In welchem Umfeld bewege ich mich?
Wie ist mein Team oder meine Organisation aufgestellt? Was brauchen ich im Moment, um mehr Klarheit zu haben?
Was will ich in der Organisation beitragen, um eine bessere Kultur zu erhalten?
Wo liegen meine Entwicklungsfelder im Team?
Je deutlicher man erkennt, in welchem Umfeld man agiert, desto leichter und effizienter kann man es führen.Gleichzeitig gewinnt man die Erkenntnis, dass man nicht alles beeinflussen kann. Jeder Leader stößt an Grenzen.
Aus dem Bauch heraus führen – Instinkte als verlässlicher und trügerischer Kompass
Nun sind wir also dort, wo es in einem Führungsbuch klarerweise hingehen muss: Sehr viel dreht sich bei diesem Thema um das, was uns Menschen motiviert, antreibt und handeln lässt. Nicht umsonst sind so viele Shakespeare-Dramen rund um das Leben von Führungspersönlichkeiten, Anführern und Königen gestrickt.
Die essenziellen menschlichen Fragen sind sehr oft unmittelbar mit dem Führungsthema und der Art unseres Handelns verbunden:
Warum tun wir etwas?
Was ist der Sinn dahinter?
Was können wir beeinflussen?
Warum können wir manche Dinge nicht beeinflussen?
Vielleicht sind wir beruflich nicht alle in Positionen, in denen wir mit der Führung anderer betraut sind, aber dennoch sind wir alle Teil eines Gefüges, in dem Führung eine wichtige Rolle spielt: Das System »Mensch – Unternehmen – Mitarbeitende« weist jedem zu jedem Zeitpunkt eine Rolle zu, in der man im Laufe der Zeit positive und negative Erfahrungen macht. Lassen Sie uns diese gesammelten Erfahrungen als »persönlichen Rucksack« betrachten, den wir alle mit uns herumtragen.
Warum das wichtig ist? Dieser Rucksack ist nicht nur ein ständig wachsender Erfahrungsschatz, sondern auch eine wesentliche Grundlage für unsere Entscheidungen – auch wenn uns Letzteres vielleicht gar nicht so wirklich bewusst ist. Ein konkretes Beispiel: Wir umgeben uns bevorzugt mit Menschen, die uns an Menschen erinnern, die wir mit einer positiven Assoziation abgespeichert haben.
Aber es gibt auch andere typische Situationen: Wir entscheiden uns für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns womöglich an uns selbst in dieser Phase unserer Karriere erinnern, und wir arbeiten in Organisationen, die uns aus welchen Gründen auch immer ein gutes Gefühl vermitteln. Das ist für sich betrachtet nichts Verwerfliches, aber es schränkt uns in unserer Wahlfreiheit ein, indem es unseren Instinkt und unsere Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion mit warmen Gefühlen des Bekannten überspült und sehr oft überstimmt.
Wir schalten also – ganz wie so mancher tragische shakespearesche Held – vor lauter Freude über Bekanntes oder Ersehntes und dem da-raus resultierenden Überschwang schon einmal unser Bauchgefühl und unser Denken aus. Wir folgen dann unbewusst unseren Erfahrungen und halten uns an bereits beschrittene Wege. Das erscheint uns sicher, vernünftig und klug – ist aus Perspektive unserer Führungstypen aber eine klassische risikoarme »Manager«-Entscheidung.
Auch wenn sich etwas im Moment vielleicht wie eine Bauchentscheidung anfühlt, ist es keine. Es hat eher mit der Furcht vor dem Unbekannten zu tun, die ein Leader nie treffen würde. Denn Leader gründen ihre Entscheidungen – wie wir bereits wissen – auf Mut und Furchtlosigkeit vor dem Neuen, dem Unbekannten, dem Unpopulären, der Herausforderung, dem Aufwand etc.
Der Beinah-Gipfelsturm
Am Fuß eines mittelhohen Berges in den Alpen – bei strahlendem Sonnenschein macht sich eine Gruppe ambitionierter Hobbywanderer auf den Weg – angeführt von einem 45-Jährigen, der im Dorf als »Edelweiß-Sepp« bekannt ist. Er schreitet forsch voran.
