Hermine schreibt: »Immer gleiches Verhalten. Das sollte für einen Roboter kein Problem sein.«
Was meinen Sie? Zu welcher der beiden Führungspersönlichkeiten tendieren Sie in Ihrem Gedankenexperiment? Ist der »Visionär« oder der »Möglichmacher« die bessere Wahl?
Sie werden sicher schnell draufgekommen sein: Eine Entscheidung für A oder B würde zu einem groben Ungleichgewicht und auch zu einem großen Risiko führen. Natürlich gibt es genügend Beispiele für beide Persönlichkeitstypen in der Realität – aber kein Unternehmen der Welt könnte es sich leisten, exklusiv mit einem dieser beiden Persönlichkeitstypen in der oberen Führungsetage zu wirtschaften. Wie in so vielen Bereichen des Lebens liegt die Lösung in einer Balance – also in einem Und statt einem Oder.
Lassen Sie uns fortan der Einfachheit halber Typ A als »Leader« und Typ B als »Manager« bezeichnen. Da diese beiden Begriffe im Buch relativ häufig vorkommen werden, erlauben wir uns, für diese beiden Wörter das Gendern zu vernachlässigen, aber natürlich sind immer Männer und Frauen gemeint.
Sehen Sie, da ist es wieder ... das Und.
Noch einmal das grundlegende Fazit: Unternehmen brauchen Leader und Manager – also vorausdenkende Visionäre und hinterfragende Möglichmacher. Ohne die einen gibt es keine Innovation, ohne die anderen keine Koordination.
Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, brauchen Offenheit und Struktur.
Zwei Arten von Führung – die natürliche Diversität
Keine Angst, das Und wird im Rest des Buches nicht durchgehend fett geschrieben. Aber lassen Sie es uns im folgenden Absatz noch einmal bewusst nachhaltig einsetzen.
Es ist wichtig, dass Sie sich vor Augen halten, dass es zwei prinzipielle Arten von Führungspersönlichkeiten gibt: Die eine setzt überzeugt auf Intuition, zündende Ideen und Emotionen. Die andere beharrt darauf, alles fundiert zu hinterfragen und zu bedenken. Die eine wird oft belächelt (aber auch bewundert), weil sie sich traut, ungewöhnliche Wege zu gehen. Die andere wird leichter ernst genommen, weil das Rationale für Menschen eher sichtbar und greifbar ist.
Diese zwei Führungstypen sind wie die Flügel eines Vogels. Entsprechend brauchen Unternehmen beide, um abheben bzw. in der Luft bleiben zu können. Wer dieses Und beherzigt, der fliegt dem Erfolg zu (oder umgekehrt).
Dabei steht es jedoch nur stellvertretend für viele andere Aspekte von Diversität, die für Organisationen wichtig sind:
Visionär und Manager
Männer und Frauen
Schwarz und Weiß
und, und, und ...
Wichtig ist, dass stets das eine und das andere Raum und Platz haben. Diese Vielfalt eröffnet neue Möglichkeiten, ohne gleichzeitig andere Türen zu verschließen. Besonders raffiniert: Diese Vielfalt – und daher auch diese Räume - entstehen bereits im Denken.
Führungskraft und Leadership – was ist das eigentlich?
Da wir noch am Anfang dieses Buch stehen, lassen Sie uns gemeinsam ein paar grundlegende Begrifflichkeiten klarstellen, damit wir auf den folgenden Seiten vom Gleichen sprechen.
Speziell der Begriff »Führungskraft« wird uns noch öfter begegnen. Aber was bedeutet das eigentlich? Gerade in der deutschen Sprache versteht man darunter ja nicht nur eine Eigenschaft, sondern auch eine Stellung im Unternehmen.
Als Führungskraft bezeichnet man ganz sachlich eine Funktion, die eine Person in einem Unternehmen oder einer Organisation innehat. Oft taucht sie (ohne dass der Begriff tatsächlich Erwähnung findet) im Organigramm als Leiterin oder Leiter eines Teams auf. Über die Qualität der eingesetzten »Führungskraft« (als Eigenschaft) – also ob diejenige Person diese Funktion gut oder weniger gut ausfüllt – sagt dies natürlich gar nichts aus.
