»Bei meinen Kellern und Kellnerinnen oder bei einer gebackenen Traumfrau?«, erkundigte sich Mario, während er aufstand, um wieder seinen Platz hinter der Theke einzunehmen.
Fünf Minuten später reichte Jeannine ihrem Freund einen Zettel, den er erst für eine Bestellung hielt, dann erst erkannte er die silbernen Sterne und das rosafarbene Papier.
Er verdrehte die Augen. Trotzdem öffnete er den zusammengefalteten Zettel und las: »Wir haben abgestimmt und sind übereingekommen, dass du bei deinen Kellnerinnen noch wählerischer bist, als bei deiner Traumfrau.«
Widerwillig musste Mario lachen. Klar, seine Traumfrau musste schon Kellnerin sein – oder immerhin gewillt, eine zu werden. Seinetwegen auch Küchenchefin, okay wären auch noch Thekenkraft oder Küchenhilfe, mit allem anderen konnte er nichts anfangen. Er arbeitete hart und das fast rund um die Uhr, und wenn seine Traumfrau ihn zu Gesicht bekommen wollte, musste sie ohnehin in die Bar kommen. Also konnte sie folgerichtig auch gleich mit anpacken.
Grinsend setzte er diese Punkte auf die vorgefertigte Wunschfrau-Liste. Optik war ihm halbwegs egal, er hatte bezüglich von Haar- und Augenfarben keine Präferenzen. Dasselbe galt für die Figur der Frau. Er mochte kleine mollige Frauen genauso gerne wie die großen Modelltypen und Walküren waren bei ihm so willkommen, wie asiatische oder orientalische Frauen. Solange sie nett waren und irgendetwas Besonderes hatten, hatte Mario keine großen Ansprüche. Also setzte er »nett« auf die Liste, »Tier- und Kinderlieb«, »begeisterungsfähig«, »hilfsbereit«, »handelt vorausschauend« und – weil Jeannine gerade von der Toilette zurückkam und ihn in diesem Moment herausfordernd ansah, fügte er »sexy«, »temperamentvoll« und »dynamisch« hinzu.
Er reichte seiner Freundin den Zettel. »Und bevor du auf die Idee kommst, zu fragen: Nein, ich kann heute auf gar keinen Fall und unter gar keinen Umständen noch irgendetwas, irgendwo backen. Nicht einmal ansatzweise!«
»Dann ist ja gut, dass wir die Vorarbeit übernommen haben!«, lachte Jeannine und gab Damon ein Zeichen. Ihr Freund stand auf, nahm etwas mit und stellte es vor Mario auf den Tresen. Ein Teller mit einer weiblich anmutenden Teigfigur.
»Ausreden ziehen nicht, mein Freund!«, lachte Damon und amüsierte sich über Marios skeptischen Blick.
»Genau!« Anja und Lucy waren hinter Damon aufgetaucht und während Lucy das Schnapsgläschen hielt, schüttete Anja aus einer etikettenfreien Flasche eine grüne Flüssigkeit ein. Jeannine zündete das obskure Getränk an.
»Und jetzt den Zettel in die Flamme halten!«, befahl sie.
Unter den aufmerksamen Blicken der Freunde tat Mario wie ihm geheißen.
»Und jetzt ausmachen und trinken!«, erklärte Lucy und reichte Mario einen Bierdeckel.
Der Barbesitzer reichte einer der Kellnerinnen ein Tablett mit frisch gezapften Pils über den Tresen, bevor er den Brand löschte und die grüne Flüssigkeit mit einem Schluck trank.
»Bäh!«, hustete er. »Was war denn das?«
»Eine spezielle Absinthmischung!«, meinte Jeannine, wirkte aber keineswegs schuldbewusst. »Und jetzt iss brav deine Traumfrau!«
»Komisch«, lachte Mario, »für einen Moment hatte ich ganz seltsame Vorstellungen – irgendwie musste ich an den Film American Pie denken, die Szene mit dem Hackfleisch!«
»Bäh!«, machten Jeannine, Lucy, Anja und Damon unisono.
»Du bist echt …«, fügte Jeannine hinzu, war aber so nett, das letzte Wort Marios Fantasie zu überlassen, während sie sich mit den Freunden zurückzog und Mario seinem akuten Kellnerinnen-Chaos überließ.
Als die Tür hinter Mario zufiel, das laute Geräusch aber vor ihm zu hören war, erschreckte er sich so sehr, dass er mit dem Kopf gegen die Kellerdecke stieß und benommen zu Boden ging.