Ein Gruppenteilnehmer aus Hamburg nähert sich und spricht ihn an: »Schöne Aufnäher haben Sie da auf Ihrem Hut.«
Sepp antwortet: »Jo, i bin scho oft wo drobn gwesen.«
Hamburger: »Wie bitte?«
Sepp bemüht sich, Hochdeutsch zu sprechen: »Ich war schon oft auf Bergen.«
Hamburger: »Dann sind Sie ja wohl eine Koryphäe.«
Sepp: »Wos ...Wie bitte?«
Hamburger: »Als Koryphäe bezeichnete man im alten Griechenland jemanden, der an der Spitze steht. Und interessanterweise bedeutet es auch Scheitel oder Gipfel.«
Sepp: »Aha.«
Hamburger: »Apropos: Wie lange werden wir denn zum Gipfel unterwegs sein?«
Sepp: »Da Hupfnakogel is a Hund.«
Hamburger: »Wie bitte?«
Sepp – wieder in bemühtem Hochdeutsch: »Der Hupfnerkogel ist ein Hund.«
Hamburger: »Das beantwortet aber nicht meine Frage.«
Sepp: »I waß net, ob des überhaupt was wird.«
Hamburger: »Was reden Sie da? Es ist doch herrlicher Sonnenschein ... Kaiserwetter, wie ihr hier sagt!«
Sepp: »Ehh.«
Hamburger: »Jetzt erklären Sie sich doch, guter Mann!«
Sepp: »Do hinten kummt a Wetter.«
Hamburger: »Wo?«
Sepp deutet mit dem Kopf in Richtung eines Bergkamms: »Do hinten. Des gfoit ma net.«
Der Hamburger sucht den Himmel ab: »Also ich kann da beim besten Willen ...«
Sepp: »Sie san jo a ka ...wie ham Sie gsagt ...?«
Hamburger: »Koryphäe.«
Sepp: »Genau.«
Hamburger: »Ja, aber was heißt das jetzt? Meine Familie und ich haben uns schon so auf den Ausblick vom Gipfel gefreut ...und dafür ja auch eine schöne Stange Geld bezahlt. Bekommen wir das dann wieder?«
Sepp lacht: »Na, des geht net. I bin ja net fürs Wetter verantwortlich.« Und nach kurzer Pause: »Aber der Ausblick vom Graualm-Hüttenwirt is ja a schön.«
Hamburger: »Von wo?«
Sepp: »Da kemma ei’kehrn.«
Hamburger: »Wie bitte?«
Sepp – wieder in bemühtem Hochdeutsch: »Da können wir uns erfrischen ... und vor dem Wetter schützen.«
Hamburger: »Vor welchem Wetter?«
Sepp deutet wieder nur stumm mit dem Kopf zum blauen Himmel über dem Bergkamm.
Hamburger: »Ah ja, DAS Wetter. Dann sage ich das mal lieber den anderen.« Er lässt sich zurückfallen und spricht mit den anderen Wanderern.
Zwei Stunden später sitzt die Gruppe auf der sonnenüberfluteten Terrasse der Graualm und ordert – auf Anregung des »Edelweiß-Sepp« – große Mengen Bier.
»Die erste Runde geht auf Edelweiß-Sepp-Alpintours«, brüllt der Bergführer in die Runde – eine Ansage, die von der deutschen Urlaubergruppe mit großem Gejohle beantwortet wird. Nach und nach legt sich auch die Enttäuschung über den abgesagten Gipfelsturm.
Ein paar Runden später ist von dem befürchteten Unwetter noch immer nichts zu sehen. Im Gegenteil: Viele Gruppenmitglieder haben ihre Jacken ausgezogen und es sich in den bereitstehenden Liegestühlen bequem gemacht.
Nur einer aus der Gruppe, der Hamburger, hat das ursprüngliche Ziel des Projekts noch nicht vergessen: »Sagen Sie mal, könnten wir nicht jetzt noch hinauf zum Gipfel?«
Sepp: »Des geht sie nimma aus.«
Hamburger: »Wie?«
Sepp: »Es wird dann glei’