Follower generierst. Dein Team hat ja Spaß daran, mit dir zu arbeiten, es will teilhaben an deiner Sinngebung! Erst dadurch wirst du wirklich gebraucht – und ganz bestimmt nicht überflüssig.
Bevor wir uns auf den Weg zum Influencertum machen, kannst du mit den folgenden Fragen den Kapitelinhalt noch einmal reflektieren. Außerdem kannst du mit ihrer Hilfe herausfinden, inwiefern du möglicherweise schon nach dem Prinzip des Influencer Leaderships® führst.
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Reflexionsfragen |
1.Hast du einen Instagram Account?
2.Wen würdest du als Influencer betrachten – zeit- und plattform unabhängig?
3.Welche tatsächlichen Influencer im hier beschriebenen Sinne kennst du und welche findest du interessant?
4.Was gefällt dir an ihnen?
5.Hast du dich schon mal für etwas interessiert, weil es auf Social Media stark propagiert wurde?
6.Welches Muster, das dein Interesse lenkt, fiel dir dabei auf?
7.Wenn du im Internet unterwegs bist, welche Unternehmen interessieren dich?
8.Folgst du deinem eigenen Unternehmen auf irgendeiner Plattform?
9.Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
10.Wie hast du bisher geführt – hierarchisch oder heterarchisch?
11.Wie übst du Einfluss auf andere Menschen aus? Wie agierst du dabei im Detail? (Durch Anweisungen? Mit Überzeugungskraft? Über Gemeinsamkeiten?)
12.Warum, glaubst du, folgen dir Menschen?
13.Stell dir vor, du agierst ab morgen als Influencer – was würdest du anders machen als bisher?
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