Als Leaderbezeichnet man einen Vorgesetzten oder eine Vorgesetzte nur dann, wenn er oder sie die Führungsfunktion so vorbildlich, zielführend und mit unverwechselbarer Ausstrahlung wahrnimmt, dass die Teammitglieder gerne, bereitwillig und leidenschaftlich folgen. Ein Leader ist also nicht nur eine Führungsperson, sondern eine wahre Führungspersönlichkeit.
Leadership, wie wir diesen Begriff verstehen und in diesem Buch verwenden möchten, charakterisiert also einen Menschen, der eine Führungsposition mit Zielstrebigkeit, Offenheit und Entscheidungsfreude erfolgreich ausfüllt und dabei andere begeistert und dynamisch anführt. Leader erkennt man unter anderem an ihren leidenschaftlich erzählten Geschichten und Visionen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch gerne weitererzählen.
Manager haben die Aufgabe, Menschen durch gemeinsame Werte, Ziele und Strukturen in die Lage zu versetzen, eine gemeinsame Leistung zu vollbringen. Management steht also für die Umwandlung von verfügbaren Ressourcen in konkreten Nutzen und Ergebnisse.
Achtung! Management ist nur beinahe mit dem Begriff »Führung« gleichzusetzen, denn das Wort bezieht sich rein auf funktionelle Aspekte. Manager müssen wirksame Aktionen im Sinne der Zielerreichung setzen. Um eine wesentliche Wirksamkeit für die Organisation zu erreichen, ist es jedoch notwendig, die entscheidenden Aktionen nicht bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auf einer übergeordneten Ebene (Systemebene) zu setzen.
Fazit:
Leadership = menschenbezogen, strategisch, visionär
Management = organisatorisch, operativ, funktional
Der Auftrag – Teil III
Hermine inspiziert den Schaltplan, wirft die Stirn in Falten und sagt: »Weißt du, was mir noch immer nicht ganz klar ist? Wenn das mit dem Führungsroboter so eine brillante Idee ist, wieso gibt es das nicht schon längst?«
Viktor: »Terminator. Star Wars. Matrix.«
Hermine: »Wie?«
Viktor: »Die Menschen haben Angst vor Maschinen, seit diese im Kino als böse Menschenunterdrücker dargestellt wurden. Außerdem ist es unheimlich, wenn jemand völlig emotionslos und strikt Befehle ausführt.«
Hermine: »Ich dachte, wir waren uns vorhin einig, dass das authentisch – also gut – ist, wenn sich jemand immer gleich verhält.«
Viktor kratzt sich am Hinterkopf: »Hm ...«
Hermine: »Also doch nicht?«
Viktor: »Nun ja. Ein bisschen von einem Gespür muss schon da sein.«
Hermine: »Gefühl? Bei einem Roboter? Wie sollen wir denn das bitte programmieren?«
Viktor: »Nun, das muss irgendwie von selbst kommen, denke ich.«
Hermine: »Wir hätten diesen Job doch outsourcen sollen.«
Viktor: »Wieso?«
Hermine: »Ich habe bei diesem Robotik-Projekt ein ganz mieses Gefühl.«
Vorhang auf für Ihr Selbstbild
Legen wir noch einmal den Fokus auf das scheinbar Banale: Ob Leader oder Manager – primäre Aufgaben auf der »Bühne Abteilung/Unternehmen« sind, Menschen zu führen und Unternehmensziele zu erreichen. Als Leader oder Manager haben Sie also eine bestimmte Rolle, deren Erfüllung von Ihnen erwartet wird. Die Rolle selbst ist klar umrissen, doch wie Sie diese anlegen, bleibt ganz Ihnen überlassen.
Um Ihre Rolle glaubwürdig mit Leben zu erfüllen, müssen Sie sich zuerst selbst erkennen:
Was für eine Führungspersönlichkeit sind Sie?
Was zeichnet Sie aus?
Wie entscheiden Sie?
Warum das wichtig ist? Wenn man Leadern aufmerksam zuhört, sprechen diese sehr oft von Leistung, die sinnvoll sein soll. Mit diesem Sinn als essenziellem Fundament für jeden Gedanken und jede Handlung wollen sie andere begeistern – und meistens gelingt ihnen das auch mit Leichtigkeit. Nichts wirkt ansteckender