Beethoven erregte schon durch seine ersten Auftritte in der österreichischen Residenzstadt als Komponist wie als Virtuose Aufsehen. Besonders beeindruckten seine Improvisationen am Klavier, deren Höhepunkt er erreichte, als er den berühmten Abbé Gelinek bei einem Wettspiel besiegte. Angeblich stellte Beethoven kurz vor Beginn eines Konzerts fest, dass der Flügel einen Halbton zu tief gestimmt war, worauf er – da die Zeit nicht mehr reichte, um das Instrument neu zu stimmen – sein Erstes Klavierkonzert in C-Dur kurzerhand in Cis-Dur spielte.
Um das Jahr 1795 bemerkte er, dass sein Gehör stetig nachließ – vermutlich als Folge einer in der Kindheit übergangenen Mittelohrentzündung. »Ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu«, schrieb der 31-Jährige seinem Freund Franz Georg Wegeler, »seit zwei Jahren fast meide ich alle Gesellschaften, weil’s mir nun nicht möglich ist, den Leuten zu sagen: Ich bin taub. Hätte ich irgendein anderes Fach, so ging’s noch eher; aber in meinem Fach ist das ein schrecklicher Zustand.«
Bei aller Tristesse blitzen Spuren von Humor durch. So etwa am 2. September 1812, als Beethoven mit Goethe zusammentraf. Beide waren auf Kur in Karlsbad und beschlossen, eine gemeinsame Spazierfahrt zu unternehmen. Die Leute, die den Wagen mit den beiden Männern vorbeifahren sahen, blieben stehen und grüßten ehrfürchtig.
»Es langweilt mich, so berühmt zu sein«, sagte Goethe, »schon deshalb, weil mich alle Leute grüßen!«
»Eure Exzellenz brauchen sich nichts daraus zu machen«, erwiderte Beethoven, »vielleicht bin ich es, den die Leute grüßen.«
Beethoven musste seine Konzertreisen und Auftritte als Klaviervirtuose einstellen und widmete sich seinen Kompositionen. Er litt an Magen- und Darmbeschwerden, deren Ursprung vermutlich eine Bleivergiftung war. Ab dem Jahre 1819 vollkommen taub, komponierte er unaufhörlich weiter. »Es fehlte wenig, und ich entledigte selbst mein Leben«, schrieb er in seinem berühmten Heiligenstädter Testament. »Nur sie, die Kunst, sie hielt mich zurück, ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht … und so friste ich dieses elende Leben.«
Als Beethoven am 7. Mai 1824 im Wiener Kärntnertortheater die kurz davor fertig gestellte Neunte Symphonie op. 125 dirigierte, stand er mit dem Rücken zum Publikum und las die Worte der Sänger von ihrem Munde ab. Es wurde ihm als Zeichen von Arroganz ausgelegt, dass er dem frenetisch applaudierenden Publikum weiterhin den Rücken zuwandte. Die Sängerin Caroline Unger begriff, dass der taube Komponist den Jubel nicht hören konnte, sie ging auf ihn zu, nahm Beethoven an den Schultern und zwang ihn, sich mit dem Gesicht den Menschen im Konzertsaal zuzuwenden. Erst jetzt merkte er, welch triumphalen Erfolg er errungen hatte, und verbeugte sich tief bewegt.
Die Folgen der Taubheit prägten Persönlichkeit und Erscheinungsbild des in jungen Jahren geselligen Beethoven, der sich nun völlig zurückzog und dem Alkohol hingab. Er führte ein unstetes Leben, bezog in seinen 35 Wiener Jahren 35 Wohnungen.
Er hat alles versucht, das Fortschreiten seiner Schwerhörigkeit zu beenden, doch die langwierigen Badekuren halfen ebenso wenig wie die oft propagierten neuen Hörrohrsysteme aus Holz, Stein und Metall, in die er so viel Hoffnung gesetzt hatte.
1822 stattete ihm sein großer italienischer Kollege Gioacchino Rossini anlässlich seines Wien-Aufenthalts einen Besuch ab. Rossinis Schilderung gibt Zeugnis über die Lebensumstände des Giganten. »Ich stieg die Treppen zu der ärmlichen Wohnung Beethovens hinauf«, erinnerte sich Rossini, »dort fand ich mich auf einer Art Dachboden wieder, der völlig in Unordnung und überaus dreckig war. Besonders erinnere ich mich an die Zimmerdecke. Sie befand sich unmittelbar unter dem Dach und ließ starke Risse erkennen, durch die sich bei Schlechtwetter wohl Regen in Strömen ergoss.«
Beethoven bemerkte zunächst nicht, dass ein Gast eingetreten war. »Er blieb weiter sitzen, über Korrekturen gebeugt, die er zu Ende las. Dann hob er den Kopf und sagte in anständigem Italienisch: ›Ah, Rossini, der Komponist des ‚Barbier von Sevilla‘. Meine herzlichen Glückwünsche! Das ist eine ausgezeichnete Opera buffa. Ich habe mit großem Vergnügen darin gelesen und alles sehr genossen.‹«
Rossini kritzelte seinem Gastgeber ein paar Worte auf ein Blatt Papier, die ihn seiner grenzenlosen Bewunderung versicherten, worauf Beethoven mit einem tiefen Seufzer erwiderte: »O, ich Unglücklicher!«
Als der Italiener nach kurzem Gedankenaustausch zum Abschied aufbrach, rief Beethoven ihm noch nach: »Und machen Sie noch vieles wie den ›Barbier‹!«
Rossini beendete seinen Bericht mit den Worten: »Als ich die verfallene Treppe hinabstieg, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten.«
Beethoven wurde von mehreren Frauen, vor allem von seinen Schülerinnen, umschwärmt, blieb aber einsam. Sehr nahe kam er den Schwestern Therese und Josephine Brunswick, die sich in ihn – vor allem wohl in sein Genie – verliebt hatten, jedoch eine dauerhafte Beziehung ebenso wenig zuließen wie die von ihm verehrte Gräfin Julie Guicciardi.