Das Geräusch, oder besser die Füße, von denen es gekommen war, blieben vor ihm stehen und eine besorgte Stimme fragte: »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Nein, nichts ist in Ordnung!«, fauchte Mario, dessen Kopf so laut dröhnte, dass es noch zwei Wohnblöcke weiter zu hören sein musste. »Meine Freunde haben blöde Ideen, ich habe fast vierundzwanzig Stunden lang nonstop gearbeitet, ich bin dreißig geworden und habe mir gerade tierisch den Kopf gestoßen, und dann fragt mich eine dumme Kuh, die in meinem Keller überhaupt nichts zu suchen hat, ob es mir gut geht. Dabei ist es ihre Schuld, dass man mich überhaupt fragen muss.«
»So langsam verstehe ich, warum du keine Freundin hast«, meinte das Geschöpf vor ihm erbost und trat einen Schritt zurück.
Mario öffnete den Mund, um eine weitere Gemeinheit fallen zu lassen, machte aber den Fehler dabei aufzusehen. Sie war nackt und eine Erscheinung wie aus einem feuchten Traum. Das erste, was er wahrnahm, waren ihre Haare. Sie reichten ihr bis zu den Hüften und waren rabenschwarz. Genau wie das kleine Dreieck, das einen sehr interessanten Punkt ihres Körpers verdeckte. Der Rest ihres Körpers war so weiß, dass sie ohne weiteres für die Rolle des Schneewittchens vorsprechen konnte. Zumindest die Stellen, die er sehen konnte.
»… und du auch keine Kellnerin findest, die freiwillig für dich arbeitet.«
»Bist du zufällig Kellnerin?«
»Du hast mich doch gebacken, erzähl du es mir!«, fauchte sie.
Also das mit dem Temperament klappt schon mal, dachte er und grinste innerlich. Vielleicht war diese ganze Traumfrau-Backchose doch ganz gut. Was zum Teufel denke ich denn da?
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist«, meinte er, mehr zu sich selbst und mehr, um sich selbst davon zu überzeugen.
»Nein, das ist es nicht. Um genau zu sein, ist es sogar eine saublöde Idee«, stimmte die nackte Schönheit zu.
»Wie heißt du eigentlich?«, versuchte Mario die Kurve zu bekommen und das Gespräch wieder in unverbindlichere Bahnen zu lenken.
»Na endlich, ich dachte schon, er fragt gar nicht«, neckte die Schwarzhaarige und warf ihr Haar nach hinten, so dass nur noch eine dünne Schicht über ihren rosigen Brustwarzen lag.
»Kannst du aufhören in der dritten Person von mir zu reden?«, meinte Mario, dessen Blick sich an dem Rosa festgesaugt hatte und den er nur mit Mühe in Richtung ihrer Augen lenkte. Doch dann blieb er stur und gewann das Blickduell.
»Was macht dein Kopf?«, lenkte sie ein.
»Tut Scheiße weh und Halluzinationen habe ich auch noch – ich unterhalte mich gerade mit einer waschechten Traumfrau in meinem Kühlkeller. Ha!« Mario lachte und nach Sekunden stimmte die Traumfrau ein.
»Vielleicht bist du gar nicht so übel?«, meinte sie.
»Doch, bin ich!«, widersprach Mario. Er musste ein grauenvoller Chef sein, da er keine Kellnerin fand, ein grauenhafter Mensch, da er keine Frau fand, und ein grauenhafter Liebhaber, da ihn seine Freundin für einen anderen hatte sitzenlassen.
»Echt?«, erkundigte sich die namenlose Traumfrau und in ihrer Frage schwang ganz klar mit, dass sie ihm nicht glaubte.
»Schlimmer!«, bestätigte Mario. Besser gar keine Hoffnungen in seinem Geburtstagsgeschenk wecken, dann konnte er sie auch nicht enttäuschen.
»Kannst du kellnern?«, erkundigte er sich.
»Maria«, meinte sie, nickte und fügte »und kochen« hinzu.
»Und gut aussehen tut sie auch noch«, entfuhr Mario, bevor er sein Gehirn einschalten und sich das mit »keine Hoffnung wecken« noch einmal durch den Kopf gehen lassen konnte.
»Und soll ich dir ein Geheimnis verraten?« Sie trat näher und ihr Atem streifte sein