Da etlichen seiner Biografen Taubheit, Alkoholkrankheit und unglückliche Liebschaften als Schicksalsschläge nicht »genügten«, entdeckten sie weitere dramaturgische Elemente, die allesamt widerlegt werden können. So glaubt ein Autor Beethovens Impotenz nachweisen zu können, weil er angeblich nie mit Frauen geschlafen, sondern sie alle nur verehrt hätte. In krassem Widerspruch dazu wird anderswo darauf hingewiesen, dass Beethoven Dauergast in Wiener Bordellen gewesen sei. Als »Beweis« dafür legt ein amerikanischer Biograf eine Rechnung vor, die aus dem »Lusthaus« im Prater stammte. Der wusste freilich nicht, dass das Lusthaus kein Haus der Lust, sondern ein ehrbares Wiener Restaurant ist. Anderswo wird Beethoven als homosexuell bezeichnet, was durch Briefstellen wie diese untermauert wird: »Wie kann Amenda* zweifeln, dass ich seiner je vergessen könnte.« Oder: »Leb wohl, lieber guter edler Freund, erhalte mir immer Deine Liebe!« Solch blumige Satzkonstrukte gehörten zur überschwänglichen Sprache der gebildeten Schicht dieser Zeit, der zufolge sämtliche Romantiker gleichgeschlechtlich veranlagt gewesen sein müssten, nähme man derartige Floskeln als Indiz dafür.
An seinem Begräbnis nahmen 20 000 Menschen teil. Der »Vollender der Wiener Klassik« hatte seit Längerem über Schmerzen im Unterleib, Appetitlosigkeit und Durstgefühle geklagt. Am 24. März 1827 reichte man ihm die Sterbesakramente, zwei Tage später verschied er im Beisein seiner Schwägerin Johanna und seines Freundes, des Komponisten Anselm Hüttenbrenner, in seiner Wohnung in der Schwarzspanierstraße. Im Gegensatz zu Mozart hatte er seinen Weltruhm noch erleben können.
Im Obduktionsbericht des Arztes Dr. Johann Wagner wird Leberzirrhose als Todesursache genannt, die im Nachruf der »Wiener Zeitung« als Wassersucht abgemildert wurde.
Dass sein Schüler Beethoven und sein Freimaurer-Bruder Mozart ihm einmal den Rang ablaufen würden, hätte Joseph Haydn vermutlich nicht für möglich gehalten, galt er doch in seiner Zeit als bedeutendster Komponist. Joseph »Papa« Haydn war am 31. März 1732 im niederösterreichischen Rohrau als Sohn eines Bauern und Wagnermeisters zur Welt gekommen und schon als Kleinkind durch seine Musikalität aufgefallen. Er erhielt Gesangs- und Instrumentalunterricht und wurde mit acht Jahren Chorknabe im Stephansdom.
Mit Einsetzen des Stimmbruchs nahm er das Studium bei dem berühmten, aus Neapel stammenden und in Wien lebenden Komponisten Niccolo Antonio Porpora auf. Als er von seinem Lehrer Abschied nahm, sagte Haydn: »Jetzt erst weiß ich, wie schwer die italienische Leichtigkeit ist.«
Wie Mozart heiratete auch Haydn die Schwester der Frau, die er eigentlich liebte, wurde aber in seiner Ehe nicht glücklich. 1761 holte ihn Fürst Paul Esterházy als Kapellmeister nach Eisenstadt, wo er seinen musikalischen Stil entwickeln konnte.
Auf den beiden England-Reisen, die er im Alter unternahm, wurde Haydn wie ein König gefeiert. In London ereignete sich ein Zwischenfall, der Geschichte schrieb: Haydn legte am Ende eines Konzerts den Taktstock aus der Hand und verbeugte sich. Da erhoben sich die Besucher und strömten zum Orchester, um dem Meister aus der Nähe zuzujubeln. Kaum waren die Sitze in der Mitte des Parketts geleert, löste